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Stupid Hackathon
Einfach mal die Zeit verschwenden

LED-Lampen in einem Gesicht aus Mett, eine App, die einfach alles postet, was man am Computer macht oder ein umgekehrter Werbeblocker, der alles blockiert, außer die Werbung: Beim Stupid Hackathon in Montreal ist alles erlaubt. Einzige Vorgabe: Etwas machen, das keinen Sinn ergibt.

Von Dennis Kastrup | 14.03.2016
    Eine Hand bedient eine Computermaus.
    Eine Hand bedient eine Computermaus. (AFP / Robyn Beck)
    "Beim Stupid Hackathon geht es darum, etwas zu entwickeln, das irgendwie seltsam ist, dennoch vielleicht nützlich sein könnte. Am Anfang ist es aber immer nur ein unnützes Experiment."
    Marc-André sitzt vor seinem Rechner in einem heruntergekommenen Fabrikgebäude in Montreal. Hier, in ihrem Labor, haben die Mitglieder des "Foulab" ihren Freiraum gefunden. Zwischen museumsreifen Computern, unzähligen Schaltelementen, ausgemisteten Festplatten und 3D-Druckern wird jede Woche über Ideen und Visionen der digitalen Gesellschaft diskutiert.
    Vergangenen Samstag hatten die Mitte-30-Jährigen zum Stupid Hackathon geladen. Am Ende des Tages sollten kleine Erfindungen präsentiert werden, die eigentlich gar nichts mit dem Begriff "Hacken" zu tun haben. Taylor, der wie die anderen seinen Nachnamen lieber nicht sagen will, klärt auf:
    "Das ist schon verwirrend. Für das Hacken braucht man dieselben Fähigkeiten wie beim Experimentieren mit elektronischen Geräten, Radios oder Computersoftware. Damit kann man aber eben auch irgendwo einbrechen und Daten klauen."
    Mehr als vor dem Rechner sitzen
    Es ist also nicht nur so, dass vor Rechnern gesessen wird. Auf früheren Stupid Hackathons in den USA steckten die Teilnehmer zum Beispiel LED Lampen in ein aus Mett geformtes Gesicht. Sie blinkten dann in den Augenhöhlen. Sinnlos also. Ursprünglich waren Hackathons dafür gedacht, innovative Ideen zu entwickeln.
    "Bei allen normalen Hackathons, die ich besucht habe, war die Vermarktbarkeit der Idee wichtig. Da ging es nicht um Originalität, sondern um die Verwertbarkeit. Das ist das grundlegende Kriterium der Industrie. Bei uns geht es aber darum, etwas Nutzloses zu erschaffen, das Spaß macht. Das soll also das totale Gegenteil davon sein."
    Paul hat schon ein einige Stupid Hackathons mitgemacht. Der große Mann mit der Jogginghose und Mütze strahlt bei dem Gedanken an die Sinnlosigkeit der Erfindungen.
    "Es gab eine App, bei der man das Handy schütteln musste, um ein Foto von sich selber machen zu können. Die war lustig. Ein weiterer Liebling von mir war ein quasi umgekehrter Werbe-Blocker. Der blockt online also den ganzen Inhalt und zeigt nur die Werbung."
    Jeder kann mitmachen
    Grundsatz der Veranstaltung ist, dass jede und jeder kommen kann. Alles, was gerade im "Foulab" herumliegt, darf von jedem benutzt werden. Deshalb wurde auch an diesem Tag viel in Kisten gewühlt, um brauchbare elektronische Spielereien zu finden.
    Eine weitere Regel: Alle können Ideen äußern. Je sinnloser, desto besser. Ich versuche es: Wie wäre es mit einer App, die einen aufweckt, wenn man einschläft. Aus einer Ecke des Raumes kontert Marc-André:
    "Das wurde schon in Autos benutzt. Das Gesicht wird von einer Kamera auf dem Armaturenbrett gescannt. Wenn sie erkennt, dass man nicht auf die Straße schaut - also wenn man zum Beispiel die Augen schließt - dann schickt die App ein Signal, um einen aufzuwecken."
    Weitere Vorschläge sind: Ein Programm, das alle Nachrichten über Donald Trump blockt. Abgelehnt, zu sinnvoll. Eine App, die anhand von Gesichterscannen erkennt, ob die Person schon einmal Präsident der Vereinigten Staaten war. Schon besser, aber noch nicht genug. In dem Moment hört man ein Flugzeug. Paul ist spontan:
    "Wenn ein Flugzeug über deinen Kopf rast, dann würde ein Programm spekulieren, ob das Superman ist. Ich würde das "Plausible Superman Erkennung" nennen."
    Auch abgelehnt. Am Ende einigt sich die Gruppe auf Taylors Vorschlag:
    "Ich schreibe ein Programm, das alle persönlichen Informationen preisgibt. Das wird alles was man macht auf den sozialen Netzwerken veröffentlichen. Man klickt also auf einen Ordner auf dem Desktop, das wird dann getwittert. Man öffnet einen Link im Browser, das wird auf Facebook gepostet. Vielleicht wird es auch in zufälligen Abständen den Benutzernamen und das Passwort auf Twitter und Facebook veröffentlichen. Wenn man dem nicht zustimmt, erlaubt einem das Programm nicht, irgendetwas mit dem Computer zu machen. Man muss also "ja" dazu sagen."
    Oft scheitert es an der Umsetzung
    Auf den ersten Blick ist diese Idee völlig absurd. Die Teilnehmer wenden aber ein, dass man so doch darauf aufmerksam gemacht werde, vorsichtiger mit seinen Daten umzugehen. Hinter all dem steckt also irgendwie auch immer etwas Sinnvolles. An der Umsetzung scheitert es dann aber doch. Paul, Taylor und Marc-André sitzen auch heute, am Montag an der Fertigstellung des Programms. Ob sie es jemals schaffen, steht in den Sternen.
    "Das sieht wie Zeitverschwendung aus, aber darum geht es doch! Hin und wieder muss man etwas machen, das keinen Sinn ergibt. Wenn man alles nur aus einem bestimmten Grund macht, dann weiß man nicht, wie sich Spaß anfühlt. Urlaub würde dann keinen Sinn machen. Etwas nur aus Spaß zu machen ist also wichtig. Deshalb machen wir das."