Samstag, 18. Mai 2024

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Vom Förster Rombach und der Biene Maja

Wer bis auf die Spitze der Kampenwand hoch kraxelt, kann sich am Gipfelkreuz "1669 Meter" in sein Wanderbuch eintragen und den Erfolg vielleicht mit dem Fotohandy festhalten. Als Belohnung für die Plackerei gibt es von oben einen grandiosen Blick auf den Chiemsee. Doch manche Wanderer sehen vor lauter Wald die Bäume nicht.

Von Franz Nussbaum | 01.07.2012
    Hier unten im Tal des Flüsschens Prien stehen wir mitten in einer gewaltigen Naturarena. Rundum bewaldete Höhen mit 1000 und mehr Metern. Anfangs stapfen wir durch eine sommerbunte Wiesenlandschaft, rot und gelb und blau. Drüben liegt Aschau mit den beiden Zwiebeltürmen der Kirche. Das Bühnenbild dieser Naturarena (um in der Theatersprache zu bleiben-) das ist die markante Kampenwand, 1669 Meter hoch. Ich habe hier ein Zitat aus einem kleinen Büchlein:

    "Über uns die Kampenwand mit ihrem breiten Sattel, Sattel erinnert an einen Pferdesattel. Und darüber der sogenannte Hahnenkamm. Die extreme Formation eines schroffen Gipfels. Dieser "Bergstock" ist zusammen mit dem Chiemsee das optische Markenzeichen des "Chiemgaus"

    Und über unserer Naturarena kreisen auch einige winzig kleine bunte Gleitschirmflieger. Sie sind oben vom Sattel der Kampenwand aus etwa 1500 Metern abgesprungen und suchen nun nach der Thermik. Eben haben wir in Aschau am Bahnhof abgelesen, da ist es 615 Meter hoch. Wir haben also eine Strecke von knapp 1100 Höhenmetern vor uns. Und wie ich Ihnen das so erzähle, kommen wir bei unserem Anstieg an einem früheren Bauernhaus mit Blumenbalkon vorbei. Und ein paar Meter seitlich ein Obstbaumgarten mit einem Holzschuppen. Und der Holzstadel ist an einige Bienenvölker vermietet. Die fleißigen Mieter zahlen laut Vertrag mit Naturalien. Heute ist bestes Flugwetter. Die Start und Landeplattform am Flugloch ist voll ausgebucht. Ich frag, können Honigbienen, die hier auch als Polizeitruppe den Landeplatz und das Flugloch bewachen, können die Sprache, also können die mich wahrnehmen, Gisela Obermaier?

    "Also die Bienen haben von menschlichem Hören nichts zu tun. Aber die riechen den Menschen. Wenn mein Mann im Bienenhaus ist, dann sind sie ganz brav. Die Bienen kennen meinen Mann. Wenn aber ein Fremder reinkommt ..., das ist der Geruch von den Bienen."

    Also die Biene Maja - sie riecht. Ich dachte immer, sie würde nur nach Farbe gehen?

    Obermaier:

    "Die Biene geht hauptsächlich nach dem Geruch. Sie gehen auch nach Farbe. Sagen wir mal so: ein Löwenzahn, der ist ganz gelb, ja."

    Ich kenne ja nur die Bienen, wenn ich nachmittags auf dem Balkon sitze, einen Pflaumenkuchen habe.

    "Und dann, wenn eine Biene irgendwas entdeckt hat, dann fliegt sie zurück und alarmiert die anderen alle. Und die kommen dann."

    Das ist ja auf ein paar Meter genau. Denn sonst würden die Bienen da so rumstochern und würden sagen, wo ist es denn genau?

    "... und wenn es oben auf der Kampenwand ist. Die fliegen bis zur Kampenwand rauf."

    Sie fliegen bis zur ..?

    "Das ist dann nur ganz schwierig, weil die Biene nur einen Flug machen kann. Da bringt sie vielleicht einen kleinen Millimeter Tropfen heim. Während, wenn um das Bienenhaus herum, da können die immer hin- und herfliegen."

    Der Gedanke, dass sie es überhaupt machen könnten, in der Theorie ....?

    "Und was dann so ist bei den Arbeitsbienen im Sommer ... die müssen ja ständig fliegen. Da wird eine Biene nicht älter wie zwei Wochen. Weil dann die Flügel abgefranst sind, die können nicht mehr fliegen dann. Und die Bienenkönigin, wenn die Haupthonigzeit ist, die legt am Tag bis zu 2000 Eier."

