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Ungewöhnlicher Vorstoß in Wahlkampfzeiten

Zum Auftakt des Landtagswahlkampfes in Schleswig-Holstein stellen die staatlichen Hochschulen ihre Forderungen gegenüber der Landespolitik vor. Der vorgeschlagene Zukunftspakt ist auf zehn Jahre angelegt und soll über vereinzelte Spitzenforschung weit hinausgehen.

Von Dietrich Mohaupt | 02.04.2012
    Pünktlich zum Auftakt der heißen Phase im Landtagswahlkampf legen die Hochschulen ihre Forderungen auf den Tisch – ein Novum, üblicherweise präsentiert die Landesregierung ihre Pläne für die Zukunft der Hochschulen und die reagieren dann darauf. Diesmal also anders herum. Dem Vorsitzenden der Landesrektorenkonferenz, Kiels Uni-Präsident Prof. Gerhard Fouquet, reicht vereinzelte Spitzenforschung auf Exzellenz-Niveau nicht. Erste Liga in allen Bereichen ist der Anspruch – die Realität sieht anders aus.

    "Bei der Forschung sind wir mit zwei Hochschulen schon in der Bundesliga – bei der Lehre ist es so, dass wir eigentlich nicht aus der zweiten Liga absteigen dürfen. Die Fachhochschulen stehen wesentlich besser da als die Universitäten, aber die Universitäten befinden sich in der zweiten Bundesliga im letzten Tabellendrittel und da müssen wir erheblich aufpassen, dass wir da nicht abgehängt werden."

    Zehn Millionen Euro pro Jahr verlangen die Hochschulen für eine strukturelle Verbesserung der Studienbedingungen. Dazu gehören ein besseres Service- und Beratungsangebot und eine intensivere Betreuung der Studierenden. Denn – so Fouquet – Schleswig-Holstein habe eine im Bundesvergleich eher mäßige Absolventenquote.

    "Solche schlechten Absolventenquoten kommen teilweise deswegen zustande, weil wir ein zu großes Lehr-/Lernverhältnis haben, das heißt, es sitzen zu viele Studenten vor den Füßen eines Professors oder einer Professorin. Man braucht mehr Lehrende - das kostet mehr Geld."

    Genau wie die dringend notwendige Instandsetzung der teilweise maroden Gebäudesubstanz – 12,5 Millionen Euro jährlich stehen für Baumaßnahmen als Forderung in dem Papier der Hochschulen. Veraltete Heizungen, undichte Dächer, durch die es in Hörsäle regnet – die Vorsitzende der Landes-Asten-Konferenz, Yvonne Dabrowski, fordert außer Sanierung auch.

    "Neue Gebäude – die Fachhochschulen platzen aus allen Nähten, die Unis ebenfalls. Das kann so nicht weitergehen. Wenn man wirklich will, dass auch noch die Studienplätze weiter ausgebaut werden sollen, dann kann man nicht erwarten, mit einem Stand aus den 70er-Jahren neue Leute zu locken – das geht nicht."

    Und es gehe auch nicht, dass die schleswig-holsteinischen Hochschulen im Ausland kaum wahrgenommen würden. Eine Internationalisierung in allen Bereichen sei notwendig – Kostenpunkt: fünf Millionen Euro pro Jahr. Konkret gehe es um mehr internationale Partnerschaften in Forschung, Lehre und Verwaltung und ein generell mehrsprachiges Serviceangebot für die Studierenden – das beginne schon beim Internetauftritt.

    "Wenn man sich die Websites ankuckt, die sind alle nur deutschsprachig, die Serviceangebote – da muss man sich nicht wundern, wenn die internationalen Studierenden nur ein Semester oder zwei Semester hier in Schleswig-Holstein verbringen und dann wieder abwandern."

    Bei den wahlkämpfenden Parteien stoßen die Forderungen der Hochschulen prinzipiell auf Zustimmung. Es komme aber nicht infrage, die notwendigen Mittel einfach über neue Schulden im Landeshaushalt zu finanzieren, betont der Wissenschaftsminister und Spitzenkandidat der CDU für die Landtagswahl, Jost de Jager.

    "Niemand bestreitet, dass wir zusätzliche Anstrengungen unternehmen müssen, den Hochschulen mehr Geld auch für bauliche Dinge zum Beispiel zur Verfügung zu stellen. Und da geht es darum, die anderen Finanzressourcen die wir haben auch tatsächlich stärker mit einzubeziehen. Das sind einmal Mittel der Europäischen Union, das ist aber auch, dass wir in der Tat Hoffnung haben, dass durch die Lockerung des Kooperationsverbotes sehr schnell Mittel auch gerade im Baubereich nach Schleswig-Holstein fließen, die wir schon mal hatten."

    SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig hingegen will nicht nur auf EU- und Bundesmittel für den Hochschulausbau setzen. Trotz Schuldenbremse müsse dafür Geld aus dem eigenen Haushalt fließen – gleichzeitig müsse man so ehrlich sein, über zusätzliche Einnahmen nachzudenken, fordert er.

    "Die, die studieren konnten in diesem Land, die sind Elite und die haben auch eine Verpflichtung dazu beizutragen, über einen leicht angehobenen Spitzensteuersatz oder über eine Vermögensbesteuerung zu sagen: Wir können etwas davon zurückgeben. Eine Gesellschaft, die es lieber hinnimmt zu sagen ihr akademischer Nachwuchs leidet, als dass sie sich traut, eine Einnahmedebatte zu führen, die ist doch bigott."

    Sparzwang kontra Bildungsinvestitionen – auch für den Grünen Spitzenkandidaten Robert Habeck eine Gratwanderung im Wahlkampf. Seine Rechnung dürfte an den Hochschulen nicht eben auf Begeisterung stoßen.

    "Wir müssen die Schulden reduzieren, um Handlungsspielräume zu erlangen – dann müssen wir sie aber auch nutzen. Man wird so etwas definieren können wie: Die Gelder, die aus folgenden Bereichen frei werden, bleiben in der Hochschule, kommen extra an die Hochschule. Das wird nicht 35 Millionen Euro geben aber so was wie drei, vier, fünf Mio. – die kann es geben."

    Als einen Vorschlag, als Gesprächsangebot wollen die Hochschulen ihren Zukunftspakt verstanden wissen – sie wollen aber auch dafür kämpfen. Bis zum Wahltag am 6. Mai soll die Kampagne mit großflächigen Plakaten laufen – und am 26. April wollen die Studenten am "Landesweiten Aktionstag Bildung" auch noch einmal in Kiel auf die Straße gehen.