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Sure 2 Vers 191-193
Die sogenannten Skandalverse

Gerade in Koranversen, die aufgrund ihres kriegerischen Inhalts von vielen Hasspredigern und Islamgegnern hervorgehoben werden, steckt eigentlich eine freiheitliche Grundhaltung zu Glaubens- und Meinungsverschiedenheit. Zu diesen Koranstellen zählen vor allem die sogenannten Skandalverse.

Von Prof. Dr. Ömer Özsoy, Universität Frankfurt am Main |
    Teaserbild mit Text Sure 2 Verse 191-193
    Sure 2 Verse 191-193 (Deutschlandradio Grafik)
    "Und erschlagt sie, wo immer ihr auf sie stoßt, und vertreibt sie, von woher sie euch vertrieben; denn Unterdrückung ist schlimmer als Totschlag. ( ... ) Und bekämpft sie, bis die Unterdrückung aufgehört hat, und der Glauben an Gott da ist. Und so sie ablassen, so sei keine Feindschaft, außer wider die Ungerechten."
    Der Koran ist in einem Zeitraum von über 22 Jahren stückweise offenbart worden. Er bezieht sich auf verschiedenste Geschehnisse und Gegebenheiten der Offenbarungszeit zwischen 610 und 632. Deshalb finden wir in ihm Spuren fast aller Ereignisse seiner Zeit: Alltägliches und Rituelles, Friedliches und Kriegerisches, Rechtliches und Religiöses. Er behandelt seine Themen nicht abstrakt, sondern in bestimmten Kontexten und anhand von Beispielen. So ist auch mit dem Thema "Religionsfreiheit und Gewalt".
    Die Sendereihe "Koran erklärt" als Multimediapräsentation
    Bei einer genaueren historischen Betrachtung des Korans lässt sich feststellen: Gerade in Koranversen, die aufgrund ihres kriegerischen Inhalts von vielen Hasspredigern und Islamgegnern hervorgehoben werden, steckt eigentlich eine freiheitliche Grundhaltung zu Glaubens- und Meinungsverschiedenheit. Zu diesen Koranstellen zählen vor allem die sogenannten "Skandalverse", die in den letzten Jahren der Offenbarung in Medina herabgesandt worden sind – dazu gehören auch die Verse 191 bis 193 in Sure 2.
    Das Schlüsselwort im arabischen Original lautet fitna:"Und bekämpft sie, bis die fitna aufgehört hat". Das Wort bedeutet ursprünglich "Unterdrückung", "Folter" und "Prüfung". In vielen Korankommentaren aus dem Mittelalter wird fitna als "Unruhe" und "Aufruhr" verstanden und als "Unglaube", "Götzendienst" und "Häresie" interpretiert. Diese Aussage bekam nachträglich eine Bedeutung, mit der man rechtfertigen konnte, Nichtmuslime oder andersdenkende Muslime als "Unruhestifter" zu unterdrücken und zu verfolgen. Denn eben dieser Wortlaut bietet sich für weitgehende Überinterpretationen an: "Kämpft gegen sie, bis niemand mehr Unruhe stiftet", "... bis niemand mehr ungläubig ist", "... bis niemand mehr anders denkt" usw.
    Der Vers spricht ursprünglich nicht von einer Auseinandersetzung mit denjenigen, die nicht glauben oder anders glauben. Vielmehr geht es in dem Vers um die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den heidnischen Mekkanern. Diese Mekkaner übten gegenüber den ersten, noch schwachen Muslimen Gewalt aus, bis sie ihre Heimat verlassen und nach Medina auswandern mussten. So gesehen geht es in dieser Koranpassage um nichts anderes, als um das Prinzip, sich gegen Verfolgung und Unterdrückung zur Wehr zu setzen und auf Glaubensfreiheit zu beharren.
    Dieser Ansatz stimmt mit der UNESCO-Erklärung über die Prinzipien der Toleranz überein. Dort heißt es in Artikel 1, Absatz 4: "In Übereinstimmung mit der Achtung der Menschenrechte bedeutet praktizierte Toleranz weder das Tolerieren sozialen Unrechts noch die Aufgabe oder Schwächung der eigenen Überzeugungen."
    So weit die UNESCO-Erklärung über die Prinzipien der Toleranz. Zum Abschluss nun noch einmal die Verse, die hier erläutert wurden: "Und erschlagt sie, wo immer ihr auf sie stoßt, und vertreibt sie, von woher sie euch vertrieben; denn Unterdrückung ist schlimmer als Totschlag. ( ... ) Und bekämpft sie, bis die Unterdrückung aufgehört hat, und der Glauben an Gott da ist. Und so sie ablassen, so sei keine Feindschaft, außer wider die Ungerechten."