Dienstag, 19. März 2024

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US-Strafzölle gegen China
"Alle werden von einem solchen Handelskonflikt betroffen sein"

Die USA kündigen Strafzölle gegen China an, das seiner seinerseits mit Konsequenzen droht – bei einem Handelskrieg würden beide Seiten verlieren und die Weltwirtschaft leiden, sagte der Politologe und Chinakenner Eberhard Sandschneider im Dlf. Es gelte die europäische Maxime: Nur wer rede, könne größere Konflikte vermeiden.

Eberhard Sandschneider im Gespräch mit Peter Sawicki | 24.03.2018
    Eberhard Sandschneider, Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
    China habe mächtige Hebel gegen die US-Strafzölle, sagt der Politologe Eberhard Sandschneider. Deren Einsatz könnte aber mehreren Seiten schaden. (picture alliance / dpa / Dirk Enters)
    Peter Sawicki: Die EU, Kanada, Mexiko, Brasilien, Argentinien, Australien und Südkorea, sie haben alle etwas gemeinsam: Sie sind von den Strafzöllen der US-Regierung auf Stahl und Aluminium zunächst einmal ausgenommen. Für China gilt das nicht, für sie treten die Zölle sofort in Kraft, und Peking will keinen Zweifel entstehen lassen, dass es zurückschlagen wird. Was kommt da auf die Weltwirtschaft zu und wer ist hier eigentlich der Böse? Am Telefon ist jetzt der Berliner Politologe und China-Fachmann Eberhard Sandschneider, schönen guten Morgen!
    Eberhard Sandschneider: Schönen guten Morgen!
    Sawicki: Ist China unfair?
    Sandschneider: Aus der Sicht vieler westlicher Unternehmen würde das sicherlich zutreffen. Die Vorwürfe, dass China beispielsweise Datenklau betreibt oder den Diebstahl geistigen Eigentums vorantreibt, darauf letztendlich auch Teile seines wirtschaftlichen Erfolges aufgebaut hat, das ist kein typisch amerikanischer Vorwurf, den hört man auch aus Europa.
    Sawicki: Trifft der zu aus Ihrer Sicht?
    Sandschneider: Der trifft für China genauso zu, wie er für andere Staaten zutrifft. Das passiert gelegentlich mal, in Anführungszeichen, in der internationalen Wirtschaftspolitik.
    Sawicki: Bei China ist ja der Vorwurf, dass das systematisch passiert.
    Sandschneider: Na ja, das ist wahrscheinlich im Endeffekt richtig und, noch einmal, Grundlage des chinesischen Erfolges. Das ist letztendlich auch die Ursache dafür, dass in den Vereinigten Staaten die gesamte China-Diskussion in den letzten Jahren deutlich, wie soll man sagen, aggressiver, feindseliger geworden ist. Die Stimmen derjenigen, die sagen, China muss für sein wirtschaftliches Verhalten, aber auch für sein sonstiges politisches und sicherheitspolitisches Verhalten letztendlich zur Verantwortung gezogen werden, diese Stimmen nehmen zu, und die befördern natürlich auch die Politik von Donald Trump.
    Nicht wer hat Recht, sondern wer setzt sich durch?
    Sawicki: Wer hat denn dann recht aus Ihrer Sicht am Ende?
    Sandschneider: Ach, wissen Sie, in der internationalen Politik ist es letztendlich keine Frage, wer recht hat. Den unabhängigen Schiedsrichter, der Recht und Unrecht bestimmt, gibt es nicht. Am Ende heißt die Frage, wer setzt sich machtpolitisch durch, und das ist eine offene Frage in diesem Fall.
    Sawicki: Wie bewerten Sie die Antwort Chinas bisher auf die angekündigten Zölle von Donald Trump?
    Sandschneider: Die war fast so zu erwarten. Die Chinesen sind zunächst einmal reichlich unaufgeregt mit diesem Schritt des amerikanischen Präsidenten umgegangen. Sie tun etwas nicht, was die Europäer getan haben, was auch Deutschland getan hat, sie schicken keine Betteldelegationen nach Washington mit dem Ziel, dann vielleicht doch eine Ausnahme von den Regeln zu erreichen. So hart, muss man sagen, in Anbetracht der Umsatzzahlen und des Anteils am Außenhandel trifft es China auch noch gar nicht. Das ist erst – insoweit muss man bei Donald Trump genau hinhören – ein erster symbolischer Schritt. Die Chinesen werden darauf reagieren, das zeigt ein Stückchen weit auch das Selbstbewusstsein des Landes, und die Gefahr besteht darin, dass natürlich ein Aufschaukelprozess entsteht, an dessen Ende plötzlich auch Teile der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Mitleidenschaft gezogen werden, auf die beide Seiten eigentlich deutlich größeren Wert legen müssten.
