Archiv


Vom rechten Lesestoff

Seit seiner Eröffnung 2001 ist das Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände zu einer Art Entsorgungsstelle für Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus geworden. Nun nimmt das Museum in der Ausstellung "Wortgewalt" den rechten Lesestoff der braunen Ära unter die Lupe.

Von Thomas Senne | 08.05.2013
    Schautafeln informieren im Ausstellungssaal über die Bücherverbrennung der Nazis vor 80 Jahren. Zu sehen sind Fotos, Zeitungsartikel und rund vierhundert Namen verfolgter Autoren. Im Mittelpunkt aber stehen vor allem die Bücher, die den braunen Machthabern genehm waren. Fein aufgereiht in Vitrinen. Darunter altbekannte NS-Propaganda wie Hitlers "Mein Kampf". Aber nicht ausschließlich, sagt der Leiter des Nürnberger Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände, Hans-Christian Täubrich.

    "Es sind eine Fülle anderer Autoren, die in den hinlänglich bekannten Genres – also Heimatroman, Kriegsroman, Blut-und-Boden-Romantik – sich ausgelassen haben. Das waren zum Teil durchaus Themen, die schon aus der Vorzeit bekannt waren, aber nun mit diesen verquasten Bestandteilen der NS-Ideologie verknüpft wurden."

    "Der Ruf des Reiches tönt! Was sonst dem Glockenrufe nur gelang, zum erstenmal verbrüdert und versöhnt das Blut der Erde."

    , heißt es beispielsweise im "Ruf des Reiches – Echo des Volkes" von Hanns Johst. Will Vesper zeigt in seinem Buch "Das harte Geschlecht" worauf es ankommt :

    "Marschall Björn nahm sein junges Weib in den Arm. 'Nun schenke mir Jungens', sagte er, daß die gute Rasse nicht ausstirbt.'"

    Zitatleisten oberhalb der Schaukästen geben in der Ausstellung Auskunft über Inhalt und Stil der NS-Autoren. Bei ihnen besonders beliebt: Schlagworte wie Familie, Mutter oder "Tod, Ehre, Vaterland". Auf erläuternden Texten und in Rubriken wie "Heimat, Blut und Boden" werden die literarischen Ergüsse der Nazi-Schriftsteller in Nürnberg kritisch beleuchtet.

    Entlarvt werden auch Klischees, denen viele Leser auf den Leim gingen. Männer zum Beispiel. Sie waren von Romanen über den 1. Weltkrieg besonders angetan und favorisierten Heldendarstellungen. Auch Kinder waren eine beliebte Zielgruppe. Sie konnten zwischen Johanna Spyris "Heidi", Grimms Märchen, Robinson Crusoe oder antisemitischen Veröffentlichungen folgender Machart wählen: "Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid". Gerne wurde auch das Mutterbild instrumentalisiert und in den Dienst der braunen Bewegung gestellt: im Zentrum auch hier: der "Führer".

    Mit Beginn des Kriegs waren billige Landserhefte oder Bücher wie "Sturmmarsch zur Loire" gefragt. Karl Mays Abenteuerromane oder "Vom Winde verweht" blieben von der Zensur der NS-Schriftumskammer unbehelligt, denn unpolitische Unterhaltungsliteratur lenkte wie auch "Die Feuerzangenbowle" vom Krieg ab und später vom nahenden Zusammenbruch.

    Dass kritische Schlaglichter auf die NS-Literatur geworfen werden, wie jetzt in der gelungenen Nürnberger Schau, ist längst überfällig. Ein Thema, dessen Erforschung allerdings erst an ihrem Anfang steht, meint Ausstellungsleiter Hans-Christian Täubrich.

    "Es ist ein ungeliebtes Erbe, natürlich. Man kann es auch verstehen. Man müsste für jede Stunde, die man mit diesen Büchern verbringt, eigentlich Schmerzensgeld bekommen, weil es oftmals wirklich unappetitlich, schwer zu lesen ist und ich denke auch zu Recht heute nicht mehr nachgefragt wird."