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Ungeliebte Aufgaben

Anfangs sind alle noch voller Begeisterung - Hausaufgaben werden gemacht, auch wenn man mal keine Lust hat. Hefte werden liebevoll geführt und verziert. Doch in den Schuljahren danach nimmt die Arbeit am Nachmittag zu und das Engagement ab.

Von Katrin Sanders | 18.11.2006
    Zehntklässler investieren am Ende nur noch 25 Minuten in die Hausaufgaben, die zum täglichen Reizthema werden, sagt Hans Peters, Schulleiter am Kopernikus Gymnasium in Duisburg:

    "Irgendeiner hat sie vergessen, irgendeiner hat sie nur zur Hälfte gemacht oder hat sich keine Mühe gegeben. Da muss man ständig nachhaken denke ich, auch weil wir eine Halbtagsschule sind."
    ...und die Zeit am Vormittag zum Üben nicht reicht. Vor zwei Jahren machte das Gymnasium im Duisburger Norden die Hausaufgaben deshalb zum Projekt. Man wollte lernen, was da schief läuft und ob es Wege aus der Mittelstufenunlust gibt. Also wurde kurzerhand eine schuleigene Befragung durchgeführt und der Ist-Zustand erhoben. In der fünften und sechsten Klasse - kam dabei heraus - ist für die Schüler die Welt noch in Ordnung:

    "Weil man was dazu lernen will! Und wenn man das nicht hier in der Schule schafft, dann muss man das halt zu Hause machen.

    Und unsere Lehrer sagen immer: eine Stunde Hausaufgaben mindestens pro Tag. Dann weiß ich, was ich nicht kann und was ich kann.

    Ich bin zufrieden, es ist in Ordnung."
    Gute Arbeitseinstellung zeigte in der Hausaufgabenstudie auch die siebte Jahrgangsstufe:

    "Nach der Schule, erst mal was essen zu Hause, danach braucht man schon zwei Stunden ungefähr.

    Danach hat man ja immer noch viel Zeit zum Spielen.

    Ich komm nach Hause, dann schnappe ich mir meine Sachen, setze mich an den Tisch und nach den Hausaufgaben gibt es dann halt Mittagessen und danach einfach nur relaxen."
    Mit der Pubertät aber - spätestens ab Klasse acht - steigt der Bedarf an Relax- und Wohlfühlzeit. Hausaufgaben stören:

    "Nervig! Ja, dann hat man keine Freizeit so richtig, dann muss man immer Freizeit opfern.
    Ich verbring mindestens drei Viertel des Tages mit Schule insgesamt. Und abends hab ich dann meistens Handballtraining oder so, zum abreagieren, ist einfach zu viel.

    Wenn wir Referate und Arbeiten und Tests an einem Tag machen müssen, dass dann einfach keine Zeit mehr bleibt, das kann ja so normal nicht sein, dann hat man ja zu gar nichts anders mehr Zeit. "
    Playstation, Musikhören und Fernsehen geht vor - so die Schülerbefragung - die Hausaufgaben bleiben liegen. Zwei Stunden sind einfach zuviel, meinen die Schüler. Zweifel an dieser Rechnung hat die Deutsch- und Biologielehrerin:

    "Meine Erfahrung ist nicht, dass die so umfangreich Hausaufgaben machen. Also man muss schon sehr dahinter her sein, dass wirklich umfangreich und ausführlich geschrieben wird. Wenn man das so frei gibt und keinen Rahmen vorgibt, kann das auch in der 9. Klasse fünf Zeilen kriegt. Fertig. Meine Erfahrung ist, dass die Hausaufgaben oft recht - gerade in dem Alter auch - häufig lieblos und schnell abgehandelt werden. Einfach als Pflichterfüllung. Da muss man wirklich sehr genau drauf achten, dass da auch was bei rauskommt."
    Das bestätigt auch die Lehrerin für Kunst und Deutsch. Zuviel Aufgaben oder zuwenig Engagement? Die Hausaufgabenstudie brachte auf allen Seiten Bewegung ins eingespielte Lamento. Klar ist allen, dass es ohne Hausaufgaben nicht geht. Das Gelernte trainieren, auf die kommende Stunde vorbereiten - gute Hausaufgaben leisten das und sind zudem die einzige Gelegenheit zum selbstständigen Arbeiten. Der Mathematik- und Chemielehrer baut darum mit voller Absicht kleine Hürden in die Aufgaben ein:

    "Man weiß ja mittlerweile, dass selbstständig erworbene Kenntnisse deutlich fester halten, als das, was man mir erzählt und was ich dann nur nachmache. Das heißt also bei den Hausaufgaben an Barrieren kommen, diese Barrieren feststellen und über diese Barrieren irgendwann mal selber rüberkommen, das sind Zuwächse, die können wir oft im Unterricht gar nicht leisten."
    Um den Nutzen zu erhalten, korrigierte das Kollegium am Kopernikus Gymnasium in den letzten zwei Jahren selbstkritisch die eigene Praxis und fand gute Alternativen, sagt der Schulleiter:

    "Zum Beispiel langfristigere Hausaufgaben, also eine Hausaufgabe wo man sagt, ihr habt vierzehn Tage Zeit zu eruieren, Informationen zu sammeln, zu dem und dem Thema, das wir anschließend im Unterricht behandeln werden. Solche Hausaufgaben können viele Fächer stellen. Schwierig ist es in den Sprachen, in Englisch, Französisch, Latein müssen Vokabeln gelernt werden, muss die Grammatik gelernt werden. "
    Hier bringt neue Lernsoftware neue Motivation. Für den Schulleiter ist klar: Ab Klasse acht und neun müssen andere Formen gefunden werden und: Es geht.

    "Erdkunde, Politik und Geschichte, da wird vielmehr projektorientiert gearbeitet, viel mehr über lange Fristen, Referatkultur. Ab der Klasse acht, da werden Kurzreferate ausgegeben. Ich mache das auch im Lateinischen so: Informationen sammeln, Informationen verdichten, das ist eine Form der Aufgabenstellung, die ist reizvoll, das machen die sehr gern, wenn ich denen sage, guckt mal, was findet ihr alles zu Herkules? Das sind die Schritte."
    ...die in Duisburg weiterhalfen. Kein Heilmittel gegen Pubertät wurde gefunden und auch Lernen müssen die Schüler immer noch selbst und zwar täglich und viel. Mit "anderen" Hausaufgaben jedoch, könnte es gelingen.

    "Zum Beispiel wie dick eine CD ist, oder so. Letztens hatten wir auf: 100 Seiten Telefonbuch, mussten wir ausmessen und dann gucken, wie dick eine Seite ist.

    Wir sind im Moment bei den Dezimalbrüchen in Mathe. Und dann müssen wir ausrechnen, wie dick eine Telefonseite ist, eine CD, ein menschliches Haar und Spinnweben und so was.

    Das ist ja vor allem hilfreich und manchmal macht das auch Spaß."