    Eine Bienenmonarchie mit einer Königin. Und da füttern die Bienen sogar noch ein paar faule Bienenmännchen bis zum Hochzeitsflug durch. Aber danach wird denen die Rente auf Lebenszeit gestrichen. Eine anschauliche Metapher. Bis zum Sattel der Kampenwand sind es von hier gute 800 Höhenmeter. Und wenn ich hier am Flugloch die etwa zwei Zentimeter große Biene Maja beobachte. Und nun bedenke, dass die diese ansteigende Strecke überwinden kann, dazu noch allerlei Seitenwinde austarieren muss. Unfassbar. Und dann muss die Maja ja wieder punktgenau 800 Meter runter, mithilfe ihres eingebauten Navi-Gerätes bis zu ihrem Bienenhaus.

    So ist ein Kampenwandaufstieg für mich, der ich nur den fertigen Honig beim Aldi kenne, ist das auch ein Weiterbildungsseminar in die Wunderwelt von Mutter Natur. Wir überqueren einen Bachlauf. Dann sehe ich hier ein Holzkreuz oder Marterl?

    Obermaier:

    "Das ist kein Marterl. Ein Marterl ist, wenn jemand umgekommen ist. Ein Bergunfall, ein Verkehrsunfall, ein Skiunfall. Dann wird ein Marterl gesetzt."

    Hier ist es ein Kreuz? Und zu dem Kreuz haben Sie eine Beziehung.

    "Ich hab das Kreuz mir zum 50. Geburtstag gewünscht. Freunde fragen immer, was wünschst du dir? Man hat ja alles, man braucht ja nichts mehr. Da sag ich, an diesem Platz, da am Bach, da gefällt mir ein Kreuz."

    Der Korpus, also der Christus wird hier irgendwo von einem ...

    "... das ist ein Aschauer Künstler, der hat den geschnitzt. Und die Inschrift hat mich so beeindruckt. Das habe ich ein Mal gelesen. Die Kreuze im Leben des Menschen sind wie die Kreuze in der Musik. Sie erhöhen. Stammt vom Beethoven."

    Wenn Dieter Bohlen der der Mozart etwas erhöhen will ...

    "... dann macht er ein Kreuz."

    Und was heißt das dann?

    "Dann müssen sie den Notenwert eine halbe Note erhöhen."

    Sie können mit Noten was anfangen. Ich weiß, Sie haben auch eine musikalische Ader.

    "Wir singen auch Südtiroler Lieder. Genau wie die Südtiroler bayrische Lieder singen. Das ist echte bayrische ... Salzburg, Südtirol, das gehört alles zusammen."

    Und so hören sich die Schwarzensteiner Sängerinnen an, wenn die Frau Obermaier nicht am Flugloch ihres Bienenhauses steht und die Biene Maja vom Rückflug von der Kampenwand mit Handschlag begrüßt.

    "Also, ich weiß, in diesem Jodler wird auch eine Hochalm besungen, wie wir sie uns oben dann am Sattel der Kampenwand erleben werden. Und nun geht es doch beim Aufstieg in die Knie. Wir sehen auch die Gondelbahn, die Besucher von der Talstation in 15 Minuten auf Kampenwand hoch liftet. Wir sind derweil in einen mächtigen Buchenwald eingetreten. Und unser Wanderführer Günter Mayer bleibt stehen und weist auf eine kleine blaue Blüte hin. Ich hätt's nicht gesehen."

    Mayer:

    "Das ist der Schwalbenwurz-Enzian. Schwalbenwurz oder Deutscher Enzian. Der Enzian, wo man trinkt, wird aus der Wurzel gemacht."

    Und so zieht sich der Weg zur Kampenwand und teilt sich und quert andere Wege. Es soll 14 verschiedene Aufstiege zur Kampenwand geben.Und wie steil, vielleicht auch wie gefährlich diese Wege sind, davon berichtet ein Marterl mit Bild ... bitte übersetzen Sie es uns.

    Mayer:

    "Das ist die Maria. Und unten liegt der Sebastian Heizmann. Der ist durch einen Holzstoß umgekommen."

    Also hier auf den Wegen ist immer Holz abgefahren worden.

