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Strom aus Dreck

Biotechnologie. - Seit einigen Jahren arbeiten Wissenschaftler am Ziel, Bakterien als Elektrizitätsquelle zu nutzen. Bislang sind die erreichten Leistungen bescheiden, jedoch auch vielversprechend. Ein französisches Wissenschaftlerteam präsentierte nun seinen Prototyp einer Bio-Batterie für den industriellen Einsatz.

Von Suzanne Krause | 13.10.2008
    Die Miniaturform des Bio-Kraftwerks der Zukunft passt in eine Laborflasche von 250 Millilitern Größe. Gefüllt ist sie mit einer organischen Lösung. Darin eingelassen werden eine Anode aus Karbon, eine Kathode und ein Haufen Bakterien. So genannte elektroaktive Bakterien, stellt Lorris Niard klar. Mikrobiologe Niard arbeitet im Labor Ampere in Lyon Hand in Hand mit Elektrikern und Chemikern am Projekt Biopac, der bakteriellen Brennstoffzelle.

    "Wenn Bakterien organische Materie zersetzen, dann nutzen sie die darin enthaltene Energie für ihr eigenes Überleben und für ihre Entwicklung. Nach unserem Wissensstand beherrschen die Coli-Bakterien das am besten. Mit unserem System können wir direkt einen Teil von der Bakterienenergie auffangen. Damit betreiben wir dann Motoren oder andere elektrische Anlagen."

    Natürlich kann ein Kraftwerk in Laborflaschen-Format nicht viel Strom produzieren. Aber das System funktioniert. Nicht nur in Lyon, sondern auch in anderen Labors rund um die Welt. Die Kollegen andernorts streben an, ihre Anlagen so zu bauen, dass sie den Strom besser abzapfen können. Die Biopac-Tüftler hingegen betreiben Grundlagenforschung beim Stromlieferanten, den Bakterien. Bekannt ist bislang: 99 Prozent aller Bakterien neigen dazu, sich auf einer Oberfläche anzuhaften. Und überziehen so die Anode mit einem Biofilm, erläutert Lorris Niard:

    "Die verschiedenen Bakterien geben die Energie auf unterschiedliche Weise an die Elektrode ab. Einige synthetisieren zum Beispiel eine Art kleines Stromkabel, mit dem sie sich an die Elektrode anklemmen. Andere geben ihre Elektrizität durch direkten Kontakt an die Anode ab. Diese Mechanismen kennen wir bislang bei der mikrobiellen Batterie. Aber bei unserem Forschungsprojekt entdecken wir vielleicht noch andere Arten der Stromübertragung."

    In Australien ist eine Bakterienbatterie schon erfolgreich im Einsatz. Bier-Batterie heißt sie: als "Brennstoff” dient das Brauwasser eines Bierherstellers. Ein kohlenhydratreiches Futter, ein Festmahl für die stromproduzierenden Bakterien. Die dann, dank der Zufuhr von Sauerstoff, gleich auch noch Wasserstoff produzieren, also das Brauabwasser klären. Die Biopac-Entwickler jedoch wollen ihr System in einem viel schwierigeren Umfeld einsetzen: in Kläranlagen. Ein raues Milieu, geprägt von sehr unterschiedlicher organischer Materie. Benötigt wird da eine große Bandbreite an elektroaktiven Bakterien, darunter auch Stämme, die Giftstoffe, Schwermetalle verdauen können. Niard:

    "Was uns interessiert, ist auch, die sehr komplexe Gemeinschaft unterschiedlicher Bakterienstämme auszunutzen, denn sie entwickeln ein natürliches Gleichgewicht. Diese Gemeinschaft macht die Bakterien produktiver. Gerade im Schmutzwasser, das uns ja speziell interessiert. Wenn es uns gelingt, herauszufinden, wie die einzelnen Bakterien interagieren, können wir eine stabilere und effizientere Stromproduktion erzielen. Im Labor ist uns dies schon gelungen."

    Die organische Masse in Schmutzwasserbecken enthält reichlich Energie. Könnte man davon nur zehn Prozent mit Biobatterien in Strom verwandeln, würde das ausreichen, um die Kläranlage zu betreiben, meinen die Forscher. Bislang erzielen sie gerade mal ein Tausendstel davon. Doch im vergangenen Jahrzehnt gelang es schon, die Stromproduktion um den Faktor 1000 zu steigern. Die erste Pilotanlage mit dem Biopac soll in fünf, sechs Jahren entstehen. Doch das Team in Lyon träumt schon davon, seine Biobatterie auch Hausbesitzern mit Klärtanks schmackhaft zu machen. Jeder Gang auf die Toilette könnte dann Strom fürs Radio oder die Glühbirne bringen und zudem sauberes Wasser.