Freitag, 29. März 2024

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Teurer Fiskus

Da habt Ihrs, Ihr raffgieriger Halsabschneider.

Von Constanze Hacke | 27.06.2004
    47,48,49...

    Wer gibt Euch eigentlich das Recht rechtschaffene Leute zu schröpfen?

    ...50 Gulden, das sei es für dieses Jahr. Ihr wisst doch Meister Schneider, dass ein jeder in den Reichsstädten seine Bede gebe. Das hat der Wormser Reichstag so beschlossen.

    Was schert mich der Reichstag?

    Meister, Ihr sollet nicht klagen. Bedenket, dass Ihr unter dem Schutz des Königs steht und freuet Euch, dass ich die Bede für Euch einhole und Ihr nicht eigens zum Reichstag fahren müsset.

    Vom Streit um die Eintreibung der ersten direkten Reichssteuer bis zum ersten zentralistischen Steuersystem in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts war es ein langer und weiter Weg. Aber sowohl der "gemeine Pfennig", der im 15. Jahrhundert die Kosten der Türkenkriege decken sollte, als auch das einheitliche Steuerrecht des Reichsfinanzministers Matthias Erzberger 1920 hatten letztlich eines gemeinsam: die Sicherung des Einkommens für den Zentralstaat. Aber erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelang es den Finanzpolitikern der Weimarer Republik tatsächlich, einen stärkeren Zugriff auf die Steuereinnahmen zu erhalten. Mit den Erzbergerschen Finanzreformen trat 1920 eine einheitliche Reichseinkommensteuer an die Stelle von 27 verschiedenen Landeseinkommensteuern. Der Wirrwarr verschiedenster Steuern und deren Einnahmen, die ans Reich erst über Vermittlung der Länder und Städte gelangten, hatte für kurze Zeit ein Ende gefunden. In der Praxis hielt das System jedoch nicht lange vor.

    Die Erzbergerschen Reformen waren sicherlich die erfolgreichsten Steuerreformen, die es auf deutschem Boden jemals gegeben hat; nicht nur was die Verwaltung anbelangt, sondern auch was die Inhalte des Einkommensteuerrechtes zum Beispiel anbelangt. Also Erzberger: So gut war eigentlich vorher und nachher nie mehr jemand, egal welcher politischen Couleur. Das muss man einfach so sagen. Die Dezentralisierung der Finanzverwaltung ist ein Ergebnis alliierten Rechtes. Das ist also nicht sozusagen freiwillig in der Bundesrepublik Deutschland gemacht worden, sondern die Alliierten haben das bewusst als Dezentralisierung und damit Schwächung sozusagen der zentralen Gewalt des Staates gewollt. Dadurch sind die ineffizienten Strukturen ja erst entstanden.

    Barbara Hendricks, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, weiß, wovon sie redet. Zwar wird derzeit viel über Steuerreformen diskutiert. Einer der wichtigsten Punkte wird bei diesen Debatten jedoch meist außer Acht gelassen: nämlich was die Steuern selbst kosten. Also vor allem die finanziellen Belastungen ineffizienter Verwaltungsstrukturen: die Berge von Akten, die sich in den Finanzämtern stapeln; maschinell erstellte Briefe, altmodische Formulare, die Überkreuzung von Zuständigkeitsbereichen bei den verschiedensten Steuern. Auch Unternehmer und Privatleute zahlen bei den Steuern drauf: allein die Zeit, die der Steuerzahler in seine Jahreserklärung investiert. Oder das Gehalt für den Firmen-Buchhalter, die Rechnungen des Steuerberaters oder den jährlichen Mitgliedsbeitrag für den Lohnsteuerhilfeverein.

