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"Vermögenslose Hülle"

Das Gerangel um den Aufbau-Verlag hat ein Ende: Das einstige Aushängeschild der ehemaligen DDR gehört nicht der Treuhand, sondern dem Kulturbund. Jetzt geht es um Haftungsfragen und Vermögensübertragung - und um die Hoffnung, dass sich Aufbau endlich wieder voll seinem Programm widmen kann.

Von Jörg Plath | 28.03.2008
    Einmal war es schon fast geschehen um den Aufbau-Verlag. Vor Gericht beharkte er sich mit Rowohlt, weil beide Verlage die Rechte an den Werken des Nobelpreisträgers Carl von Ossietzky für sich beanspruchten. Das Landgericht Hamburg stellte 1994 am Ende des Verfahrens fest: Aufbau sei gar "nicht existent". Man mag sich nicht ausmalen, mit welch hängenden Köpfen die Vertreter der solchermaßen per Richterspruch deklassierten juristischen Person nach Hause schlichen. Immerhin ging das Verlagsleben weiter. Aber spätestens seit diesem Zeitpunkt wandelte man auf dünnem Eis.

    Zu Ostern wurde passenderweise alles anders. Der Bundesgerichtshof befand nicht anders als die Hamburger Richter, aber in letzter Instanz und grundsätzlich, die Treuhandanstalt habe Aufbau nicht besessen, also auch nicht 1991 verkaufen dürfen an vier Investoren, darunter Bernd Lunkewitz. Vielmehr besitze der Kulturbund Aufbau, mit dem Lunkewitz, um sicherzugehen, 1995 ebenfalls einen Kaufvertrag schloss, der nun endlich gilt. Damit geht nach 15 Jahren eine Gerichtsschlacht zu Ende, in deren Verwicklungen sich nur noch Lunkewitz und seine Juristen auskennen.

    Wer nun aufatmet, freut sich zu früh. Die nächste Runde steht bevor. Denn jetzt muss das Vermögen im uns bekannten Aufbau-Verlag (nennen wir ihn Treuhand-Aufbau), jenes Vermögen an Büchern und Buchrechten, das seit 1991 entstanden ist, übertragen werden an Lunkewitz persönlich als Eigentümer des eigentlichen Aufbau-Verlages (nennen wir ihn Kulturbund-Aufbau). Treuhand-Aufbau wird also entkleidet bis zu der "vermögenslosen Hülle", als die sie die Unabhängige Kommission der Treuhand intern schon 1994 bezeichnete.

    Doch so vermögenslos-hüllenhaft Treuhand-Aufbau alsbald auch dasteht, die Nachfolger der Treuhand werden für Millionen Euro haften müssen. Seit 1991 hat der Verlag 1500 Lizenzen an Fernsehsender, Hörfunkstationen und Buchverlage in aller Welt vergeben - ohne, wie jetzt klar ist, im Besitz der Rechte zu sein. Denn die lagen und liegen bei Kulturbund-Aufbau. Die Lizenznehmer werden ihr Geld von Treuhand-Aufbau zurückverlangen, weil sie an den Rechteinhaber Kulturbund-Aufbau erneut zahlen müssen. Möglicherweise wird zudem eine Strafe fällig, üblicherweise der doppelte Satz. Auch dieses Geld werden sie zurückverlangen von Treuhand-Aufbau, und dazu kommen Schadensersatzforderungen von Lunkewitz. Der Bundesfinanzminister als Dienstherr der Treuhand darf sich auf einiges gefasst machen und wird nicht nur in Einzelfällen die Gerichte bemühen - schon, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, Steuergelder zu verschleudern.

    Mit dem juristischen Kleinklein möge man uns verschonen. Wichtig sind zwei Dinge: Nach dem Ende beinahe aller DDR-Verlage macht der Aufbau-Verlag nicht nur weiter, er ist endlich gesichert. Hoffentlich investiert er jetzt endlich in das oft recht heterogene Programm. Und: Die Akten der Treuhandanstalt müssen von unabhängigen Experten untersucht werden, denn Aufbau wird wohl nicht der einzige Fall sein, in dem sie ihre Macht auf skandalöse Weise missbraucht hat. Einstweilen kann man die Behörde ja in Falschspielanstalt umbenennen.