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Volksrepublik Donezk
Unmut über Korruption und Armut

Die Versprechen nach einem Anschluss an Russland und vor allem nach einem besseren Leben erfüllen sich in der von der Ukraine abtrünnigen Volksrepublik Donezk nicht. Ein Kommandeur kritisiert offen die Korruption in der Führung und fürchtet nun um sein Leben. Es läuft immer mehr auf eine streng hierarchische Ordnung hinaus - die Angst der Bevölkerung verhindert dabei Unruhen.

Von Florian Kellermann | 03.03.2016
    Ein Kämpfer der prorussischen Separatisten geht in der Provinz Donezk über einen zerstörten Marktplatz.
    Ein Kämpfer der prorussischen Separatisten in der Provinz Donezk (picture alliance / dpa / Dan Levy)
    Aleksandr Chodakowskij genießt einiges Ansehen in der sogenannten Volksrepublik Donezk. Er ist der Kommandeur des Bataillons Wostok, auf deutsch "Osten". Mit ihm kämpfte er nicht nur gegen die ukrainische Armee, er versuchte auch immer wieder, für Ordnung zu sorgen. Er prangerte Korruption an und ging gegen marodierende Banden vor. Er sei eben ein gelernter Polizist, sagt Chodakowskij, der bis vor zwei Jahren Offizier einer Anti-Terroreinheit des ukrainischen Geheimdienstes war.
    Deshalb sorgte es für einiges Aufsehen, als Chadakowskij vor Kurzem in seinem Internetblog schrieb, er erwarte einen Anschlag auf sein Leben. Später erklärte er in einem Interview:
    "Ich habe keine konkrete Drohung bekommen, ich spreche von einer hypothetischen Möglichkeit. Das kann von allen möglichen Seiten kommen. Wir haben ja bis heute keine Antwort auf die Frage, wer die Kommandeure Pawel Drjomow und Aleksej Mosgowoj getötet hat. Auch die Ermittlungen dazu sind geheim."
    Kommandeur kritisiert immer wieder Korruption
    Chodakowskij spricht es nicht aus. Aber wer seinen Internetblog verfolgt, der ahnt, vor wem er Angst hat. Er kritisiert immer deutlicher Korruption im Lager des Oberhaupts der Donezker Volksrepublik Alexandr Sachartschenko. Sachartschenko wiederum versucht, den Einfluss von Chodakowskij in der Volksrepublik nach und nach zu beschneiden.
    Eine Szene vor vier Wochen in der Kleinstadt Jasinuwataja, einem Eisenbahnknotenpunkt. Pawel Gubarjew soll dort seine Stelle als neuer Bürgermeister antreten. Die Führung der Donezker Volksrepublik hat ihn dazu ernannt. Eine Gruppe von Menschen empfängt ihn empört.
    "Wir habe nicht am Referendum teilgenommen und die Unabhängigkeit unserer Volksrepublik nicht verteidigt, damit jetzt Anpasser und Karrieristen an die Macht kommen, wie Gubarjew. Für diese Position werden wir kämpfen."
    Sagte eine Frau, die ein Megafon in die Hand genommen hatte. Die Ernennung von Gubarjow zum Bürgermeister verschwand wenig später von der Internetseite der sogenannten Volksrepublik. Der mit Chodakowskij verbundene Amtsinhaber ist geblieben.
    Lange würden sich Chodakowskij und seine Vertrauten aber trotz dieser Unterstützung nicht mehr halten können, meint Roman Lazorenko, Redakteur des analytischen Donezker Internetportals "62.ua".
    "Ich denke, die Rolle der russischen Berater in Donezk wird immer dominanter. Sie fordern die völlige Unterordnung. Chodakowskij passt da nicht mehr so gut. Er ist stark genug, eventuell auch unabhängige Entscheidungen zu treffen. Er könnte auch diejenigen hinter sich vereinigen, die tatsächlich einmal an die Idee einer Volksrepublik, einer Art Volksdemokratie, geglaubt haben. Aber jetzt sollen sich alle hinter das Motto ein Programm, ein Führer, eine Partei scharen."
    Bevölkerung hat Angst vor den Machthabern
    Chodakowskij bestätigt diese Version in Teilen. Er spricht von einem Moskauer "Polittechnologen", der das politische System in der Volksrepublik Donezk aufgebaut habe - und der ihm nicht gewogen sei. Moskau wünsche keine aktive Gesellschaft, so Chodakowskij. Mit dem "Polittechnologen" ist sehr wahrscheinlich der Russe Alexander Borodai gemeint, der 2014 selbst Oberhaupt der Volksrepublik war.
    Für klare Hierarchien wolle Moskau jetzt sorgen, weil die Menschen in den Separatistengebieten immer unzufriedener würden, meint Lazorenko.
    "Es gab eine Phase, in der nicht wenige wirklich glaubten, dass die Volksrepublik ein blühender Staat wird oder sich an Russland anschließen kann. Beides ist nicht passiert. Die Menschen sehen vielmehr, dass die Lebensmittelpreise höher sind als in der von Kiew kontrollierten Ukraine und dass sie noch ärmer leben als die Menschen dort."
    Unruhen werde es in der Volksrepublik Donezk deshalb aber vorerst nicht geben, meint Lazorenko. Zu groß sei die Angst vor den Machthabern. Bergarbeiter aus Makejewka, die vor Kurzem wegen ausstehender Löhne protestieren, wurden laut ukrainischen Medien entlassen und zu 15 Tagen Zwangsarbeit verurteilt.