    Im Auftrag des Bundesfinanzministeriums hat sich das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen – RWI - mit diesem bislang offenbar unterschätzten Kostenpunkt auseinandergesetzt. Das Ergebnis: Das deutsche Steuersystem ist teuer. Zu teuer, findet Hans Dietrich von Loeffelholz, Leiter der Untersuchung:

    Die gesamtwirtschaftlichen Kosten zerfallen sozusagen in zwei Teile: einmal die Kosten, die auf der Verwaltungsebene bei der Steuerverwaltung entstehen. Und die sind also mit 1,6 bis 1,7 Prozent des Steueraufkommens jährlich anzusetzen, was etwa einem Betrag von sechs bis sieben Milliarden Euro entspricht. Die zweite Komponente dieser gesamtwirtschaftlichen Kosten der Besteuerung entsteht im Bereich der privaten Haushalte, die entweder selber ihre Steuererklärung machen oder sie machen lassen von den Steuerberatern. Und diese Kosten sind gesamtwirtschaftlich betrachtet doppelt so hoch wie die Kosten der Verwaltung, nämlich ungefähr mit drei bis dreieinhalb Prozent anzusetzen, was also Kosten von zwölf bis 15 Milliarden Euro ausmacht.

    Jedes Jahr kostet unser Steuersystem bis zu 25 Milliarden Euro. Fünf Prozent des Steueraufkommens gehen jährlich für Ausgaben für Verwaltung und Steuerberatung drauf. Damit ist Deutschland international in der Premium-Klasse der Steuersysteme angekommen – zumindest was seinen Preis angeht… Denn von jeder Steuereinnahme geht dem Staat ein nicht ganz unwesentlicher Teil für das Eintreiben und die Verwaltung der Steuern verloren:
    Umsatzsteuer 0,5 Prozent
    Einkommensteuer 2,2 Prozent
    Körperschaftsteuer 5,0 Prozent
    Gewerbesteuer 1,2 Prozent
    Kraftfahrzeugsteuer 2,9 Prozent


    Nicht jede Steuer kostet gleichviel – sprich macht gleich viel Aufwand. Zu den besonders teuren Steuern in punkto Verwaltung gehört vor allem die Kraftfahrzeugsteuer mit ihren hohen Inkassokosten. Schließlich wird diese Steuer ja nicht direkt von der Tankquittung einbehalten, sondern muss oft sogar mit Mahnungen eingefordert werden.

    Um die Gewerbesteuer einzutreiben, muss die Verwaltung laut RWI-Studie 1,2 Prozent der Einnahmen, die damit erzielt werden, wieder ausgeben. Die Gewerbesteuer dürfte aber sogar noch sehr viel teurer sein. Denn damit sind nicht nur die untersuchten Finanzämter, sondern auch die kommunalen Kämmereien befasst, die das RWI nicht unter die Lupe genommen hat. Nicht nur bei der Gewerbesteuer sind viele Stellen an der Finanzverwaltung beteiligt – dies ist ein generelles Problem.

    Problem eins: die vielarmige Finanzverwaltung
    Überall sorgen langwierige und umständliche Arbeitsabläufe in der Verwaltung und eine komplizierte Gesetzgebung für wiederum mehr Kosten auf Steuerzahlerseite. Helmut Friederici, Vorstandsmitglied des Steuerberaterverbandes Düsseldorf, schildert den ganz normalen Arbeitsalltag eines Steuerberaters - und die Probleme, sich im Paragrafendschungel einen Weg zu bahnen:

    Wenn wir die unterschiedlichen Anweisungen der Finanzämter, dann in den Erlassen der Finanzverwaltung, dann im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen, dann möglicherweise auch noch weitergehend durch die Gerichte geprüft – einzelne Senate der Finanzgerichte entscheiden unterschiedlich. Wir kommen zum Bundesfinanzhof, kriegen ein anderes Urteil. Dann wieder an den deutschen Gesetzgeber zurück - dann wird wieder etwas geändert. Also von daher sieht man, die Kosten, die entstehen für die Verwaltung der Steuer, entstehen ja durchaus auch in der Finanzverwaltung. Wenn ich sehe, wie oft die von Regelungen überschüttet werden, die sie ab morgen zu beachten haben, von denen sie noch gar nicht wissen, wie sie angewendet werden sollen. Wenn also der Gesetzgeber oder die Verwaltungen selbst nicht mehr in der Lage sind, eine geordnete Vorlaufzeit zu haben, um die Durchführung zu gewährleisten; ja, wie soll denn dann eine gescheite Verwaltung noch stattfinden, wie soll es dann zur Vereinfachung kommen?

