Freitag, 29. März 2024

Archiv

UN-Erklärung der Kleinbauernrechte
"Es geht um das Recht auf Wasser"

Gertrud Falk von der Menschenrechtsorganisation FIAN hat die Haltung der EU zur Erklärung der Rechte von Kleinbauern kritisiert. Sie sperre sich gegen ein umfassendes Recht auf Wasser und wolle lediglich den Zugang festschreiben. Doch das sei nicht ausreichend.

Gertrud Falk im Gespräch mit Jule Reimer | 13.04.2018
    Weidende Kühe an einem Bachlauf
    Wasserressourcen wie Quellen, aber auch Seen und Bachläufe dürften nicht privatisiert werden, sagte Gertrud Falk von der Menschenrechtsorganisation FIAN im Dlf (dpa / Tass Smirnov Vladimir)
    Jule Reimer: In Genf geht heute eine Verhandlungsrunde des UN-Menschenrechtsrats zur Erklärung der Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen zu Ende. Es geht um Menschenrechte speziell ländlicher Bevölkerungsgruppen. Viele der zwei Milliarden Kleinbauern und Kleinbäuerinnen sowie andere Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten, sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen in zunehmendem Maße Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.
    Am Telefon in Genf ist Gertrud Falk von der Menschenrechtsorganisation FIAN. Sie beobachten die Verhandlungen, Frau Falk. Es geht auch hier um Wasser, nämlich um den Zugang zu Wasser für Kleinbauern. Was bedeutet das genau in diesen Verhandlungen?
    Gertrud Falk: Guten Tag, Frau Reimer. Es geht hier genauer gesagt nicht um den Zugang zu Wasser, sondern um das Recht auf Wasser, was viel umfassender ist als nur allein bei dem Zugang. Es geht dabei darum, dass Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und Kleinfischer und Kleinfischerinnen vor allen Dingen natürlich auch ihre Wasserressourcen pflegen dürfen, ihre gemeinschaftlichen Nutzungsweisen daran weiter kultivieren dürfen und ausüben können, und dass Wasserressourcen wie Quellen, aber auch die Seen und Bachläufe nicht privatisiert werden, wie das leider zunehmend der Fall ist, dass große Konzerne versuchen, diese Ressourcen zu privatisieren und dann für ihren alleinigen Profit zu nutzen.
    Das heißt, Bauern sollen Wasser natürlich für ihren eigenen Bedarf haben: als Trinkwasser, aber auch, um ihre landwirtschaftlichen Flächen bewässern zu können, um gemeinsame Fischzucht-Kleinfischerei zu betreiben, wie sie das über Jahrhunderte hinweg ja getan haben, und sie wollen sich dieses Recht, das Wasser gemeinsam zu kultivieren, nicht streitig machen lassen.
    "Der alleinige Zugang zu Wasser ist nicht ausreichend"
    Reimer: In dieser Erklärung wird auch um die Frage gestritten, Zugang zu Trinkwasser, Recht auf Trinkwasser, Recht auf Bewässerung. Wie ist der Stand der Dinge?
    Falk: Ja. Der Text der Erklärung sieht vor, dass der Artikel überschrieben ist mit der Zeile "Das Recht auf Wasser". Das wird aber bestritten hier, unter anderem von der EU, die gerne den Titel geändert haben möchte in "Zugang zu Wasser", diesen rechtlichen Aspekt rausgenommen haben möchte. Aber wie bereits angesprochen: Der alleinige Zugang zu Wasser ist für die Kleinbauern und für die Kleinfischer nicht ausreichend, sondern sie brauchen die umfassenden Rechte, Wasser auch zu nutzen, zu pflegen, zu kultivieren und gemeinschaftlich auch instand zu halten, auch für die Erhaltung der Ökosysteme zu sorgen, und die EU verweigert oder stellt sich quer, sage ich mal, diesen Rechten gegenüber, obwohl sie auch bereits im internationalen Recht verfasst sind.
    "EU will Rechtsansprüche beschränken"
    Reimer: Können Sie sich erklären warum?
    Falk: Wir können jetzt nur spekulieren, weil sie das nicht inhaltlich hier in dieser Verhandlungsrunde begründet hat. Deutlich ist einfach, dass sie die Rechtsansprüche von Kleinbauern und ihren Gemeinschaften beschränken will, möglicherweise, weil dem Interessen großer Konzerne entgegenstehen, möglicherweise, weil vielleicht auch Freihandelsabkommen dem entgegenstehen, die auf Privatisierung auch öffentlicher Güter drängen. Aber wie gesagt, sie hat das hier nicht begründet und auch auf Nachfragen hin nicht beantwortet, sodass wir das im Raum stehen lassen müssen.
    Reimer: Ist denn die Rolle der Bundesregierung da klar? Sagt die mehr Ihnen gegenüber?
    Falk: Die Bundesregierung hat hier selber nicht mitverhandelt oder nicht mitgesprochen, sondern hat sich durch die EU vertreten lassen, denn die EU versucht ja, für alle Mitglieder hier zu sprechen. Wir wissen aber aus Gesprächen mit Vertretern des Auswärtigen Amtes, dass sie dieser Erklärung auch sehr skeptisch gegenüberstehen und auch Konflikte sehen mit anderen internationalen Verträgen, die zum Beispiel auch Recht auf geistiges Eigentum und Rechte auf andere öffentliche Güter berühren und die auch verhandelt werden.
    "Die Rechte werden nicht einklagbar sein"
    Reimer: Eine Erklärung abzugeben ist das eine, die Durchsetzbarkeit ist was anderes. Was hilft diese Erklärung den Kleinbauern?
    Falk: Diese Erklärung fasst bestehendes Völkerrecht, was Kleinbauern betrifft, zusammen und interpretiert es für ihre Bedürfnisse. Das heißt, es stärkt sehr stark das Rechtsbewusstsein, das Menschenrechtsbewusstsein dieser Gruppe, sodass sie wissen, sie können politisch diese Rechte einfordern. Die Rechte werden nicht einklagbar sein, aber die Staaten, die hinterher der Erklärung zustimmen, verpflichten sich damit politisch, diese Rechte auch umzusetzen.
    Reimer: Das heißt, das macht das Einfordern dann möglicherweise auch leichter.
    Falk: Auf jeden Fall.
    Reimer: Vielen Dank an Gertrud Falk von den UN-Verhandlungen über Kleinbauern in Genf.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.