    Sawicki: Was würde den USA denn wehtun?
    Sandschneider: Weh tut alles, was die Wählerschaft von Donald Trump betrifft, also alles, was landwirtschaftliche Produkte beispielsweise angeht, alles, was die Bereiche angeht, in denen Menschen arbeiten, leben und ihr Geld verdienen in den Vereinigten Staaten, von denen wir wissen, dass sie Anhänger von Donald Trump sind. Und das, was sich da sehr vorsichtig angedeutet hat bislang, zielt genau auf diese Regionen zum Teil, auf diese Wählerschaft, und da wird man sehen, ob und wie Donald Trump darauf reagiert.
    Es gibt keinen längeren und kürzeren Hebel
    Sawicki: Aber das ist ja durchaus eine Sache, mit der Donald Trump rechnen muss, dass genau auf diese Produkte dann abgezielt wird. Ist der so naiv, dass der das dann darauf ankommen lässt oder nichts in der Hinterhand hat?
    Sandschneider: Das ist eine schwierige Frage, ob dieser Präsident naiv ist. Er ist an dieser Stelle zunächst einmal ein Stückchen weit ideologisch, aus seiner Sicht setzt er jetzt um, was er zum Teil im Wahlkampf versprochen hat, was Teile seiner Unterstützerschaft auch tatsächlich von ihm erwarten. Insofern zeigt er die Muskeln, die er glaubt, zeigen zu müssen, um seinen Leuten deutlich zu machen, dass er sein Wort hält. Dass das Konsequenzen hat, das sagen ihm Wirtschaftsexperten in den Vereinigten Staaten, aber auch weltweit. Der berühmteste und kürzeste Satz heißt, Handelskriege lassen sich nicht gewinnen, aber das ist für Donald Trump keine Größenordnung, auf die er eingeht. Er will zunächst einmal zeigen, dass er etwas tut, und diesen Aktivismus, den er an den Tag legt, um Amerika wieder groß zu machen, der folgt einer Strategie, wo viele Experten zumindest der Meinung sind, dass es der falsche Weg ist. Langfristig wird man sehen, wie sich das auswirkt, und da teile ich die Skepsis, die man an vielen Stellen hört. Das wird auch für Arbeiter, für Unternehmen, für die Menschen in den USA eine sehr teure Angelegenheit werden.
    Sawicki: Aktuell sind ja die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und China ja relativ eng, das ist ja ein ziemlich kompliziertes Geflecht. Da geht es ja um chinesische Produkte, die in die USA kommen, umgekehrt China, das US-Staatsanleihen gekauft hat, damit auch die Schulden sozusagen mitfinanziert hat. Wer sitzt da eigentlich am längeren Hebel?
    Sandschneider: Ich glaube, in dieser Frage gibt es wiederum keinen längeren und keinen kürzeren Hebel. China hat Hebel, und das sind durchaus mächtige Hebel – Sie haben die Staatsanleihen eben angesprochen. Wenn diese Hebel zum Einsatz kämen, wäre die Konsequenz für die Wirtschaft beider Länder verheerend und darüber hinaus für die Weltwirtschaft ebenfalls.
    "Beide sitzen in einem Boot"
    Sawicki: Das heißt, China könnte – ganz kurz, Herr Sandschneider, um das zu klären –, das heißt, China könnte durchaus auch darauf verzichten, US-Staatsanleihen weiter zu kaufen?
    Sandschneider: Das ist ja schon reduziert worden, vielleicht sogar als erstes kleines Signal. Die Höhe der Ankäufe ist deutlich zurückgegangen. Ja, China könnte das tun, aber sehen Sie, Sie fragen ja, wer sitzt am längeren Hebel. Wenn China mit seiner Investitionspolitik in dieser Frage aufhört, schadet es letztendlich in langfristiger Perspektive auch seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen. Beide sitzen in einem Boot gemeinsam und müssen sehen, dass sie das Boot nicht so weit zum Aufschaukeln bringen, dass es kippt.
    Sawicki: Das heißt, wenn diese zwei Schwergewichte da aufeinanderprallen, bleibt das ohne Folgen für die umstehenden Akteure?
    Sandschneider: Selbstverständlich nicht, alle werden betroffen sein von einem solchen Handelskonflikt. Das gilt zunächst einmal für die unmittelbaren Nachbarstaaten Chinas, das gilt aber letztendlich auch für uns. Wenn Sie genau hinschauen, auch unsere Unternehmen, auch unsere Politik schaut schon mit Argusaugen, und zu Recht, auf die Entwicklung dieses Konfliktes, weil jeder weiß, dass wir direkt oder indirekt unmittelbar betroffen sein werden.
    Sawicki: Das heißt, was für einen Ausweg sehen Sie da?
    Sandschneider: Tja, man müsste Donald Trump davon überzeugen, eine andere Politik zu betreiben – so viel Optimismus muss an einem frühen Samstagmorgen erlaubt sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist allerdings zugegebenermaßen relativ gering. Das ist einer der vielen Konflikte, die Donald Trump massiv vorantreibt, und die zeigen, wie sehr sich die amerikanische Politik verändert hat.
    Für Europa kann man nur den Schluss ziehen, auch für die deutsche Politik, für eine junge deutsche Bundesregierung, es ist höchste Zeit, die Augen aufzumachen und die Vereinigten Staaten in ihrer Politik so zu sehen, wie sie sind. Das ist für manch einen überzeugten Transatlantiker bedauerlich, aber das ist die Realität, und dieser Realität werden wir uns stellen müssen.
    "Man kann mit China reden, man muss mit China reden"
    Sawicki: Im Gespräch ist ja auch noch, dass sich die Europäer an der Seite der USA gegen China verbünden – halten Sie das für sinnvoll?
    Sandschneider: Das ist einer dieser Formulierungsfäden, denen ich nicht sonderlich viel abgewinnen kann. Es würde übrigens genauso für die umgekehrte Formulierung, die es auch gibt, gelten, dass die Europäer sich mit China gegen die USA verbünden sollen. Solche Bündnissysteme, in Anführungszeichen, führen üblicherweise zur Aufschaukelung und zu deutlich massiveren Entwicklungen von Konflikten. Es ist wichtig, dass man tatsächlich im Gespräch bleibt und versucht, in Konsultationen und in Kooperationen solche Probleme zu lösen. Das ursprünglich angesprochene Thema des Abflusses von geistigem Eigentum ist ein solches Thema, das kann man mit China offensiv, auch hart diskutieren und verhandeln, da reagiert China. Ob man das mit einem offenen Handelskonflikt gelöst bekommt, ist eine spannende und wahrscheinlich negativ zu beantwortende Frage.
    Sawicki: Das heißt, glauben Sie, dass Peking, was Gespräche angeht über Reformen, über Verhandlungen, Neuverhandlungen von Verträgen, sind die da offener als Washington?
    Sandschneider: Ob sie offener sind als Washington, ist schwierig zu behandeln. Im Augenblick sieht es fast so aus. Auf jeden Fall sind sie offen genug, um sich auf einen solchen Dialog einzulassen. Zum Teil fordert China ja mittlerweile selbst solche Dialoge ein und hat uns unseren eigenen Sprachgebrauch praktisch aus dem Mund genommen. Die Variante, zu sagen, die werden sowieso nicht mit uns reden, ist keine Variante, und Chinas Außenpolitik in der letzten Zeit, in den letzten Jahren hat gezeigt, dass man durchaus bereit ist, auch in sensitiven Fragen kooperativ zu verhandeln. Das reicht von Wirtschafts- und Handelsfragen bis hin zum Nordkorea-Konflikt, wo, obwohl das alles vertraulich ist, die Rolle Chinas ganz offensichtlich immer noch eine sehr positive ist, was bei der Deeskalation des Konfliktes zur Sprache kommt. Also man kann mit China reden, man muss mit China reden, und es gilt nach wie vor die tatsächlich wichtige europäische Maxime: Nur wer redet, kann wichtigere Konflikte vermeiden. Das tut der amerikanische Präsident im Augenblick nicht. Er glaubt, er könnte aus dem Oval Office mit präsidentiellen Verordnungen die Welt verändern, andere sind da vielleicht eher bereit, noch die alten Formen der Konsultation zu wahren.
    Sawicki: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der Politikwissenschaftler und China-Experte Eberhard Sandschneider. Vielen Dank, dass Sie Zeit hatten!
    Sandschneider: Bitte sehr!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.