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Trockener Boden macht Bullenhitze

Klimaforschung. – Seit Wochen hat es in Deutschland nicht oder nur wenig geregnet. Falls der ersehnte lang anhaltender Landregen weiterhin ausbleibt, könnten wir einen ziemlich brandgefährlichen und vor allem heißen Sommer vor uns haben. Denn Forscher aus der Schweiz sehen einen Zusammenhang zwischen ausgedörrten Böden und Hitzewellen.

Von Dagmar Röhrlich |
    Eine Trockenzone liegt über Europa: Von der Île de France im Westen reicht sie bis nach Polen und in die Ukraine hinein. In diesem Gebiet ist im April so gut wie kein Regen gefallen. Die Sonne strahlte vom Himmel. Es ist so trocken, dass jede Glasscherbe einen Waldbrand auslösen kann. Mitte April entzündete sich ein Schutzwald im Berchtesgadener Land. Und gerade hat die Feuerwehr einen Brand im sauerländischen Grevenstein unter Kontrolle gebracht: Aber 30.000 Hektar Wald sind vernichtet. Dabei haben wir erst Anfang Mai. Die Erde ist ausgedörrt. Bleibt das so, könnte uns ein unangenehmer Sommer bevorstehen, denn,

    "wir haben vier Hitzeperioden der letzten 50 Jahre untersucht und bei allen ähnliche Muster gefunden, dass nämlich im Frühling zuvor eine Niederschlagsarmut stattgefunden hat, und dass das zu einer Austrocknung des Bodens geführt hat, was dann die Hitzewelle verstärkt hat."
    Erich Fischer von der ETH-Zürich. Der Klimaforscher betont: Die Bodentrockenheit allein bringt keine Hitzewelle:

    "Zu der Trockenheit hinzu braucht es auch noch ein Hochdruckgebiet, es braucht eine konstante Hochdrucklage."

    Die bildet sich unabhängig aus. Trifft beides zusammen – Hochdruckgebiet und durch Niederschlagsmangel ausgetrocknete Böden – wird es heiß. Beispiel: 1976. Damals lag die Hitze wie eine Glocke über Südengland und Nordfrankreich. Fischer:

    "Diesem Ereignis ist eine sehr lange Trockenperiode vorhergegangen. Die hat schon fast ein Jahr zuvor begonnen, das heißt, wir hatten extrem trockene Verhältnisse, und dann kam eben im Juni, Juli ein stark ausgebildetes Hochdruckgebiet dazu, und das hat dazu geführt, dass die Temperaturen so hoch angestiegen sind, wie sie danach kaum mehr beobachtet wurden über diesem Gebiet."
    Auch 2003 war der Frühling ungewöhnlich trocken – und allein im April gab es 217 Sonnenstunden – rund 50 mehr als normal. Die Folge damals: Aus den Böden verdunstete viel Wasser. Fischer:

    "Dann hat man im Jahr 2003 – und das ist auch das, was man für die Zukunft erwartet – einen früheren Vegetationsausschlag gesehen. Das heißt, die Pflanzen verdunsten mehr Wasser zu einem früheren Zeitpunkt, und das führt zu einer erhöhten Verdunstung und das verstärkt diesen Austrocknungseffekt zusätzlich, so dass man zu Beginn des Sommers 2003 schon sehr trockene Verhältnisse hatte."
    Die ausgeprägte Hochdruckwetterlage setzte ein – und das Ergebnis waren Rekordtemperaturen. In Europa starben 35.000 Menschen. Dem Zusammenhang von ausgeprägtem Hochdruckgebiet, Bodentrockenheit und Hitzewellen sind die Schweizer mit Computersimulationen auf die Spur gekommen. Fischer:

    "Wir haben Simulationen durchgeführt, bei denen wir dieselbe Zirkulation vorgeschrieben haben, aber den Boden nicht austrocknen ließen, wir haben künstlich den Boden feucht gehalten, und bei diesen Simulationen sind die Temperaturen viel weniger hoch gestiegen, das heißt, die Hitzwelle war einerseits kürzer und auch viel weniger ausgeprägt. Und genau während dieser maximalen Hitzeperiode waren die Temperaturen viel kleiner als wenn man die Trockenheit einbezieht."

    Um bis zu vier Grad niedriger wären die Spitzentemperaturen ausgefallen, falls die Hochdruckwetterlage auf einen niederschlagsreichen Frühling gefolgt wäre. Denn das im Boden gespeicherte Wasser wäre verdunstet und hätte die Luft gekühlt. Fischer:

    "Das ist der wichtigste Effekt. Der macht sicher 80, 90 Prozent aus, dass viel Energie verloren geht durch die Verdunstung und das viel weniger für die Erwärmung des Bodens vorhanden ist."
    Trockene Böden machen also aus warmen Sommern richtig heiße. Deshalb sieht es so aus, als könnte 2007 spannend werden: Der sonnige April mit – je nach Gebiet – bis zu 350 Sonnenstunden hat die obersten Bodenschichten ausgetrocknet. Die Pflanzen taten ein Übriges: Die Vegetation hat sich drei Wochen früher als normal entwickelt, und auch das hat den Böden viel Wasser entzogen. Jetzt hängt alles davon ab, ob ein reichlicher Mairegen Entspannung bringen wird. Denn bleibt es weiterhin trocken, fehlt nur noch die stabile sommerliche Hochdruckwetterlage zur "Bullenhitze". Und unter solchen Bedingungen bliebe die Waldbrandgefahr mindestens bis zum Herbst extrem hoch.