    Eines ist ganz klar: Das Steuersystem muss unkomplizierter werden, damit es billiger wird. Theoretisch haben das eigentlich auch schon alle Beteiligten eingesehen. Aber von der Theorie bis zur Praxis ist es auch hier wie immer ein langer Weg. Das Bundesfinanzministerium sieht die Lösung in der Rückkehr zu einer einheitlichen Steuerverwaltung – auf Bundesebene. Immer wieder schlägt Minister Hans Eichel seinen Länderkollegen vor, eine eigenständige nationale Steuerbehörde zu schaffen. Die sehen das jedoch als einen Angriff auf den Föderalismus – und auf ihre Steuerhoheit und lehnen immer wieder eine Finanzbehörde auf Bundesebene rundweg ab. Dabei arbeiten die Länderfinanzverwaltungen im Auftrag des Bundes, argumentiert Eichels Staatssekretärin Barbara Hendricks. Faktisch sieht das inzwischen anders aus: Nicht der Bund, sondern die 16 Bundesländer bestimmen, wie die Steuer-Euros, die Bürger und Unternehmen jährlich zu entrichten haben, eingesammelt und verwaltet werden. Eine teure Vielfalt – und für Hendricks nichts anderes als Auswüchse des Föderalismus:

    Es führt eben unser jetziger Sachstand dazu, den wir natürlich schon seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland haben, dass wir tatsächlich Abstimmungsnotwendigkeiten haben, die nicht zu einer wirklich einheitlichen Anwendung der Steuergesetze in Deutschland führen – und infolgedessen auch das Rubrum der Verfassungswidrigkeit in sich tragen. Man kann es sich kaum vorstellen, aber es hat uns wirklich Mühe gekostet, dass wir es wirklich im vergangenen Jahr endlich haben durchsetzen können: ein einheitliches Steuererklärungsformular in allen Ländern. Es haben zum Beispiel die Beamten, die von Bonn nach Berlin versetzt wurden und die Steuererklärungsformulare sozusagen aus Nordrhein-Westfalen mitgenommen hatten, in Berlin erleben müssen, dass die einfach nicht angenommen worden sind. Das ist in der heutigen Zeit, wo man natürlich auch EDV-gestützt arbeiten muss, eigentlich nicht mehr tragbar.

    Problem zwei: alte und inkompatible Datenverarbeitung

    Bei der Entwicklung einer fortschrittlichen EDV haben sich weder Bund noch Länder in den vergangenen Jahren mit Ruhm bekleckert: Mehr als zwölf Jahre lang beackerten Kommissionen und Fachgremien das Problem der veralteten Informationstechnik in den Behörden. Das Projekt FISCUS, das bisher weitaus größte IT-Vorhaben der Steuerverwaltung, sollte eine einheitliche Software für alle Finanzämter entwickeln – und wurde zu einem Milliardengrab. Bereits 1997 und dann noch einmal im Jahr 2000 monierte der Bundesrechnungshof:

    FISCUS wies bei einer Laufzeit von mehr als acht Jahren bereits einen deutlichen Entwicklungsrückstand auf. Insbesondere stand kein praktisch einsetzbares FISCUS-Produkt zur Verfügung. Die lange Projektdauer, die Vielzahl an zu beteiligenden Gremien, die Zeitverzögerungen im Projektverlauf, die nicht ausreichende Personalunterstützung durch die Länder und das sich abzeichnende deutliche Überschreiten des ursprünglichen Kostenrahmens deuteten nach den Prüfungserfahrungen des Bundesrechnungshofes auf ein hohes Abbruchrisiko des IT-Projekts FISCUS hin.

    Spätestens 2006 sollte die Software einsatzfähig sein – nun haben zu viele Köche offenbar den Brei verdorben: Im nächsten Monat wird das Projekt wohl endgültig zu den Akten gelegt. Die Finanzämter der Länder werden zumindest in punkto Datenverarbeitung wohl weiter erst einmal nicht kompatibel sein.

