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Termiten im Tank

Technik. - Termiten gelten als Plage: Sie nagen Holzhäuser an, vertilgen Stützbalken und fressen sich durch Planken und Bretter. Kalifornische Wissenschaftler habe gewinnen den Insekten etwas Nützliches ab: Die Tiere können helfen, Biokraftstoffe günstiger als bislang herzustellen, also Benzin, das man aus Pflanzen gewinnt. Wie das gehen soll, haben die Forscher auf der AAAS in San Francisco vorgestellt.

Von Frank Grotelüschen | 19.02.2007
    "Präsident Bush sieht in den Biokraftstoffen die wichtigste Maßnahme, um sich von der Abhängigkeit vom Erdöl zu befreien. Der Mineralölkonzern BP will eine halbe Milliarde Dollar ausgeben, um Biokraftstoffe weiterzuentwickeln. Die gleiche Summe investiert das US-Energieministerium. Also: Hier in den USA sind Biokraftstoffe ein Riesenthema, auch wenn es vielleicht noch nicht jeder gemerkt hat."

    Mel Simon vom California Institute of Technology in Pasadena ist sich sicher: Biokraftstoffe können einen Großteil des US-amerikanischen Kraftstoffbedarfs decken. Und zwar auf nachhaltige Weise, denn der Sprit vom Acker belastet die Atmosphäre deutlich weniger mit dem Treibhausgas CO2 als Benzin und Diesel, die aus Erdöl gemacht sind. Schon heute produzieren US-Farmer Biokraftstoffe: Sie lassen Getreidekörner zu Bioethanol vergären, einem Benzinersatz. Doch diese Methode ist relativ ineffektiv, sagen die Experten – und basteln deshalb an neuen Verfahren. Diese sollen nicht nur das Korn verwerten, sondern die gesamte Pflanze. Das Kalkül: Die Erträge sollen steigen, die Biokraftstoffe billiger werden – und damit konkurrenzfähig. Das Problem: Pflanzen bestehen zum Großteil aus Zellulose. Um diese Zellulose zu verwerten, muss man sie in Zucker umwandeln, der dann zu Treibstoff gemacht wird. Nur: Mit den heutigen Methoden klappt das noch nicht effizient genug. Deshalb fahnden Mel Simon und seine Kollegen nach neuen Methoden. Und zwar hoffen sie, im Bauchladen der Natur fündig zu werden – genauer gesagt: im Bauch von Termiten. Simon:

    "”Der Verdauungstrakt von Termiten ähnelt einem industriellen Prozess: Am Anfang steht ein Mahlwerkzeug, danach folgt ein Bad mit einer Lauge. Dahinter, im Mittelteil des Darms, sitzen Bakterien, sie zersetzen Zellulose zu Zucker. Über diese Darmflora wissen wir noch sehr wenig. Doch allmählich fangen wir an, sie zu verstehen.""

    Termiten können – davon kann manch ein geplagter Hausbesitzer ein Lied singen – Holz fressen und verdauen. Um im Detail herauszufinden, wie die Insekten das anstellen, untersuchten die Forscher ein paar besonders gefräßige Exemplare: Termiten aus Costa Rica. Simon:

    "”Man sticht mit einer feinen Nadel in den Darm der Tiere und extrahiert die Bakterien. Dadurch bekommt man genügend DNA zusammen, um das Erbgut der Darmbakterien zu analysieren. Auf diese Weise können wir herausfinden, wie die Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Bakteriensorten läuft.""

    Die Wissenschaftler konnten bereits einige Enzyme aus termitischen Darmbakterien isolieren, die Zellulose spalten und Zucker gewinnen können. Nur: Ein einziges Enzym reicht nicht. Je nach Pflanze, die man verwerten will, müssen die Experten regelrechte Cocktails aus mehreren Enzymen mischen. Bislang aber arbeiten die Enzyme aus dem Termitendarm noch zu langsam, um sie nutzbar zu machen. Simon:

    "”Die Natur hat eine Menge Zeit. Und die Aufgabe, den Prozess zu beschleunigen und die Enzyme zum schnelleren Arbeiten zu bewegen, ist alles andere als einfach.""

    Dennoch: Es herrscht Aufbruchsstimmung bei Mel Simon und seinen Leuten. Der Grund:

    "Seit einiger Zeit treibt die Industrie die Sache stark voran. Sie findet das alles sehr viel versprechend und hat angefangen, kräftig in diese Technik zu investieren."