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Suche nach einem Unternehmensnachfolger
"Nicht nur wirtschaftlicher Prozess"

Wenn der Chef eines kleinen Betriebs in Rente gehen möchte, ist das nicht so einfach. Drei Jahre Suche nach einem Nachfolger seien ein üblicher Mittelwert, sagte Rosemarie Kay vom Institut für Mittelstandsforschung im Deutschlandfunk. Auch deshalb sollte die Unternehmensnachfolge frühzeitig angegangen werden - zumal sie auch ein emotionaler Prozess sei.

Rosemarie Kay im Gespräch mit Kate Maleike | 06.01.2016
    Symbolbild/ Metallbau: Ein Metallarbeiter arbeitet mit einer Metallfeile (Foto vom 08.02.2012). Foto: Horst Ossinger dpa
    Metallarbeiter: Gerade der Mittelstand hat oft Schwierigkeiten, einen Unternehmensnachfolger zu bestimmen. (picture alliance / dpa / Horst Ossinger)
    Kate Maleike: Dr. Rosemarie Kay ist stellvertretende Geschäftsführerin des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn. Und sie ist sehr gut vertraut mit der Problematik der Unternehmensnachfolge in Deutschland. Guten Tag, Frau Kay!
    Rosemarie Kay: Guten Tag!
    Maleike: Wie groß ist im Moment die aktuelle Zahl der Unternehmen, die einen Nachfolger suchen? Da war immer von über 100.000 in den letzten Jahren die Rede.
    Kay: Das Problem ist, wir wissen eigentlich gar nicht ganz genau, wie viel Übernahmen jedes Jahr stattfinden. Es gibt keine amtliche Statistik dazu. Deswegen nimmt das Institut für Mittelstandsforschung seit Jahren Schätzungen vor. Unsere Schätzungen liegen etwas niedriger als die Zahl, die Sie gerade genannt haben. Wir gehen so von einer Größenordnung von etwa 27.000 übergebenden Unternehmen im Jahr aus.
    Maleike: Unser Beispiel, also der Chef, der abgeben wollte, hat ja drei Jahre lang gesucht nach einem geeigneten Nachfolger. Ist das eine Zeit, die auch typisch ist? Und wenn es so ist, warum dauert es so lange?
    Kay: Also, das ist durchaus eine typische Zahl. Es gibt natürlich Unternehmensnachfolgeprozesse, die in kürzerer Zeit abgewickelt werden können. Aber es gibt durchaus Unternehmen und Unternehmer, die noch länger suchen. Also, das mit diesen drei Jahren liegt ganz gut in so einer Mitte. Was sind die Gründe, die sind vielfältig. Es ist die Frage, wo findet man einen geeigneten Nachfolger? Im Handwerk gibt es ja noch diese Betriebsbörsen, das haben wir gerade auch gehört, wo Nachfolger und Übergeber irgendwie zusammenfinden können. Das gibt es in anderen Wirtschaftsbereichen nicht in diesem Maße wie im Handwerk. Und von daher besteht eine ganz, ganz große Schwierigkeit darin, dass Menschen, die eigentlich ein Unternehmen übernehmen wollen, nicht so recht wissen, wo sie das eigentlich finden sollen. Die meisten Unternehmer, die ihr Unternehmen übergeben wollen, inserieren das ja nicht. Das wird nicht an die große Glocke gehängt. Und insofern stellt sich die Suche nach einem geeigneten Unternehmen für einen Nachfolgeinteressierten wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen dar.
    Maleike: Aber wir hören daraus, dass Sie das schon auch als, sagen wir mal, Karrierechance sehen für junge Leute, tatsächlich auch über eine Unternehmensnachfolge nachzudenken zumindest?
    Kay: Gute Option für junge Menschen
    Kay: Auf jeden Fall, auf jeden Fall! Ich sehe das als eine gute Option an, insbesondere für junge Menschen, die ein Interesse daran haben, sich auch mal selbstständig zu machen. Ich würde nicht empfehlen, direkt im Anschluss an das Studium ein Unternehmen übernehmen zu wollen, weil doch eine gewisse Berufserfahrung, eine gewisse Branchenerfahrung, eine gewisse Führungserfahrung sicherlich hilfreich ist, um dann auch nach der Übernahme des Unternehmens dieses Unternehmen auch führen zu können. Das lernt man ja nicht an der Universität. Also, das würde ich schon sagen. Aber eine mittelfristige Perspektive ist eine Unternehmensübernahme für Menschen, die irgendwann mal selbstständig sein wollen, auf jeden Fall. Und ich halte sogar eine Unternehmensübernahme für den eigentlich geeigneteren Weg, als ein Unternehmen selber zu gründen.
    Maleike: Ein ganz kurzes Wort noch zu den Übergebern selbst! Also, der Chef, den wir ja gerade gehört haben, hat gesagt, das sei sein Lebenswerk. Und wenn der Vertrag unterzeichnet würde, dann wäre sicherlich auch die eine oder andere Träne möglich. Das ist total verständlich, trotzdem der Tipp: Nicht zu lange warten mit dem Abgeben, oder?
    Kay: Auf jeden Fall, auf jeden Fall! Je früher man sich mit dieser Frage beschäftigt, desto besser. Er sagte ja, glaube ich, 55 bis 60 Jahre. Wir haben ja auch jetzt an unserem Beispiel gesehen, es klappt ja dann auch nicht gleich. Und wenn man dann auch noch hört, in diesem Fall, der Handwerker möchte auch noch ein bisschen den Übernehmer begleiten. Ja, dann ziehen fünf Jahre ins Land oder zehn Jahre ins Land und dann irgendwann kommt tatsächlich das Alter, in dem sich ein Unternehmer auch zurückziehen möchte. Also, frühzeitig damit beginnen ist auf jeden Fall gut. Es ist ja auch ein Prozess, mit dem man. Sie sprachen es ja gerade an, das ist ja nicht nur ein wirtschaftlicher Prozess, es ist auch ein emotionaler Prozess. Ich muss mich ja auch anfangen, von dem Unternehmen zu lösen. Das sind Dinge, die Zeit brauchen.
    Maleike: Sagt Rosemarie Kay vom Institut für Mittelstandsforschung in Bonn. Und wir haben gesprochen über das große Problem der Unternehmensnachfolge in Deutschland.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.