    "Das war ein Haupterwerbszweig. Nur im Winter auf dem Schlitten, oben auf dem Schlitten war das Holz drauf. Der andere Teil von dem Holz ist hinten auf dem Schnee gerutscht."

    Der Schlitten umgekippt?

    "Das ging wahnsinnig schnell. Die Wege waren ja nicht so breit, wie der Schlitten war."

    Und so ist der Schlitten, der nur schwergängig zu lenken war, gegen einen Baum oder Holzstoß gerast. Das Leben und Arbeiten in den Wäldern an der Kampenwand war brutal gefährlich. Und während wir nun doch diese Wanderroute gemächlich hochsteigen, gibt es auch eine richtig alpine Passage unterhalb der Seilbahnroute. Aus dem Büchlein zitiert:

    "Zwischen dem Westgrad und dem Bergener Riß liegen Kamine, Überhänge, Steinrinnen, Spalten und lotrechte Wände verborgen. Da braucht man auch schon mal 10 Stunden zum Durchklettern am Seil in Richtung Kampenwand"

    Und weil wir bei jeder blauen Blume stehen bleiben, überholt uns ein sehr sportlicher Bergwanderer im Schweinsgalopp. Was motiviert Sie? Ist das hier Ihr Hausberg?

    Wanderer:

    "Ja, wenn's schnell gehen muss. Sonst wär ich einen größeren Berg gangen. Und dann gehe ich eigentlich immer Kampenwand zum Trainieren."

    Hätten Sie Entzugserscheinungen, wenn das nicht einmal die Woche machen?

    Wanderer:

    "Zwei Wochen geht's schon mal. Aber dann jucken die Beine schon und ich muss raus. Ich bin das erste Mal so mit vier Jahren in die Berge gegangen. Das lernt man dann wie das Radfahren. Das hat man in den Beinen."

    Und das heißt hier etwas derb. Wenn ich mit meiner Wampen kannt, dann steig ich auf die Kampenwand. Und wieder bückt sich Günter Mayer nach einem weißen Blütenstängel, auch etwas Violett drin.

    Mayer:

    "Augentrost. Das ist eine Blume. Ich glaube, dass die Kräuterweiberl gesammelt haben und haben da das Augenwasser gemacht."

    Das haben die gepresst?

    "Getrocknet."

    Augenwasser, wann wurde das genommen? Wenn man eine Entzündung hatte?

    "Die Augen auswaschen mit dem Wasser."

    Ohne Rezept?

    "Ohne Chemie. Chemie dämmt ja nur die Krankheit was ein. Aber Homöopathie braucht länger. Und die Leute haben keine Geduld. Also macht man eine Tabletten rein, und dann ist es ... "

    Ich sag das ja auch entwaffnend. Ich sehe nichts hier, Sie bücken sich und geben mir so zwei Blüten ..

    Also laufen wir, weiter ansteigend, auch durch das Heilkräutergärtlein von Mutter Natur. In dieser Kulisse steht nirgendwo ein "Forsthaus Falkenau". Doch es begegnet uns –verabredet- der ZDF-Fernsehförster aus der Erfolgsserie Forsthaus Falkenau, Martin Rombach, real der Schauspieler Christian Wolff

    Wolff: "Der Exförster."

    Was haben Sie mit Aschau zu tun?

    "Ich lebe hier seit jetzt 18 Jahren. Die ganze Gegend im Chiemgau, die Berge und die Seen und die wunderbare Natur."

    Sie haben Förster, aber Sie haben nie den bösen Wolf gespielt, obwohl Sie ja doch der Wolf sind.

    "Der Wolff hat im Laufe seiner Laufbahn von über 50 Jahren ne ganze Menge böser Menschen gespielt. Wie ich jünger war, habe ich in dem Film gespielt, wo ich immerhin den Gerd Fröbe, der mein Vater war, ermordet habe. Natürlich liegen Sie richtig, die Dinge, die bei dem Publikum am meisten Anklang gefunden haben, sind nicht die, wo ich der Bösewicht war. Das ist richtig."

    Die Superserie Forsthaus Falkenau, die ist 10 oder 15 Jahre lang gelaufen?

    "Ich habe sie 17 Jahre gemacht. Es hat nie einen Menschen in Deutschland gegeben, seit dem das Fernsehen existiert bei uns, der so lange eine Serie in einem so langen Zeitraum in der Hauptrolle gespielt hat."

    Ich weiß auch nicht wie viele Fortsetzungen.

