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Umstrittenes Experiment gegen den Klimawandel

Eine Idee im Kampf gegen den Klimawandel lautet: Das Meer könnte mehr Kohlendioxid aufnehmen, wenn es mit Eisen gedüngt wird. Im vergangenen Jahr haben Forscher hierzu einen heftig umstrittenen Versuch gestartet - mit enttäuschenden Ergebnissen.

Von Dieter Nürnberger | 17.06.2010
    Das Wort Loha kommt aus der Hindi-Sprache – die Übersetzung lautet Eisen. Deshalb wurde das deutsch-indische Forschungsprojekt, welches zu Beginn des Jahres 2009 auf der Südhalbkugel durchgeführt wurde, Lohafex-Experiment genannt. Physiker, Chemiker und Biologen waren auf dem deutschen Forschungsschiff Polarstern drei Monate unterwegs. Es ging um Grundlagenforschung - komplizierte biogeochemische Zusammenhänge im Atlantischen Ozean sollten untersucht werden. Zugleich war dieses Experiment aber auch von klimapolitischer Bedeutung. Wissenschaftliches Ziel war es, die Auswirkungen von Eisendüngung auf die Ökologie und die Kohlenstoffaufnahme des Meeres zu untersuchen. Die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Karin Lochte, konkretisiert das Experiment:

    "Eisen ist nämlich Mangelware in weiten Bereichen des südlichen Ozeans. Man kann durch diese Eisen-Zugabe das Wachstum kleiner mikroskopischer Algen anregen. Die Frage, die sich damit verbindet: Können diese Algen das CO2 aus der Atmosphäre binden? Das betrifft die sogenannte Primärproduktion, hier bildet sich dann Biomasse, also neue Algenzellen. Und können diese dann, wenn sie sterben und absinken, den Kohlenstoff mit in die Tiefsee nehmen. Konkret: Können die Algen ein möglicher Transporteur für C02 aus der Atmosphäre in den tiefen Ozean sein?"

    Gedüngt wurde auf einer Wasserfläche von 300 Quadratkilometern. Zehn Tonnen gelöstes Eisensulfat wurde dafür ins Meer geleitet. Es war nicht der erste Versuch dieser Art, doch diesmal war das Experiment von Protesten von Umweltschützern begleitet. Die Wissenschaftler wiesen die Kritik zurück, sicherlich sei die vorübergehend gedüngte Fläche groß, doch eben auch klein, wenn die generelle Größe der Weltmeere als Relation zugrunde gelegt werde. Victor Smetacek gehörte zum wissenschaftlichen Forschungsteam auf der Polarstern:

    "Wir haben ja in einem Gebiet gearbeitet, wo keine Kieselsäure vorhanden war. Dadurch konnten auch keine Kieselalgen wachsen. Kieselalgen sind die Algen, die bei allen bisherigen Versuchen angesprungen sind, geblüht haben. Wir wollen jetzt sehen, ob auch andere Algen anspringen, es gibt ja sehr viele unterschiedliche Algenarten im Meer. Die sind auch angesprungen, sie sind auch gewachsen, aber sie haben nicht die Biomasse aufgebaut, die die Kieselalgen normalerweise aufbauen."

    Das vorläufige Fazit des Experiments lässt sich daher wie folgt zusammenfassen: Eine Eisendüngung unter den gegebenen Umständen führe nicht zu einer erhöhten Einlagerung von Kohlenstoff im Ozean. Die Hoffnungen auf eine einfache CO2-Entsorgung wurden somit nicht erfüllt. Zumindest nicht in dieser Region der Ozeane. Das mag anderswo im Meer ganz anders sein – deshalb stehe man auch erst am Anfang der Forschung, sagt Karin Lochte:

    "Beim augenblicklichen Stand des Wissens wäre es sehr gefährlich, in diese Richtung einfach blind zu marschieren. Aber, wenn man dies wirklich ausreizen kann, ist es natürlich eine Möglichkeit. Bloß: Um wirklich viel CO2 binden zu können, müssen es Düngungen in einer riesigen Größenordnung sein, die dann auch negative Auswirkungen haben können. Das muss man abwägen - ist es dies wert, in Bezug auf CO2-Reduktionen in der Atmosphäre? Wir werden dies wirklich nur dann angehen, wenn die Lage sehr schwierig ist."

    Somit teilen auch die Wissenschaftler die Grundüberzeugung, dass die beste Klimapolitik die Vermeidung von Klimagasen sein sollte. Doch will man eben dennoch die Zusammenhänge im Ozean kennen, um mögliche Aktionsprogramme auszuloten. Zu klären gibt es noch vieles: Was würde denn passieren, wenn große Teile des Meeres konstant gedüngt werden würden? Karin Lochte, die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts hat hierbei einige ungeklärte Fragen oder auch Befürchtungen:

    "Dass sich zum Beispiel der Sauerstoffgehalt im tieferen Teil des Ozeans verändert. Dadurch verändern sich die Lebensbedingungen für viele Organismen, aber auch die ganzen Nährstoffkreisläufe. Ein anderer Aspekt könnte sein, dass dadurch auch klimarelevante Gase aus dem Ozean freigesetzt werden – obwohl man ja eigentlich Klimagase binden wollte. Das wären beispielsweise Lachgas oder Methan, die auch eine höhere Klimaaktivität haben."

    Durch die Ergebnisse des Experiments sind nun erst einmal viele Sorgen und auch Hoffnungen relativiert worden. Doch steht eines fest: Die Lösung für die Treibhausgas-Problematik ist vorerst nicht im Meer zu suchen.