    Problem drei: Unübersichtliche und altmodische Formulare

    Allmählich wird auch den Länderfinanzministern bewusst, dass das Geld, das derzeit für die Verwaltung des Steueraufkommens ausgegeben wird, bei den eigentlichen Einnahmen fehlt. Aber auch der Steuerzahler sollte es künftig leichter haben, fand der Finanzminister von Baden-Württemberg, Gerhard Stratthaus:

    Wir haben da zurzeit ein System in der Entwicklung, das sich SESAM nennt. Das ist eine Abkürzung, da sollen Steuererklärungen gescannt werden, archiviert und maschinell bearbeitet werden. Da geht es ungefähr um Folgendes: Da reicht jemand seine Steuererklärung ein, die er mit der Hand ausgefüllt hat. Zunächst einmal wird das wie an der Supermarktkasse eingescannt, es wird also maschinell gelesen und dann wird es auch maschinell nach Plausibilitätsgesichtspunkten bearbeitet. Und wenn eine Steuererklärung in einem kleinen Fall der elektronischen Datenverarbeitung als plausibel erscheint, da nimmt sie ein Beamter gleich gar nicht mehr in die Hand. Da kann man ungeheuer viel sparen. Das wäre zum Beispiel ein Riesenfortschritt.

    Trotzdem müssten sich die Steuerzahler weiterhin mit amtlichen Vordrucken abmühen, die für viele nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln sind. Lese-unfreundlich gehalten, findet sich kaum jemand ohne professionelle Hilfe in der grau-grünen Bleiwüste zu Recht. Seit Jahren macht der Bund der Steuerzahler Vorschläge, wie die Formulare aufgelockert, vereinfacht und vor allem verständlich gemacht werden können. Hans-Ulrich Liebern, Leiter der nordrhein-westfälischen Steuerabteilung des Verbands, nennt einige Kritikpunkte:

    Wenn man sich allein schon die Steuererklärungsformulare anguckt, da sind die normalen grauen Felder, die man ausfüllt und rechts sind grüne Felder, wo kein Steuerzahler weiß, wofür sind eigentlich die grünen Felder da. Das sind dann diese Finanzamts-internen Vermerke, die dort eingetragen werden. Aber letztendlich verwirren sie den Steuerzahler ja nur. Also, man könnte allein schon das Formular optisch wesentlich besser gestalten, indem man die Fläche dadurch für den Steuerzahler breiter macht, übersichtlicher macht und vielleicht auch auf die eine oder andere Frage verzichten könnte, die sicherlich überflüssig ist.

    Einen Preis hat der Entwurf des Bundes der Steuerzahler inzwischen zwar gewonnen. Aber nur wenige Vorschläge des Verbandes fanden tatsächlich Eingang in die offiziellen Formulare. Von einem einfachen, elektronisch übermittelten oder gar interaktivem System ist die deutsche Steuererklärung noch Lichtjahre entfernt.

    Die Vision ist, die Formulare auch so einfach aufzubauen, auch elektronisch aufzubauen, im Grunde genommen interaktiv: Zeile für Zeile, und dann eben den Steuerzahler an die Hand zu nehmen, damit er durch dieses Formular durchkommt, vielleicht auch nur rein akustische Erfolgserlebnisse einfach mal auch auf dem Bildschirm anzeigt und natürlich auch anzeigt, welche Möglichkeiten er darüber hinaus noch hätte. Problematisch ist es natürlich, wenn solche vertraulichen Daten übersandt werden. Und zu den vertraulichen Daten gehört natürlich auch, das, was jemand im Jahr verdient. Und da muss es sicher gestellt sein, dass, wenn solche Daten an die Finanzverwaltung übergeben werden, dass die auch nur dort ankommen. Da muss man also beide Seiten abwägen: Es muss so sicher wie möglich sein und auf der anderen Seite darf man auch nicht wieder zuviel vom Steuerbürger hier verlangen.

