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"Unternehmenshygiene, das ist ein Stichwort"

Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke hat sich für eine Ablösung des Chefs der Hypo Real Estate (HRE), Georg Funke, ausgesprochen. Gleichwohl sei dies nicht Aufgabe der Politik. Hier seien vielmehr die Kontrollgremien des Unternehmens gefordert. "Das ist dann auch ein Teil der Hygiene, die die Finanzwirtschaft endlich starten muss", betonte Fricke.

Otto Fricke im Gespräch mit Silvia Engels | 06.10.2008
    Silvia Engels: Eben im Gespräch klang es schon an. Erstmals hat eine Bundesregierung eine Garantie für private Spareinlagen abgegeben. In den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel klang das gestern Nachmittag so:

    Angela Merkel: Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.

    Engels: Dieser kurze Satz beinhaltet nicht weniger als etwas, was bis jetzt in der Bundesrepublik nie gewählt wurde. Am Telefon ist Otto Fricke, Vorsitzender des Haushaltsausschusses. Er gehört der FDP an. Herr Fricke, diese Karte wurde bislang noch nie gezogen. Zeigt das, wie ernst die Lage ist?

    Otto Fricke: Es zeigt mit Sicherheit, wie ernst die Lage ist - vor allen Dingen bei unserer deutschen Mentalität, wie man so schön sagt, der Angst vor der Angst - und wie wichtig es der Bundesregierung erscheint, aber auch meiner Partei, den Sparerinnen und Sparern klar zu machen, dass hier Sicherheit herrscht und dass es keine Notwendigkeit gibt, jetzt morgens am Schalter ihrer Sparkasse, ihrer Bank zu stehen und zu sagen, gebt mir mein Geld raus.

    Engels: Bislang sind ja durch den Einlagensicherungsfonds der Banken die Privateinlagen bereits geschützt, allerdings nur bis zu einer Höhe von 20.000 Euro. Für alles weitere will nun im Fall der Fälle der Staat haften. Laut Angaben von Peer Steinbrück oder aus dem Finanzministerium weiß man natürlich nicht, was da als Gesamtsumme steht. Geschätzt sind es 570 Milliarden Euro. Kommt das Ihrer Meinung nach hin?

    Fricke: Es gibt ganz unterschiedliche Schätzungen und ich muss ganz ehrlich sagen, ich glaube, dass man überhaupt sich nicht auf Seiten der Bundesregierung konkret irgendwie gedacht hat, was man nun genau meint. Denn wie will ich differenzieren, was genau ist Sparergeld, was ist das, wo investiert wird, was ist das, wo spekuliert wird. Man kann diese Summe nennen. Nur mit Verlaub, sie ist haushaltsrechtlich und auch ansonsten in keiner Weise irgendwo verankert und die Bundesregierung kann hier auch keine tatsächlichen zusätzlichen Mittel geben.

    Engels: Das klingt danach, als ob der Staat so etwas überhaupt nicht garantieren kann.

    Fricke: Na ja, wollen wir es mal politisch einfach machen. Ein gewisser Herr Blüm hat mal gesagt, die Rente ist sicher, und damit hat die Bundesregierung damals und auch die nachfolgende gesagt, wir setzen uns dafür ein, dass jeder seine Rente bekommt, wo schon die Frage ist, was ist die richtige und die Höhe. So ähnlich klingt es für mich auch, dass jetzt die Spareinlagen sicher sind. Im Endeffekt ist es eine politische Absichtserklärung, die noch durch nichts im tatsächlichen untermauert ist. Es gibt keine Haushaltsstelle oder Ähnliches, wo das drinsteht, sondern eine Absichtserklärung, die, wie ich glaube, breit von allen politischen Parteien getragen wird, dass man dafür sorgen will und dafür sicher sein will, dass die Einlagen der privaten Sparer sicher sind, aber mehr eben ist es nicht.

    Engels: Pure Symbolpolitik?

    Fricke: Na ja. Erst einmal ist es das Symbol. Das ist immer bei politischen Absichtserklärungen so. Das muss man der Regierung an der Stelle zu Gute halten. Das zweite ist jetzt die Frage, wie will ich das absichern. Es gibt keinen Fonds oder Ähnliches, in dem das Geld steckt. Das ist dieselbe Problematik wie die Frage der Renten, die man in Zukunft zahlen muss. Das Geld ist noch nicht da. So wird es auch bei der Staatsgarantie für die Spareinlagen sein, über das hinaus, was die Einlagensicherungsfonds geben. Das Geld ist dann Geld, was notfalls am Kreditmarkt über Staatsanleihen besorgt werden müsste. Aber es findet sich wie gesagt nirgendwo in irgendeinem Haushalt wieder, dass es irgendwo eine Summe gibt wo steht, der Staat garantiert für so viel oder bürgt für so viel. Das gibt es nicht.

