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Umwelt-Sprit auf der Flucht

Technik. - Europas Autobauer sollen sparsamere PKW bauen, fordert die EU-Kommission. Zur Kohlendioxidreduktion soll auch die Beimischung von Biosprit beitragen, doch der aggressivere Treibstoff beginnt den Autoherstellern technische Sorgen zu bereiten.

Von Ralf Krauter | 13.02.2007
    Das Transport and Air Quality Unit am EU Joint Research Center Ispra im italienischen Ispra ist ein riesiges umzäuntes Areal in Sichtweite des Lago Maggiore. Alois Krasenbrink ist Experte für Autoabgase und arbeitet im topmodernen Labor für Kraftfahrzeug-Emissionen.

    "So, wir befinden uns jetzt hier im Kontrollraum einer Testzelle, die VTShed abgekürzt wird. Das ist eine Testzelle, ein völlig abgeschlossenes Kompartiment. Innen drinnen besteht sie aus Edelstahl."

    Die Testzelle hat das Format einer Garage. Hinter der Glasscheibe ist ein blauer Peugeot 206 zu erkennen. Sein Motor ist aus. Denn anders als auf den klimatisierten Rollprüfständen nebenan untersuchen die Forscher in dieser Kammer die giftigen Ausdünstungen geparkter PKW. Alois Krasenbrink deutet auf einen Monitor mit einer schwarzen Messkurve. Sie zeigt den Temperaturverlauf in der beheizbaren Prüfkammer.

    "Der Test dauert insgesamt 24 Stunden. Da wird das Fahrzeug von etwa 20 Grad hier auf 34 Grad aufgewärmt. Sie sehen hier: Nach zwölf Stunden haben sie hier das Maximum der Temperatur erreicht. Und während dieser Zeit emittiert das Fahrzeug gasförmige Bestandteile, also Kohlenwasserstoffe. Und wir messen eben diese Kohlenwasserstoffemissionen eines geparkten Fahrzeuges."

    Kohlenwasserstoffemissionen, das sind jene krebserregenden Benzindämpfe, deren Geruch man von Zapfsäulen ohne Absaugrüssel kennt.

    "Es gibt Grenzwerte, die festgelegt werden auf zwei Gramm pro Test. Also während dieser 24 Stunden unter diesem Temperaturprofil darf das Auto insgesamt nicht mehr als zwei Gramm Kohlenwasserstoff emittieren. Wir haben jetzt diese Arbeiten hier durchgeführt im Rahmen eines langjährigen Programms betreffs der Emission flüchtiger Bestandteile von Treibstoffen, die mit Bioethanol verschnitten werden."

    Gewöhnlichem Benzin können problemlos fünf bis zehn Prozent Bioethanol oder Rapsöl beigemischt werden - Alkohol vom Acker, klimaneutral gewonnen aus nachwachsender Biomasse wie Weizen oder Zuckerrüben. Normale Ottomotoren machen das klaglos mit. Aber – so das Ergebnis der Tests in Ispra – beileibe nicht jeder Benzintank. Alois Krasenbrink.

    "Es ist so, dass einige Fahrzeuge offensichtlich heute schon in der Lage sind, die Emissionsgrenzwerte mit diesen fünf- oder zehnprozentigen Beimengungen einzuhalten. Sie sehen einfach keinen Unterschied zwischen dem normalen Standardtreibstoff und diesem Ethanolgemisch. Es gibt andere Fahrzeuge, bei denen bekommen sie eine Verdopplung der Emissionen. Was einfach nur bedeutet: Von diesen Fahrzeugen, die heute auf der Straße fahren, können sie nicht erwarten, dass sie die Grenzwerte noch einhalten, wenn sie eben mit diesen Bioethanol-Gemischen fahren."

    Durch die Zugabe von Bioethanol steigt der Anteil leicht-flüchtiger Komponenten im Sprit. Der Treibstoff verdampft leichter und bahnt sich an undichten Stellen an Tank oder Benzinleitungen seinen Weg ins Freie. Wirklich kritisch wird es aber erst bei Treibstoffverschnitten mit zehnprozentigem Bioethanol-Gehalt. Laut EU-Norm sind derzeit deshalb nur maximal fünfprozentige Benzin-Bioethanol-Verschnitte erlaubt. In Deutschland liegen die Alkohol-Beimischungen derzeit noch weit darunter, sollen in den nächsten Jahren aber zunehmen. Sollte die fünf Prozent-Obergrenze zwecks Klimaschutz künftig erneut auf den Prüfstand kommen, müssten die Automobilhersteller ihre Tanksysteme fit für das Bio-Benzin machen. Die technischen Lösungen dafür gibt es längst. Aber sie kosten Geld, das sich mancher Produzent bislang lieber spart. Bessere Aktivkohlefilter zum Auffangen der Bezindämpfe zählen ebenso dazu wie jene speziellen Tanks, die Kalifornien bereits vorschreibt.

    "Die Automobilhersteller haben doppelwandige Tanks, die aus Kunststoff hergestellt werden, mit denen sie einfach diese Probleme nicht mehr bekommen. Die sind nur wesentlich teurer. Und man wird natürlich versuchen erst einmal solange mit dem gegenwärtigen Zustand zu leben, wie’s eben geht. Also neue Technologien braucht man hier nicht. Es existiert bereits, es muss nur angewandt werden."