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Unterricht
Digitale Schulbücher in der Erprobungsphase

Als erstes Bundesland entwickelt und erprobt Nordrhein-Westfalen digitale Schulbücher. Angekündigt hat dies Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zu Beginn des Jahres in ihrer Regierungserklärung, mit der sie eine digitale Offensive starten will. Pilotprojekte gibt es bereits an 41 Gymnasien im Fach Geschichte - mit unterschiedlichen Erfahrungen.

Von Moritz Küpper | 07.04.2015
    Kinder arbeiten am 25.03.2014 auf der Bildungsmesse Didacta in Stuttgart (Baden-Württemberg) an dem Messestand des Madsack Mediastore an einem iPad. Die Bildungsmesse läuft vom 25. bis 29.03.2014.
    Kinder lösen eine Aufgabe auf einem iPad. (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Freitagmorgen, 8 Uhr, in einem Klassenraum im Montessori-Gymnasium in Köln-Bickendorf.

    "Guten Morgen Klasse 9c."

    "Guten Morgen, Frau Pananis."

    Die Begrüßung von Lehrerin Tanja Pananis vor der Doppelstunde Geschichte klingt zwar noch etwas müde, doch der Unterricht beginnt mit Bewegung. Nach ein, zwei allgemeinen Fragen zum Nationalsozialismus, müssen die Schüler aufstehen, die iPads werden verteilt.
    "Ihr arbeitet zu zweit mit einem iPad, kommt ihr die bitte abholen. Und für diejenigen, die ihre Zugangsdaten nicht wissen, die sollen sich bitte über meinen Account einloggen."
    Die Schüler der Klasse 9c am "Monte", wie das Gymnasium im Kölner Norden genannt wird, sind Teil eines Pilotprojektes. Sie sollen den Umgang mit dem multimedialen Schulgeschichtsbuch, genannt "mBook, erproben, um – Zitat – "bei der Entwicklung ihrer historischen Kompetenzen" unterstützt zu werden. Bei Frau Pananis klingt es direkter:
    "Sie sind motivierter, sie haben unterschiedliche Zugänge: Audio-Dateien, YouTube-Videos. Das ist Teil ihrer Freizeitkultur. Das holt man damit natürlich auch ein stückweit in den Unterricht rein, sodass ihnen sehr viel Spaß macht."
    Insgesamt fünf Lehrer kümmern sich an dem Gymnasium um den Feldversuch. Neben den mBook-Klassen, gibt es an der Schule auch noch zwei sogenannte iPad-Klassen: Diese arbeiten nicht nur in einem Fach mit digitalem Lehrmaterial, sondern komplett in allen Fächern auf dem iPad. Eine Klasse ist die 7a, bei der Annika Heidkamp Klassenlehrerin ist. Sie steht aber nun im Klassenzimmer der 9c, um Frau Pananis zu unterstützen.
    Immer wieder auch technische Hürden
    Mittlerweile sind die iPads verteilt, die Schüler gebeugt über den Tablets. Doch unabhängig vom Inhalt, birgt der neue Unterricht direkt zu Beginn eine Hürde. Heute steht eine Doppelstunde an, aber "für eine 45 Minuten Stunde, wenn die nicht vorher registriert sind, lohnt sich das mBook kaum."
    Ab und zu muss ein iPad ausgetauscht werden, aber für Heidkamp sind diese technischen Hürden lösbar:
    "Man kann das ganz gut in den Griff kriegen. Es gibt immer Technik-Freaks, die gibt es auch in jeder Klasse und die können dann schon weiterarbeiten und werden nicht behindert sozusagen und verlangsamt. Dann gibt es hier auch Dinge wo es hakt: Wir hatten auch mal kein Internet, dann muss man improvisieren, aber das kann man ganz gut als Lehrer grundsätzlich, glaub ich."
    Beim mBook spielt die Internetverbindung – anders als bei den sogenannten iPad-Klassen – nicht immer eine Rolle: Audios und Videos sowie Bildergalerien lassen sich im Vorfeld runterladen. Am "Monte" sind noch zwei Schüler in Form einer AG für die technische Betreuung zuständig, sorgen dafür, dass die Akkus aufgeladen sind oder die Aktualisierung des mBooks aufgespielt wurden. Denn, so Lehrerin Heidkamp:
    "Und da ist das mBook wirklich einzigartig, dass man sehr schnell Feedback geben kann, Rückmeldung geben kann und dass es sehr, sehr schnell geändert wird."
    Ein großer Vorteil gegenüber dem herkömmlichen Buch vom Verlag. Findet auch Tanja Pananis. Die Lehrerin ist eben von ihrem Rundgang aus dem Klassenraum zurück am Lehrertisch. Sie schätzt ebenfalls die Flexibilität, nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich:
    "Die Schüler nehmen jetzt gerade das Thema Holocaust durch, und weil es ein sehr emotionales Thema ist, bei dem mancher auch an seine Grenze gerät, mache ich das relativ frei über das mBook, sodass sie selber entscheiden können, welche Aufgabe sie bearbeiten und wann sie die Bremse ziehen."
    Im Klassenraum herrscht ein ständiges Gemurmel. In der ersten Reihe sitzen zwei Jungs, wischen abwechseln über das Tablet:
    "Also, interessante Bilder und manchmal auch solche Audios, die man dann anhören kann, Filme."
    Ablenkungspotenzial inbegriffen
    Er klingt ein wenig abgelenkt, was auch daran liegen kann, dass parallel ein Browserfenster mit den neusten Fußball-Nachrichten geöffnet ist. Denn neben dem großen Unterrichtspotential, gibt es digital, bei einer Internetverbindung, natürlich auch unbegrenzte Ablenkungsmöglichkeiten:
    "Die Tür ist nicht nur offen, die Schüler gehen auch sicherlich jede Stunde dadurch. Und irgendeiner wird spielen."
    Laut Heidkamp gibt es am Montessori-Gymnasium klare Regeln: Die Schüler dürfen nicht über das Tablet wischen, wenn der Lehrer kommt, auch werde der Verlauf gecheckt. Dennoch: Die Gefahr bleibt. Die Lehrerinnen Heidkamp und Pananis sind aber von dem mBook überzeugt – auch wenn sich Geschichtslehrerin Pananis nach nunmehr einen gutem halben Jahr manchmal das klassische Buch zurückwünscht. Denn bei allen Möglichkeiten, bliebe eines auf der Strecke:
    "Gerade dieses, die Informationen aufs Wesentliche reduzieren, den Text für sich reorganisieren. Das ist das, was eine wirkliche Verarbeitung ausmacht und das ist sehr schwierig damit."