    Engels: Herr Fricke, dann denken wir einmal weiter. Nehmen wir an, es soll in irgendeiner Form in Gesetzesform gegossen werden. Dann muss der Bundestag zustimmen.

    Fricke: Dann müsste der Bundestag zustimmen. Dann ist das Haushaltsrecht direkt tangiert. Ich kann mir das gegenwärtig noch nicht ganz vorstellen, wie das sein soll, wobei ich zugeben muss, politische Fantasie ist da auch nicht begrenzt. Das wäre dann etwas, was im Rahmen der Haushaltsberatungen, die ja gegenwärtig laufen, für das Jahr 2009 eingestellt werden müsste. Ich glaube aber, dass es eher so sein wird, dass es bei der klaren Absichtserklärung bleiben wird, denn einen zusätzlichen Fonds zu schaffen, der dann zusätzliches Geld kosten würde, würde auch nicht Sinn machen. Es muss klar sein, dass der Staat, damit wir alle als Steuerzahler dafür sorgen wollen, dass diejenigen, die sparen und die damit ja auch unsere Wirtschaft im Laufe halten, denn das wird oft vergessen - das System unserer Wirtschaft heißt auch: die, die Geld übrig haben, stellen es über die Banken anderen zur Verfügung, die es zur Finanzierung von Investitionen brauchen -, dies auch weiter tun.

    Engels: Was machen Sie denn als Vorsitzender des Haushaltsausschusses, wenn Herr Steinbrück möglicherweise genau mit einem konkreten Anliegen in dieser Größenordnung, vielleicht auch mit einem konkreten Fonds auf Sie zukommt?

    Fricke: Wenn Herr Steinbrück damit auf mich zukommt, dann bin ich mir sicher wird der Haushaltsausschuss erstens einen Gesetzentwurf oder Ähnliches vorgelegt bekommen. Zweitens bin ich mir ziemlich sicher, dass bei einer solchen umfangreichen Garantie das nicht mal eben so im Haushaltsausschuss in nächtlicher Stunde beschlossen wird, sondern dann bin ich mir sicher dann gäbe es eine Anhörung oder Ähnliches. Hier kann man schon sicher sein, das ist nicht etwas, was übers Knie gebrochen wird. Wohlweislich will ich darauf hinweisen, was aber im Interesse aller sein wird zu sagen, wie können wir die Absicherung hinbekommen und jedem Bürger klar machen, es ist nicht notwendig für dich, zu deiner Bank zu rennen.

    Engels: Dann gehen wir mal von diesem spekulativen Bereich weg. Wenn Sie jetzt insgesamt diese Zusatzbelastungen sehen, ist denn da das Ziel des ausgeglichenen Haushalts auch jetzt schon bedroht?

    Fricke: Das Ziel ist bedroht. Man kann natürlich jetzt - und das wird die Regierung tun - sagen, wir haben ja erst mal nur eine Bürgschaft gegeben. Deswegen ist noch nicht direkt der Steuerzahler bedroht. Aber man muss einfach sehen: Wir bewegen uns im Moment in sehr unsicheren Zeiten. Es ist jetzt eigentlich die Notwendigkeit der Bundesregierung, an anderer Stelle zu sagen, Leute, seien wir ehrlich, es läuft schlechter, wir müssen uns an bestimmten Stellen einschränken, wir müssen mit bestimmten Ausgaben runter. Derartiges kann ich noch nicht erkennen, will gerne zugeben, dass die Hektik der letzten Tage da schon sehr extrem war. Aber bisher muss man ehrlicherweise sagen ist die Gefährdung, die wir haben, der berühmte Schritt von der Finanzwirtschaft, vom Finanzmarkt auf die Realwirtschaft, auf die Steuern, damit letztlich auf den Haushalt getan. Peer Steinbrück hat gesagt, wir stünden am Abgrund. Leider fällt mir manchmal da nur der Spruch ein, und heute sind wir einen Schritt weiter.

    Engels: Sehen Sie es so skeptisch? Jetzt sehen wir ja auf der anderen Seite auch einen gewissen Erfolg. Die privaten Banken waren bereit, Hypo Real Estate zu stützen. Bislang muss der 35 Milliarden Euro Bürgschaftsrahmen nicht ausgeweitet werden, zumindest was den staatlichen Teil angeht, was die privaten angeht natürlich schon. Da waren Sie ja in der vergangenen Woche eher skeptisch, schon überhaupt diese Staatsbürgschaft so mitzutragen. Würden Sie denn einer möglichen Ausweitung, falls sie doch noch nötig wird, zustimmen?

