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Steppe statt Fichte

Umwelt. - In kaum einer anderen Region des Planeten sind die Temperaturen in den vergangenen zwanzig Jahren so stark gestiegen wie in Alaska, Tendenz anhaltend. Wie sich diese Klimaveränderungen auf die borealen Wälder Alaskas auswirken, wird in einem Langzeitexperiment in der Nähe von Fairbanks untersucht.

Von Monika Seynsche | 11.02.2008
    Glenn Juday ist ein Mann um die fünfzig mit braunem Bart und Brille. Er trägt eine khakifarbene Hose sowie Hemd und Sonnenhut in der gleichen Farbe. Zwanzig Kilometer außerhalb von Fairbanks biegt er von der Straße ab auf einen Waldparkplatz. Von dort führt ein Trampelpfad einen steilen Abhang hinunter in den Nadelwald am Bonanza Creek. Hohe Fichten ragen auf, die nur gedämpftes Sonnenlicht bis zum Unterholz durchlassen. Glenn Juday bleibt auf einer kleinen Lichtung stehen und schiebt seinen Hut in die Stirn.

    "Vor 21 Jahren habe ich auf dieser Fläche jeden lebenden und toten Baumstamm kartiert, der dicker als zwei Zentimeter war. Damals gingen wir davon aus, dass wir hier im Laufe der Jahre kaum Veränderungen sehen würden."

    Der Waldökologe von der Universität von Alaska in Fairbanks wollte beobachten, wie sich der Wald über die Jahrzehnte hinweg wandeln würde. Ein ökologisches Langzeitexperiment, bei dem die Bäume sich selbst überlassen blieben.

    "Ich habe gerade die neuesten Zahlen durchgerechnet: Nur 52 Prozent der Bäume haben bis heute überlebt. Die Sterblichkeit ist enorm hoch. Und fast alle noch lebenden Bäume sind schon von Insekten befallen oder von Krankheiten infiziert, die sie innerhalb der nächsten zehn, zwanzig Jahre umbringen werden."

    In dem Waldstück am Bonanza Creek stehen hauptsächlich Weißfichten. Eine Art, die in den Wäldern Alaskas eigentlich weit verbreitet ist. Aber in Alaska hat sich das Klima seit Ende der 70er plötzlich deutlich erwärmt. In den wärmeren Wintern fällt mehr Schnee, der sich als schwere Last auf die filigranen Stämme und Äste der Weißfichten legt, und sie unter seinem Gewicht zusammenbrechen lässt. Gleichzeitig wachsen die Bäume in warmen Sommern viel schlechter als in kühlen. Denn die Fichten brauchen viel Feuchtigkeit, erzählt Glenn Judays Kollege Terry Chapin.

    "Je wärmer es wird, desto trockener wird es auch. Der Niederschlag im Sommer hat sich kaum verändert, aber durch die höheren Temperaturen verdunstet viel mehr, und das trocknet das Holz aus."

    Die steigenden Temperaturen, die Schneelasten im Winter und das fehlende Wasser im Sommer verursachen den Weißfichten Stress. Und der macht sie zu leichten Opfern von Insektenplagen. Am Bonanza Creek haben Borkenkäfer die Schwäche der Bäume ausgenutzt.

    "Diese Käfer haben sehr ausgefeilte chemische Rezeptoren in ihren Antennen. Sie krabbeln herum und schnüffeln an den Bäumen. An der Zusammensetzung der Duftstoffe der Bäume, der Terpene können sie erkennen wie gesund oder krank ein Baum ist."

    Die Borkenkäfer suchen sich für ihre Eiablage die kranken Bäume heraus, die ihnen kaum noch Widerstand leisten können. Noch bedecken Fichten große Teile Alaskas. Wenn sie mit dem neuen Klima genauso schlecht zurecht kommen wie Glenn Judays Weißfichten am Bonanza Creek stellt sich die Frage, was wird in Zukunft dort wachsen, wo sich jetzt noch endlose Wälder erstrecken?

    "Im Moment konzentriere ich meine Forschung darauf, eine Baumart und eine Region zu finden, in der sich die Klimaerwärmung positiv ausgewirkt hat, wo sie also zu einem verbesserten Wachstum des Waldtyps geführt hat. Das Problem ist: ich habe sie noch nicht gefunden. Und ich habe wirklich sorgfältig gesucht, nach irgendeiner Art und einem Ort, an dem die Erwärmung die Gesundheit und das Wachstum eines Waldes verbessert hat."

    Der Waldökologe ist wenig optimistisch, dass seine Suche doch noch ein erfolgreiches Ende nehmen könnte. Bislang hat er nur einen einzigen Vegetationstyp gefunden, der die neuen Bedingungen zu schätzen weiß: Grasland.