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Umgang mit Identitären
Der Kampf um den Campus in Halle

Identitäre sind die neuen Rechten. Mit Videos und Aktionen machen sie Stimmung gegen Flüchtlinge und Migranten. In Halle an der Saale haben die Identitären gegenüber der Universität ein rechtes Hausprojekt gegründet, um Studenten mit ihrer Propaganda zu erreichen. Doch die wollen ein Zeichen dagegen setzen.

Von Christoph Richter | 29.11.2017
    Hausprojekt der Identitären Bewegung in Halle an der Saale
    Das Hausprojekt der Identitären Bewegung in Halle an der Saale wurde im Frühjahr gegründet (Deutschlandradio / Christoph D. Richter)
    "Es wird versucht ein Bedrohungsszenarium aufzubauen", sagt Louis Wolfradt, Ende 20, Lehramtsstudent im 7. Semester. Er steht vor der Mensa auf dem Steintor-Campus. Nur ein paar Meter entfernt liegt das Haus der Identitären Bewegung, ein vierstöckiger Gründerzeitbau, verschmiert durch Farbbeutel-Attacken.
    "Von der Professorenschaft würde ich mir eine Auseinandersetzung wünschen. Es wird wenig diskutiert, das ist schon ein Problem."
    Nach Ansicht von Rechtsextremismus-Experten sind die Identitären so was wie der Kern einer neuen rechten Bewegung. Thematisch geht es vor allem gegen Flüchtlinge. Der Verfassungsschutz beobachtet die Bewegung, der in Deutschland etwa 300 Personen angehören sollen, 50 leben in Sachsen-Anhalt, ein halbes Dutzend im rechten Hallenser Hausprojekt in der Adam Kuckhoff Straße, direkt am geisteswissenschaftlichen Campus.
    Einer der Bewohner ist der aus Bremen stammende Mario Müller, ein studierter Politologe, der seine Examensarbeit an der Universität Halle geschrieben hat. Die Wahl des Standortes für das Hausprojekt sei sehr bewusst gewesen.
    "Um der linksliberalen Kultur des Selbsthasses hier etwas entgegen zu setzen. Und auch den patriotischen Studenten, die es hier auch gibt, einen Ort zu geben, wo sie merken, dass es nicht verwerflich oder unmoralisch ist, patriotisch zu sein, rechts zu denken, sondern dass das auch völlig normal ist."
    Universität erarbeitet einen Leitfaden
    Einer der Hallenser Uni-Professoren, der vor der Identitären Bewegung warnt, ist Politikwissenschaftler Johannes Varwick. Anfang September hat er im Hörsaal 1 - der direkt gegenüber dem rechten Hausprojekt liegt - eine Podiumsdiskussion zum Thema der Identitären organisiert, was für viel Aufsehen sorgte. Auch weil er die Identitären als "rechte RAF" bezeichnete. Im Internet wurde Varwick dafür scharf angegriffen. Man beschimpfte ihn als "naiven Professor" und "geistigen Brandstifter", weil das Haus in der Adam Kuckhoff Straße ein paar Tage später von Vermummten angegriffen wurde. Johannes Varwick findet, die Universität müsse sich klarer positionieren.
    "Ich hoffe auch, dass das Rektorat und die Universität eine Linie findet im Umgang mit den Identitären. Das ist nicht ganz einfach, weil sich die Uni nicht in politische Dinge einmischen kann. Aber wir brauchen doch einen Konsens, dass Extremismus nicht widerspruchsfrei stattfinden kann an der Universität."
    Derzeit erarbeitet die Universitäts-Leitung einen Leitfaden. Kanzler Markus Leber nennt es eine Handlungsanweisung für Professoren und Dozenten, falls rechte Aktivisten in die Seminare und Vorlesungen drängen, rassistische und diskriminierende Debatten anzetteln.
    "Wir nehmen wahr, dass die Dozenten da ein gewisses Informationsbedürfnis haben, was ihre Rechte und Möglichkeiten sind. Die Grundlinie ist klar: Die Universität wird nicht dulden, dass Lehrveranstaltungen gestört werden."
    Null Toleranz, heißt es. Man wolle sich von den Identitären nicht den Ruf der Uni zerstören lassen, ergänzt Rektor Udo Sträter.
    "Es sollte nicht sein, dass bei einzelnen Studienbewerbern Befürchtungen kommen, man kann nicht nach Halle gehen, weil es dort Bedrohungssituationen gibt oder weil es eine extremistische Szene gibt."
    Von Mitgliedern der Identitären Bewegung bedroht
    Sträter berichtet jedoch von einzelnen Studienbewerbern, die wegen des rechtsextremen Hausprojektes auf ein Studium in Halle an der Saale verzichtet hätten. Dem wolle die Universität entgegenwirken.
    Im Juni berichteten Studierende, sie seien von Mitgliedern der Identitären Bewegung bedroht worden und Mitte November musste sich ein rechter Aktivist wegen eines Angriffs auf einen Studenten in einer Straßenbahn vor Gericht verantworten, das Verfahren wurde gegen die Zahlung einer Geldstrafe eingestellt. Vorschlägen, nun einen Sicherheitsdienst auf dem Campus einzusetzen erteilt Kanzler Markus Leber eine Absage.
    "Wir haben keine Campus-Polizei und haben auch nicht vor eine Campus-Polizei einzuführen."
    Und man lasse sich das offene Leben auf dem Campus durch rechte Aktivisten der Identitären Bewegung auch nicht nehmen, ergänzt Jurist Markus Leber noch.
    Studierende der Universität wollen dafür ein Zeichen setzen. Es gebe Überlegungen, erzählt Lehramtsstudent Louis Wolfradt, die zur Uni gehörende Hauswand direkt gegenüber dem rechten Hausprojekt, mit eigenen Plakaten zu gestalten.
    "Wo wir uns für Menschenrechte, für das Recht auf Asyl einsetzen. Gibt schon einige Diskussionen."