    Fricke: Was die Staatsbürgschaften angeht, muss man sich jetzt genau angucken, wofür. Wir haben jetzt ein über Nacht und Wochenend-Geschehen gehabt. Ich kann nachvollziehen in grober Weise, welcher nennen wir es mal bilanzrechtliche und sicherungsrechtliche Weg gewählt wurde, über die Europäische Zentralbank und die Bundesbank. Aber was nun eigentlich das Kernproblem bei der Hypo Real Estate ist, ob es weiterhin so ist, dass es nur eine Frage der Liquidität ist und ansonsten das Geschäft funktioniert, das kann ich überhaupt noch nicht nachvollziehen. Und ich bleibe auch - insofern unterstütze ich da auch Aussagen von Peer Steinbrück - skeptisch, wenn derjenige weiterhin im Vorstand bleibt, der vorher den Laden in diese Liquiditätsprobleme geführt hat. Wir Menschen sind einfach so, dass wenn wir vorher Fehler gemacht haben und wir sind nachher an der Stelle, wo wir sie korrigieren könnten, wir oft dazu tendieren zu sagen, ich habe ja eigentlich gar keinen Fehler gemacht.

    Engels: Das heißt, auch Sie fordern den Rücktritt des Vorstandschefs der Hypo Real Estate Funke?

    Fricke: Nein! Ich glaube, das ist nicht eine Aufgabe von Politik, Rücktritte von irgendwelchen Unternehmern zu fordern, sondern hier müssen sich Unternehmen, die Aktionäre, der Aufsichtsrat selber fragen, was ist für mein Unternehmen richtig. Ist es für mein Unternehmen richtig, dass jemand an der Spitze eines Unternehmens steht, selbst wenn er möglicherweise alles richtig gemacht hat, der das Unternehmen in die Position geführt hat, wo es jetzt ist, und ist der noch geeignet, um mit anderen zu verhandeln, insbesondere darüber zu verhandeln, welche Sicherheiten gegeben werden. Das muss sich ein Unternehmen selber fragen und das ist dann auch ein Teil der Hygiene, die die Finanzwirtschaft endlich starten muss.

    Engels: Unternehmenshygiene, das ist ein Stichwort. Da gab es ja am Wochenende den Vorschlag von SPD-Vizechefin Nahles, deutsche Bank-Manager sollten mit ihrem persönlichen Vermögen für Fehl-Management haften. Was sagen Sie?

    Fricke: Ja. Das ist dann so ähnlich wie der populäre Vorschlag, dass auch Politiker mit ihrem persönlichen Vermögen haften sollen.

    Engels: Das wäre doch was!

    Fricke: Das hört sich sehr populär an und man hat sofort auch viel Applaus von allen Seiten. Ich glaube, wir müssen bei der Frage der Haftung - insofern stimme ich Frau Nahles zu - dafür sorgen, dass nicht die Gier dafür sorgt, dass man sagt, Hauptsache ich kriege mein Geld möglichst schnell, egal was nachher passiert, sondern wir müssen dafür sorgen, dass die Systeme, auch was Anreize und Ähnliches angeht, so konstruiert sind, dass dauerhafter Erfolg belohnt wird. Dauerhafter Erfolg heißt für mich Arbeitsplätze, Standortsicherheit, Funktionieren des Unternehmens - übrigens dieselben Verpflichtungen, die dann auch Politiker gegenüber dem Staat und des Funktionierens ihrer Gesellschaft haben.

    Engels: Herr Fricke, noch mal einen Schritt zurück zu dieser Garantie für private Spareinlagen. Wir sehen, dass in Europa nun mehrere Regierungen diesem Weg folgen. Denken Sie, das wird demnächst der europäische Standard?

    Fricke: Ich vermute mal, dass es da weiterhin noch einen großen Wettbewerb gibt. Die Franzosen und Engländer haben ja sehr stark bei dem Gipfel in Paris darauf gedrängt, dass es europäische Lösungen gibt. Ich halte das für sehr gefährlich, denn man darf jetzt mal, wenn man den Grund der Hypo Real Estate nimmt, nämlich die Depfa in Dublin, darauf hinweisen, dass es Länder in Europa gab, die gesagt haben, wir gucken, dass wir einen preiswerten Bankenstandort machen, auch aus Steuergründen, und jetzt sagen, wir wollen aber mit der Rettung dieser Unternehmen nichts zu tun haben. Insofern muss jedes Land für sich an der Stelle gucken, wie es seinen Bankenmarkt hält. Eine Koordinierung danach auf Ebene des Bilanzrechtes, auf Ebene auch der Frage, was sind die jeweiligen Verdienst- und Anreizsysteme, aber auch auf der Ebene der Koordinierung, wie man gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank ein sicheres System schafft, wie Dinge zu bewerten sind, all das ist dann der zweite Schritt. Primär ist es aber trotz aller Europa-Befürwortung, die ich habe, immer noch erst einmal eine nationale Aufgabe, denn hier vor Ort in den jeweiligen Staaten entsteht das Problem, wenn die Bürger zur Bank gehen würden, - nochmals - was sie aber nicht machen müssen.

    Engels: Otto Fricke, der Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Er gehört der FDP an. Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch.