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Von wegen altes Eisen

Ob über Fische in unseren Gewässern oder den Vogel des Jahres, ob über den Bau eines funktionstüchtigen Sonnenofens oder die Hege und Pflege einer seltenen Schafsrasse: Zwölf Senioren aus Nordhessen vermitteln Wissen über ökologische Zusammenhänge an Schulkinder. Die Ausbildung zum so genannten Umwelttrainer erhielten die Rentner im "ökologischen Schullandheim Licherode" bei Kassel. Gefördert wird das Projekt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Und wenn es nach den Wünschen der Initiatoren ginge, dann sollte dieses Modell so schnell wie möglich bundesweit Schule machen.

Von Ludger Fittkau | 24.08.2004
    Ich will also nicht aufhören. Nicht Ruhestand, sondern Unruhestand. Ich habe selbst sechs Enkelkinder und die, wenn die hier herkommen, die fragen dann schon mal: Opa, was gibt’s Neues in der Umwelt?

    Paul Schulte ist 70 – und so etwas wie der Vorzeige-Umwelt-Opa des Ökologischen Schullandheims Licherode im nordhessischen Bergland. Der ehemalige Banker aus dem Ruhrgebiet ist einer von zwölf Senioren, die in diesem Jahr den ersten Lehrgang zum Umwelttrainer mit Erfolg abgeschlossen haben. Gerade die Erfahrung, im Rahmen der Ausbildung zum Umwelttrainer nach fünfzig Jahren wieder einmal in eine Schule zu kommen, hat Paul Schulte und seine Kollegen schon während des Lehrgangs beeindruckt:

    Wir haben sechzig Stunden miteinander gearbeitet, theoretisch und auch praktisch. Wir sind in die Schulen gegangen und haben praktischen Unterricht miterlebt. Ich habe ungeheure Hochachtung vor Lehrern. Wenn es überall so zu ginge, dann hätten wir kein Problem mit der Kindererziehung.

    Die Ausbildung zum Senioren-Umwelttrainer wird organisiert vom Generationennetzwerk Umwelt, finanziert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt in Osnabrück und dauert insgesamt sechs Monate. Das Konzept für den Lehrgang stammt vom Ökologischen Schullandheim Licherode, das im Jahr 2000 zu den vielbeachteten Außenprojekten der Weltausstellung Expo in Hannover gehörte. Klaus Adamaschek, der Leiter des Schullandheims, erläutert die Idee, die hinter dem Senioren-Umwelttrainerschein steckt:

    Das Konzept setzt eigentlich bei den eigenen Erfahrungen der Senioren an. Das ist der Korbflechter, der in seiner Vergangenheit schon jahrelang mit Körben gearbeitet hat. Das ist der Imker, das ist der Wanderer, der Waldgänger, der Geschichten über den Wald erzählen kann, das ist die Landfrau, die wunderbar ihr Gemüse verarbeiten kann.

    Dieses Wissen der Alten soll nicht brachliegen. So können Schulen die Umwelttrainer gegen eine Aufwandsentschädigung für ihren Nachmittagsunterricht engagieren. Aber auch im ökologischen Schullandheim selbst werden die Senioren eingesetzt. Paul Schulte führt die Klassen beispielsweise in einer mehrstündigen Wanderung in den Wald - inklusive Fährtensuche und Picknick:

    Ich gehe also mit einer Schulklasse durch die Feldflur und den Wald und erkläre denen einiges. Wenn ich hier rundgehe, dann ist die erste Station nach 500 Metern ein Bienenstand. Denn spricht man gerne darüber, was die Biene für die Natur bedeutet. Oder wenn wir in den Wald oben eintreten, da sind zur Zeit Schäden, Baumschäden, verdorrte Fichten. Verdorrte Fichten im Sommer ist ein schrecklicher Anblick. Im Winter sind viele Bäume kahl, da fällt das nicht so auf. Dann kommen wir an einem Hochsitz vorbei und dann erkläre ich den Kindern, dass die Jagd nicht vorrangig das Bejagen des Wildes ist, sondern im Wesentlichen Hege.

    Gerade der Wald fasziniere die Kinder aus den Großstädten immer wieder, das ist die langjährige Erfahrung der Umweltpädagogen im nordhessischen Bergland. Doch viele Projekte, die von den Senioren-Umwelttrainern angeboten werden, sind eher für Schulwerkstätten als für die Natur geeignet, so Klaus Adamaschek:

    Es gibt genauso den Solarbastler bei unseren Senioren, es gibt den, der sich über ökologische Baustoffe lange Jahre Gedanken gemacht hat und das jetzt auch sehr praxisorientiert weitergeben möchte.

    Die pädagogischen Tricks und Kniffe, die die Senioren für ihre Arbeit mit den Kindern brauchen, vermitteln die Pädagogen des Ökologischen Schullandheims Licherode. Am Ende des Lehrgangs zum Umwelttrainer müssen die Senioren dann in einer praktischen Prüfung zeigen, ob sie ihre Lektion verstanden haben. Klaus Adamaschek:

    Jeder der Teilnehmerinnen und Teilnehmer präsentiert am Ende seine Übung, das kann der Bau eines funktionstüchtigen Miniatursonnenofens sein, genauso wie der Weg vom Baumstamm zum Werkstück bis hin zum Projekt der selbstgebackenen Brötchen, die dann aber auch lebendig präsentiert werden müssen und wir hoffen, dass die Teilnehmer dann auch in der Lage sein werden, das an Schulkinder weiterzugeben.

    Paul Schulte hat seine Prüfung zum Umwelttrainer bestanden und ist nun im Rahmen des bundesweiten Modellvorhabens einer der ersten zertifizierten Senioren-Umwelt-Trainer. Eine Herausforderung, die ihm großen Spaß bereitet:

    Und die Kinder sind interessiert. Ich sage Ihnen, die stellen Fragen, die unmöglichsten Fragen, da muss man als alter Hase sich richtig wappnen. Das gehört mit zu der Freude.