    "Wir haben jedes Jahr 13 gedreht. Also ich habe 220 Folgen gedreht."

    Geht's einem dann nicht nachher wie der Inge Meysel. Die ja auch immer nur noch Inge Meysel gespielt hat?

    "Es ist ganz klar, wenn man über einen so langen Zeitraum eine Figur dargestellt hat, dass man ... Der Wussow war ewig der Professor Brinkmann. Und Sie, jetzt als Fragesteller, vergessen ein bisserl, dass ich in der Zeit immer jedes Mal noch andere Sachen gedreht haben. Zum Beispiel zehn Filme alleine aus Südafrika."

    Aber Sie haben nie hier, hier gibt es doch so ein Filmdorf, Sie haben aber nie ein Film hier gemacht?

    "Sie meinen Sachrang, das andere Dorf in Aschau, wo gedreht wurde?
    Ja, ich habe keinen Film gedreht, der komplett in Aschau spielte. Und trotzdem habe ich in Aschau für andere Filme einige Szenen und Bilder gedreht."

    Und dann drehen wir uns mit Christian Wolff weg. Denn es naht hier eine Hundertschaft Sonntagswanderer einer Leserreise einer Zeitung. So laufen wir hier auf einem der vielen Querwege weiter und sehen die lange und weit auseinander gezogenen Karawane der Leserwanderer.

    Nun sind wir endlich auf dem Sattel der Kampenwand angelangt. Auf den Almwiesen grasen und käuen Kühe. Die Almhütte ist so derart dicht umlagert, als würde hier oben der FC Bayern München ein Freundschaftsspiel gegen eine andere Lederhosenauswahl versprochen haben. Was schreibt unser Büchlein:

    "Wir sehen wandernde Menschen in Sommerkleidern, andere tragen teure Freizeitmarken auf die Kampenwand. Wieder andere haben sich als Bergsteiger verkleidet. Dazwischen Prozessionsschlangen von Flachlandtirolern in Halbschuhen. Doch abseits findet man auch die Bergflora in den Farben des Hochsommers. Das Weiß der wilden Kamille. Dazwischen das Blau von Kornblumen, das Lila von Mehlprimeln, das Rot von Klatschmohn und die Kelchblätter des Enzians."

    Unsere Biene Maja wird sich etwas von den Enzianblüten von der Kampenwand besorgt haben. Denn im Bienenhaus wollen sie heute Abend einen drauf machen. Und die Maja ist für den Schnaps und die Getränke zuständig.

    Wir müssen noch etwas nüchtern bleiben, haben noch gute 150 Höhenmeter bis zum Gipfelfels vor uns. Wir steigen und kraxeln und stolpern über Stock und Stein den felsigen Gipfel hoch. Sehen schon das gewaltige Gipfelkreuz. 12 Meter hoch, der Querbalken 7 Meter breit. Es ist 1951 als Gefallenenehrenmal der umliegenden Orte errichtet worden.
    Dann könnte man es auch als ein Gelübde einer Generation verstehen, die noch als 18-Jährige in den Zweiten Weltkrieg gezogen sind und später geläutert und lebend aus diesem Inferno zurückkamen.

    Blicke wieder zum Kreuz hoch. Auch oben auf der Spitze der Kampenwand, 50 Meter über uns, sie ist überfüllt vom Ansturm der Gipfelstürmer. So verzichten wir, uns damit rein zudrängen. Wollen den Fernblick aus dieser Höhe genießen. Hier nach Norden rüber liegt der Chiemsee, so nahe, als wäre man bergab in einer ¾-Stunde unten am Wasser. Natürlich ist das eine optische Täuschung der Augen, vielleicht muss ich die doch mal mit Augentrost auswaschen. Nun der Blick in die Ferne ...

    Obermaier:

    "Auf der Südseite, da sehen wir jetzt den Wilden Kaiser, der ist schon in Tirol. Dann ein Stück weiter, ganz dahinten sieht man noch ganz kleinwenig den Großglockner, den Großvenediger. Dann geht's weiter, die Loferer Steinberge."

    Heinzelmann:

    "Und links kann man bis zum Dachstein sehen. Aber die Sicht ist heute nicht perfekt. Im Süden sehen wir ja die Wolken über den Bergen. Und oft ist es dann schwierig zu unterscheiden, was ist eine Wolke, was ist ein Großvenediger?"