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Taiwan - der kleinere Kulturschock

Die Insel vor Chinas Südostküste ist die erste und einzige chinesischsprachige Demokratie der Welt. Leben und Lernen laufen dort entspannter ab, berichten deutschen Studenten in Taipeh.

Von Klaus Bardenhagen |
    Chinesisch ist auf dem Weg zur Weltsprache. Danach sieht es jedenfalls aus in diesem kleinen Klassenraum an der National Taiwan Normal University in Taipeh. Japanerinnen, Koreaner, Franzosen, Amerikaner und eine deutsche Studentin lesen die Schriftzeichen vor, die Lehrerin Zhang an die Tafel gemalt hat.

    Das heißt: Von Taipeh bis Kaohsiung sind es etwa 300 Kilometer. Wie die Studenten befinden sich diese beiden Städte in Taiwan, nicht in der Volksrepublik China. Auch in der kleinen demokratischen Inselrepublik ist Mandarin-Chinesisch die offizielle Sprache.

    Nach ihrem dreistündigen Sprachkurs sucht Rebekka Hadeler sich in den Gassen rund um den Campus was zum Essen. Die 22-Jährige studiert in Hamburg "Wirtschaft und Kultur Chinas" auf Bachelor. Kurz vor dem Abschluss will sie in Taiwan drei Monate lang ihr Chinesisch vertiefen. Und das, sagt sie, funktioniert auf den Straßen von Taipeh noch besser als im Klassenraum.

    "Einfach in der anderen Umgebung zu sein und überall die Schriftzeichen zu sehen und versuchen zu entziffern, was das für Wörter sein können, weil man die einzelnen Schriftzeichen eigentlich schon kennt, aber noch nicht in dieser Zusammensetzung, und auch weil man einfach im Alltag viel darauf angewiesen ist, sich ausdrücken zu können."

    Einige hundert Deutsche kommen jedes Jahr im Rahmen ihres Studiums nach Taiwan. Wie Rebekka hatte auch Viktoria Dümer zuvor schon längere Zeit in China verbracht. In Taiwan musste sie die noch komplizierteren, traditionellen chinesischen Schriftzeichen lernen, die in der Volksrepublik abgeschafft wurden. Und doch bereut die Heidelberger Sinologin ihre Entscheidung nicht.

    "Ich persönlich finde, dass der Hauptunterschied der Unterricht ist. Die Bücher sind viel besser aufgebaut. Die Art wie die Grammatik unterrichtet wird ist viel intensiver, logischer erklärt. Ich verstehe es einfach hier. Und in Shanghai hatte ich große Probleme."

    Dort hatte sie außerdem 20 oder 30 Kommilitonen im Kurs. In Taiwan keine zehn. Mit Einheimischen echte Freundschaften zu schließen, sei ihr hier auch leichter gefallen, sagt Dümer. Junge Taiwaner sind in Freiheit und Demokratie aufgewachsen und Ausländern gegenüber aufgeschlossen. Westliche Studenten können mit Lehrern auch über gesellschaftliche Probleme diskutieren und werden auf der Straße nicht so unverhohlen angestarrt.

    "Die Menschen hier sind anders als die Festlandchinesen. Ich habe hier einfach ein ganz anderes Land noch einmal kennen gelernt. Die Kultur, die Menschen ähneln sich zum Teil den Menschen auf dem Festland, aber es gibt eben auch große Unterschiede. Und ich möchte meinen, dass das meinen Horizont, gerade was mein Sinologiestudium betrifft, noch einmal erweitert hat."

    Wer die chinesische Sprache und Kultur wirklich verstehen will, müsse sich zwingend mit China und Taiwan auseinander setzen, sagt Dümer. Für alle, die vor dem ganz großen Kulturschock zurückschrecken, sei Taiwan wohl besser geeignet als allererste Station in Asien. Rekekka Hadeler ist den umgekehrten Weg gegangen und freut sich, dass anders als auf dem Festland, viele Taiwaner gerne mit ihr Chinesisch reden.

    "Wenn man wirklich westlich leben wollen würde, könnte man es auf jeden Fall durchziehen. Aber es ist auch schön, dass man dieses typisch chinesische doch auch leben kann. Also, es ist eigentlich ein sehr guter Kompromiss aus westlich und asiatisch."