Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Umweltschutz global gedacht

Im Jahr 1992 war die Weltökobilanz miserabel, und es war klar, dass nur ein grundlegender Wandel hin zu einer ressourcen- und umweltschonenden Weltwirtschaft die Katstrophe aufhalten könne. Am 3. Juni 1992 trafen sich deshalb sämtliche Staats- und Regierungschefs in Rio de Janeiro zum "Gipfel über Umwelt und Entwicklung".

Von Monika Köpcke | 03.06.2012
    "Es ist einfach schrecklich, sich immer mal wieder klar zu machen, dass jede Sekunde 3000 Quadratmeter Wald zerstört werden und jede Sekunde die Wüsten um meinetwegen 1000 Quadratmeter wachsen, jede Sekunde produzieren wir ungefähr 1000 Tonnen Treibhausgase ."

    "We just have to change. This is the time."

    Rio de Janeiro - Stadt des Karnevals und der Kriminalität: An diesem Ort sollte die Umkehr hin zu einer gerechteren und saubereren Welt gelingen. Für zwölf Tage, vom 3. bis zum 14. Juni 1992, hatten die Vereinten Nationen die Welt zum "Gipfel über Umwelt und Entwicklung” geladen. 15.000 Diplomaten aus 178 Staaten, 115 Staats- und Regierungschefs und die Abgesandten von 1400 Aktionsgruppen und Forschungseinrichtungen waren sich einig, dass es kein "weiter so” mehr geben dürfe.

    "Unser heutiger Industrieländer-Wohlstand besteht unter anderem darin, dass wir pro Kopf rund zehn Mal so viel Energie, Wasser, Boden, Hölzer usw. verbrauchen als die Menschen in den Entwicklungsländern."

    Auch Ernst-Ulrich von Weizsäcker war als Direktor des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie beim sogenannten Erdgipfel in Rio dabei.

    "Und jetzt stelle man sich einmal vor, wir würden diese Sorte von Verbrauch auf fünf Milliarden oder acht Milliarden Menschen ausdehnen. Dann hätte man mühelos eine Verfünffachung des Weltenergieverbrauchs. Und dann kann man sich mit Erstklässler-Mathematik ausrechnen, dass das zum totalen ökologischen Kollaps führt."

    Die Tagesordnung von Rio las sich wie ein kollektives Besserungsgelöbnis: Die armen Länder sollten sich entwickeln können, ohne dabei die Umweltzerstörung zu wiederholen, auf der der Reichtum der Industrieländer gründet. Man wollte Pflanzen und Tiere vor dem Aussterben bewahren, die Waldzerstörung stoppen und der Erderwärmung vorbeugen. Alle sollten sauberes Wasser haben und die Meere nicht überfischt werden. Man beschwor die globale Umweltpartnerschaft zwischen Nord und Süd, zwischen der heutigen und den zukünftigen Generationen. "Nachhaltigkeit” wurde zum Schlüsselwort von Rio. Die "Zeit” bemerkte skeptisch.

    "Die Tagesordnung gleicht dem Wunschprogramm einer heilen - und damit irrealen - Welt."

    Und tatsächlich: Während im großen Konferenzsaal, eingerahmt von zwei Gebinden grüner Palmwedel, ein Redner nach dem anderen schöne Worte zu Umwelt und Entwicklung vom Blatt liest, wird in zahllosen Arbeitsgruppen erbittert gefeilscht. Vor allem der Konflikt zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden zieht sich wie ein roter Faden durch die Delegationscontainer. Martin Cohr vom Dritte-Welt-Netzwerk in Malaysia:

    "Eigentlich finden zwei Konferenzen gleichzeitig statt, mit zwei analytischen Bezugssystemen. Der Norden veranstaltet eine Umweltkonferenz und sorgt sich über Ozon, Klima, Arten, Wälder und so weiter. Der Süden spricht über Entwicklung und Wirtschaft, über Armut, Weltmarktpreise, Verschuldung und gerechte Entwicklung."

    Während sich die Industriestaaten angesichts der Wirtschaftsflaute nicht auf große finanzielle Zugeständnisse einlassen wollen, pochen die armen Länder auf ihr Recht auf Entwicklung und verlangen, dass der Norden als Hauptverursacher der Umweltschäden auch für deren Beseitigung aufkommt. So streitet man um Geld und Souveränitätsrechte, um Absatzmärkte und Emissionsmengen.

    Zwei zahnlose Konventionen zum Klima- und zum Artenschutz ohne feste Zeit- und Zielvorgaben blieben das magere Ergebnis des Erdgipfels. Außerdem schuf man mit der "Agenda 21” einen Aktionsplan, mit dem bis heute Umweltinitiativen auf nationaler und lokaler Ebene umgesetzt werden.

    Aber, und das ist auf jeden Fall ein Erfolg von Rio, hinter den neuen Ansatz, Umweltschutz global zu denken und mit einer natur- und ressourcenschonenden Entwicklungspolitik zu verknüpfen, ging man bei allen Folgeabkommen nicht mehr zurück.

    20 Jahre nach dem Erdgipfel laden die Vereinten Nationen die Welt wieder nach Rio. Vom 20. bis zum 22. Juni wird hier die "Konferenz für nachhaltige Entwicklung” stattfinden. Und wer weiß, vielleicht wird dort wieder ein Stück mehr Wirklichkeit, was diese UN-Mitarbeiterin vor 20 Jahren in den Konferenzsaal rief:

    "We just have to change. This is the time."