    Problem vier: Vom E-Government noch weit entfernt

    Seine Einkommensteuererklärung kann man inzwischen elektronisch an das Finanzamt schicken – trotzdem bleibt bislang bei manchem Steuerzahler ein mulmiges Gefühl der Unsicherheit; zumal wenn das einzige elektronische Steuerverfahren in Deutschland wenig vertrauenserweckend den Namen eines Raubvogels trägt. ELSTER ist außerdem eine reine Ausfüllsoftware – von Interaktivität oder gar steuerberatenden Funktionen keine Spur.

    In anderen Ländern sieht das ganz anders aus. So werden in Italien sämtliche Steuererklärungen von Privatpersonen inzwischen elektronisch übermittelt: Die Förmlichkeiten übernehmen spezialisierte technische Zentren, Banken oder auch Steuerberater.

    Denkanstoß: das italienische Steuersystem

    Eine Reform hat das italienische Finanzwesen vor drei Jahren auf den Kopf gestellt. Unter der Überschrift "New Public Management" wurden unabhängige Körperschaften – die "Agenzie fiscali" - geschaffen, die nun die Steuern effizient eintreiben sollen. Regionen, Provinzen, Großstädte und Gemeinden haben nun Finanzautonomie. In Rom gibt es inzwischen noch nicht einmal mehr ein eigenständiges Finanzministerium – das wurde mit dem Wirtschaftsministerium zusammengelegt. Das Aufkommen aus den wichtigsten Steuerarten wie Einkommen- oder Umsatzsteuer steht aber nach wie vor der Regierung in Rom zu.

    Auch andere Länder schreiten auf dem elektronischen Weg weiter voran: In Österreich kann man seine Steuerschulden bequem übers Internet begleichen, und die kanadische Bundesfinanzverwaltung bietet neben einem Online-Steuerkonto sogar einen E-Learning-Kurs zum Ausfüllen der Steuererklärung an.

    Denkanstoß - das kanadische Steuersystem

    In Kanada dürfen sowohl Bund, Provinzen, Territorien als auch Gemeinden unabhängig voneinander Steuern erheben. Die Folge: ein starkes Steuergefälle. Provinzen, die über umfangreiche Bodenschätze verfügen, sind weniger auf die Erhebung von hohen Steuern angewiesen als andere. Die Verwaltung erledigt ebenfalls jede Ebene für sich. Bis in die kleinsten Gemeinden gibt es zudem so genannte "Tax services offices", die in der Hochzeit der "Tax filing season" sogar am Abend geöffnet haben. In Kanada berechnet nämlich jeder Steuerzahler seine Steuerschuld selbst - und zahlt diese bis zu einem gesetzlich festgelegten Termin.

    Denkanstoß: Selbstveranlagung statt Lohnsteuerkarten

    Dass jeder Steuerzahler für seine Steuerschuld selbst verantwortlich ist, ist ein Punkt, der nach Ansicht des RWI-Steuerexperten von Loeffelholz für viele kostengünstigere Steuersysteme insbesondere im angelsächsischen Raum entscheidend ist:

    Billiger ist da offensichtlich die Finanzverwaltung, und zwar auch deswegen, weil dort das Verfahren der Selbstveranlagung durch die Steuerzahler wesentlich stärker ausgeprägt ist als dass das in Deutschland und in Europa der Fall ist; so dass also die Kosten der Finanz- und Steuerverwaltung in diesen Ländern, also USA, Neuseeland und andere, wesentlich unter den Kosten in Deutschland liegen. Deutschland liegt also relativ hoch, zum Beispiel auch im Vergleich zu den USA, die Kosten nur haben von etwa 0,6 bis 0,7 Prozent des Steueraufkommens, was also trotz der Doppelstruktur in den USA, dass nämlich der Bund die Steuern einsammelt und zusätzlich auch die Bundesstaaten die Steuern einsammeln, doch relativ günstig erscheint.

