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Tugce Albayrak
"Ein Symbol für Zivilcourage"

Der Tod von Tugce Albayrak sorgte im vergangenen Jahr für Entsetzen. Heute beginnt in Darmstadt der Prozess gegen den Jugendlichen, der die 18-Jährige zu Tode geprügelt haben soll. In Hessen wird die Erinnerung an Tugce und ihre Zivilcourage hoch gehalten.

Von Ludger Fittkau | 24.04.2015
    Gedenken an Tugce Albayrak
    Gedenken an Tugce Albayrak (picture alliance / dpa /Foto: Frank Rumpenhorst)
    Die letzte Ruhestätte von Tugce Albayrak ist schön. Das Grab liegt gleich neben einer weiß gestrichenen Friedhofskapelle mit spitzem Giebel. Im Hintergrund erhebt sich der Vogelsberg - ein erloschener Vulkan. Ein Baum direkt über Tugces Grab spendet Schatten. Eine Gruppe Frauen unterhält sich in der Nähe:
    "Sie hat den richtigen Platz gekriegt. Sie liegt sehr schön."
    "Ich bin ja alt, ich werde ja 80 jetzt. Ich hätte das nicht gemacht, auch als ich jung war, glaube ich. Ich hätte Angst gehabt, um mich. Aber die hatte ja Courage, irgendwie. Für mich ist das ein Vorbild. Ich habe mich gefreut, wie es hieß, sie ist in Bad Soden-Salmünster."
    "Ich bin sehr viel hier am Friedhof und es kommen immer welche. Und auch viele junge Leute. Viele junge Männer mit Blumen. Und es gibt auch viele Tränen. Jetzt immer noch."
    "Manchmal kommt schon die eine oder andere Träne, die man nicht halten kann."
    "Und das vorhergehende Grab, das war eine Schwester, die hat einen ganzen Zug vom Sudetenland nach Salmünster geholt. Und die lag hier beerdigt. Die war auch ein Engel, die hat viele Leute gerettet. Und die Tugce kommt dann ausgerechnet hier hin."
    "Sie ist ein Engel für mich"
    Tugce sei ein wenig wie ein Engel - das höre ich oft, wenn ich mit Menschen aus ihrem Umfeld über die Verstorbene rede. So war es schon im November 2014, als Tugce noch im Koma lag. So ist es heute noch, kurz vor Beginn des Prozesses gegen Sanel M. Der 18-Jährige ist vor der Jugendkammer des Landgerichts Darmstadt angeklagt, Tugce Albayrak so verletzt zu haben, dass sie an den Folgen starb.
    "So wie die Sache auch ausgehen wird, Tugce ist und bleibt für mich ein Symbol für Zivilcourage. Sie ist ein Engel für mich, in meinen Augen," sagt auch Ismail Tipi. Er ist hessischer CDU-Landtagsabgeordneter mit türkischen Wurzeln. Ismail Tipi kümmert sich seit Monaten um Tugces Familie. Er lebt nicht weit von Offenbach entfernt, der Stadt, in der Tugce Albayrak starb. Niedergeschlagen und tödlich verletzt auf dem Parkplatz eines McDonald's-Restaurants. Weil sie zwei 13-jährigen Mädchen zur Hilfe eilte, die im Toilettentrakt des Restaurants von einer Gruppe junger Männer belästigt wurden.
    Der Ort, an dem Tugce starb, ist an den Wochenenden ein Treffpunkt für junge Leute aus dem Rhein-Main-Gebiet. Hier machen sie Pause, auf dem Weg in die Diskotheken in Frankfurt am Main oder Offenbach. Oder nach durchtanzter Nacht auf dem Nachhauseweg. Auch Tugce und ihre Freundinnen wollten sich stärken, vor der 70 Kilometer langen Fahrt in ihre Heimatorte im osthessischen Kinzigtal.
    "Eine nette Geste - die könnte man schon zeigen"
    Vor dem Eingang des Schnellrestaurants gibt es auf einer Verkehrsinsel eine kleine Gedenkstätte. Ein etwa 50 Zentimeter hoher Holztisch bietet Platz für Blumen oder Kinderzeichnungen, die an Tugce erinnern. Die Blätter sind mit Kieselsteinen beschwert, damit sie nicht wegwehen. Niemand, der mit dem Auto die viel befahrene Straße am Offenbacher Verkehrsknoten Kaiserlei entlang fährt, kann diese kleine Gedenkstätte übersehen. Auch der Abgeordnete Ismail Tipi kommt oft hier vorbei, wenn er in seinen Wahlkreis fährt:
    "Das heißt, da kommen eigentlich Menschen fast täglich vorbei und zünden eine Kerze an für Tugce. Oder legen Rosen. Das ist eigentlich schon etwas, was einem so ein bisschen Gänsehaut bereitet."
    Ismail Tipi ist jedoch bis heute nicht zufrieden damit, wie McDonald's auf das Gewaltereignis auf dem Restaurant-Parkplatz im November 2014 reagiert hat. Dass sich der Konzern offenbar nicht um die kleine, improvisierte Gedenkstätte vor dem Schnellrestaurant kümmert, gefällt ihm nicht:
    "Das ist keine Pflicht, aber das wäre eine schöne Geste zu zeigen, dass die Anteilnahme sehr groß ist. Und das ist ja gleich vor ihrer Haustür, da könnte man vielleicht ein bisschen ein Auge drauf werfen. Und das würde dem Restaurant vielleicht auch dienen, damit die Menschen auch sehen - die trauern auch. Das tut ihnen auch leid, dass es so weit gekommen ist, Eine nette Geste - die könnte man schon zeigen."