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Turnier ohne Giganten

Der Afrika Cup ist das erste große Fußballturnier auf diesem Kontinent seit der WM in Südafrika, die Afrikas Fußball einen nachhaltigen Schub geben sollte. Doch im Moment scheint es, als seien die Probleme größer als in den Jahren vor der Weltmeisterschaft.

Von Daniel Theweleit | 21.01.2012
    Wer in den kommenden drei Wochen das richtige Fernsehprogramm einschaltet, der kann sich ein kleines WM-Déjà Vu verschaffen. In Äquatorial Guinea und Gabun wird der Sound des afrikanischen Fußballs erklingen, und am Ende wird es einen neuen Kontinentalmeister geben. Denn Titelverteidiger Ägypten ist in der Qualifikation gescheitert. So wie auch Kamerun, Nigeria, Südafrika und Algerien. Von den sechs afrikanischen WM-Teilnehmern sind nur Ghana und die Elfenbeinküste beim Afrika-Cup dabei. Die anderen vier sind in ein tiefes Leistungsloch gefallen. Gernot Rohr, der Trainer des Turniergastgebers Gabun hat eine einfache Erklärung für dieses Phänomen:

    "Ich denke einfach, dass der kollektive Fußball, dass die Mannschaften, die geschlossen und kollektiv gespielt haben, die Stars einfach mit ihrer Strategie besiegt haben. Logischerweise. Und das ist für einen Trainer immer interessant, denn wir sind alle für das kollektive Element im Fußball und nicht für das Individuelle."

    Die kleinen haben aufgeholt, Botswana und Niger haben sich zum ersten mal überhaupt für das wichtigste Turnier des Kontinents qualifiziert. Libyen konnte sich trotz der Kriegswirren durchsetzen. Samuel Eto’o, das Gesicht des afrikanischen Fußballs, fehlt hingegen. Die mangelnde Demut der großen Stars war schon immer ein lähmendes Gift für den afrikanischen Fußball. Daran hat auch die WM am Kap nichts ändern können.

    "Ich glaube schon, dass es im Moment noch ein afrikanisches Problem ist, Beständigkeit, und ja Geschlossenheit in gewissen Mannschaften, die mit Stars bestückt sind, zu gewinnen, wegen der Mentalität. Aber es könnte eine Lehre sein, zumindest für diese Mannschaften, man hat es gesehen an Senegal, die waren beim letzten mal überhaupt nicht dabei, und sie sind jetzt für mich zumindest mit die beste Mannschaft, die sich auch brillant qualifiziert hat."

    Diese These wurde schon oft formuliert. Gebessert hat sich nur wenig. Auch deshalb verliert die alte Theorie, nach der es nur eine Frage der Zeit sei, bis Afrika einen Weltmeister stellt mehr und mehr an Überzeugungskraft. Zwar sagt Rohr:

    "Ich glaube der afrikanische Fußball hat Selbstvertrauen gewonnen nach dieser guten Organisation in Südafrika."

    Aber mit Organisation allein werden die Mannschaften nicht besser. Die immer gleichen Geschichten blockieren Afrikas Fußball: überstürzte Trainerwechsel kurz vor Turnierbeginn - wie bei Äquatorial Guinea, wo Henri Michel aufgab. Erbitterter Streit über Prämien - wie bei Botswana. Oder die Einmischung von Sportministern und Staatschefs. Es scheint eher so, dass der Kontinent seine Chance verpasst hat, den Abstand zu Europa und Südamerika zu verkürzen. Denn in den 90er Jahren und zu Beginn des neuen Jahrtausends, da hatten die großen europäischen Nationen ihre Potenziale nicht ausgereizt. Die Jugendarbeit war vernachlässigt worden, viele Ländermannschaften waren überaltert, die Ligen wurden von Ausländern dominiert. In dieser Zeit holte Afrika auf. Inzwischen fluten bestens ausgebildete 20-Jährige die Kader von Deutschland, Italien, Frankreich oder Spanien, während Afrikas Ausbildungsstrukturen sich genauso langsam entwickeln, wie alles was Geld kostet auf diesem Kontinent. Und Rohr sieht noch einen weiteren Nachteil.

    "Worunter Afrika aber am meisten leidet, ist die Tatsache, dass die Jungs nicht mehr mit 14, 15 Jahren oder 16 oder 17 in Europäische Nachwuchszentren gehen könne. Weil die Regeln geändert wurde, dass man erst mit 18 Jahren raus darf und keine Minderjährigen verpflichten darf. (…). Man darf erst ab 18 unter vertrag nehmen. Deswegen muss Afrika diese schwierige Etappe überwinden, in dem man diese Nachwuchszentren im eigenen Land aufbaut. Und das braucht ein bisschen Zeit. Dazu braucht man Trainer, Trainerausbildung, die Strukturen, die finanziellen Mittel und das ist im Moment die Schwierigkeit, mit der Afrika zu tun hat."

    Das Teilnehmerfeld des Afrika-Cups, in dem einige Größen des Kontinents fehlen, ist womöglich schon eine Folge dieser Entwicklung. Und Nachfolger für alternde Weltstars wie Eto’o, Didier Drogba, Michael Essien oder Kolo Toure sind auch nicht in Sicht. Das Attribut Weltklasse verdient im Moment kein einziger afrikanischer Fußballer. Es wird ein Afrika-Cup der kleineren Länder werden. Der ganz große Fußball hingegen, der hat sich nach der WM erstmal von Afrika verabschiedet.