    Denkanstoß - das amerikanische Steuersystem

    Das US-Steuersystem ist föderalistisch. Eine einheitliche Finanzverfassung gibt es nicht. Manche Bundesstaaten wie Florida oder Nevada verzichten ganz auf eine eigene Einkommensteuer, andere erheben einen Landeszuschlag auf die Einkommensteuer des Bundes. Mit der Ausführung der Steuergesetze befasst sich wiederum die Bundesfinanzverwaltung IRS. In den USA veranlagt sich jeder Steuerzahler selbst, berechnet also selbst seine Steuerschulden. Darauf muss er einen bestimmten Betrag an Vorauszahlungen leisten.
    Zwar ist die internationale Vergleichbarkeit nur begrenzt: Unterschiedliche Steuertraditionen, aber auch unterschiedliche Aufgaben der jeweiligen Verwaltungen lassen lediglich auf Ansätze schließen. Dass die Selbstveranlagung aber ein Weg aus der Kostenfalle sein könnte, beweist hierzulande die Mehrwertsteuer: Hier veranlagt sich jeder Selbstständige per Umsatzsteuervoranmeldung selbst und senkt so laut RWI-Studie die Kosten für die Verwaltung ganz erheblich.

    Der Anfang für einen Systemwechsel? Vielleicht. Denn schließlich verursacht auch der Lohnsteuerabzug Kosten – und zwar beim Arbeitgeber. Denn der ist in Deutschland für die Eintreibung der Einkommensteuer der Arbeitnehmer zuständig. Teures Buchhalter-Personal berechnet für jeden Beschäftigten die monatliche Lohnsteuer und leitet diese an den Fiskus weiter. Die Kosten dafür belaufen sich laut einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags auf rund vier Prozent der abzuführenden Lohnsteuer. Ein historisches und inzwischen überholtes Relikt aus einer anderen Zeit, findet Harald Hendel, Leiter der Abteilung Lohnsteuer beim DIHK. Er fordert für Arbeitnehmer die Selbstveranlagung:

    Ich halte das sogar für eine Diskriminierung der Arbeitnehmer, dass man ihnen wie im Jahr 1920 unterstellt, dass sie zu dumm oder unfähig dazu sind, ihre steuerlichen Angelegenheiten selbst zu regeln. Einem Würstchenbudenbesitzer, der sicher oft keinen höheren Bildungsstand hat als ein normaler Arbeitnehmer, dem wird selbstverständlich zugemutet, dass er im Wege der Vorauszahlungen seine Einkommensteuerverpflichtungen erfüllt. Aber einem Arbeitnehmer ist das offenbar immer noch nicht zuzumuten. Er wird offenbar für unfähig, für intellektuell minderwertig gehalten, um das selbst durchführen zu können.

    Fazit: Doch keine Lösungen?

    Eine effizientere Verwaltung, verständliche Formulare, interaktive Online-Verständigung mit dem Finanzamt – und dann auch noch die Steuern selbst berechnen; Steuern, die per Dauerauftrag an das Finanzamt überwiesen werden: Das klingt nach Revolution in der Finanzverwaltung – und Zukunftsmusik. Aber schließlich ist Geld ein knappes Gut – vor allem in öffentlichen Kassen, argumentiert Helmut Friederici:

    Die Fehler, die in der Vergangenheit bis heute gemacht werden, die sind irreparabel für einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren und mehr. Und in diesen Dimensionen muss gedacht werden. Und deshalb muss heute der Ansatz gemacht werden und es muss heute die Chance ergriffen werden, heute etwas zu tun, damit wir morgen wieder ein vernünftiges Steueraufkommen haben und auch der Staat durchaus akzeptiert wird mit der Notwendigkeit, seine Aufgaben zu erfüllen.

    Die verstaubte Finanzverwaltung muss also aufgeräumt werden: Umstrukturierte Behörden, eine neue Verwaltungsphilosophie und der sinnvolle Einsatz elektronischer Technologien könnten die Kosten auf Verwaltungsseite begrenzen. Ein transparenteres Steuersystem mit weniger Ausnahmen und möglicherweise einer Selbstveranlagung macht das Ganze für den Steuerzahler akzeptabler – und vielleicht auch gerechter. Entbürokratisierung auf allen Ebenen spart auch Kosten bei allen Beteiligten ein. Und genau diese gesamtwirtschaftlichen Ressourcen könnten dann anderswo sinnvoller eingesetzt werden.