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Vor 25 Jahren
Letzter Sendetag des DDR-Staatsfernsehens

Jahrzehntelang hatte die DDR-Führung Fernsehen als Mittel zur Agitation und Propaganda eingesetzt, um die eigene Bevölkerung zur Mitwirkung beim Aufbau eines sozialistischen Systems aufzufordern. Mit dem Mauerfall war aber auch das Ende des alten DDR-Fernsehens besiegelt. Am 31. Dezember 1991 beendete der Deutsche Fernsehfunk sein Programm.

Von Hartmut Goege | 31.12.2016
    "Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei! Jawohl mein Schatz es ist vorbei, ... mein Schatz es ist vorbei."
    Die letzten Sendeminuten fanden auf der Showtreppe statt. Viele Größen des DDR-Fernsehens wollten noch einmal ganz große Unterhaltung abliefern.
    Um Punkt zwölf Uhr am Silvesterabend 1991 war Schluss. Mit dem Ende der DDR wurde auch der ehemalige Staatsrundfunk aufgelöst. 39 Jahre lang war das Programm als verlängerter Arm der SED für Propaganda und Erziehung ausgelegt und war doch häufig von Eintönigkeit geprägt. Nur rund ein Prozent sahen etwa die Nachrichtensendung "Aktuelle Kamera" regelmäßig:
    "Guten Abend, meine Damen und Herren. Zum 40. Jahrestag der Wiedergeburt Polens haben der Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und Vorsitzende des Staatsrates Erich Honecker ..."
    "Der Schwarze Kanal" war auch für DDR-Zuschauer ein Weggucker
    Besaßen in der DDR in den ersten Jahren nur wenige tausend Zuschauer ein Fernsehgerät, stieg der Anteil der Haushalte seit 1960 ähnlich rasant an wie in der Bundesrepublik. Der Staatsrundfunk wollte vor allem das "sozialistische Bewusstsein" seiner Bürger fördern. Politische Sendungen überwogen in der Programmgestaltung. Karl-Eduard von Schnitzlers seit 1960 einmal wöchentlich ausgestrahltes berüchtigtes Politmagazin "Der Schwarze Kanal" zielte in erster Linie auf die vermeintlich vom Großkapital gesteuerten westdeutschen Medien ab. Die Sendung war auch für DDR-Zuschauer ein Weggucker und Symbol für Kalten Krieg im TV:
    "Desinformation, Manipulierung, Falschmeldungen, Halbwahrheit, Verleumdung, nichts wird unversucht gelassen. Und da man ja schlecht nur lügen kann, weil man sonst seine Glaubwürdigkeit verliert, streut man Wahrheiten ein, um sich Glaubwürdigkeit für die nächste Lüge zu erschleichen."
    Der Grund für die Hetze lag vor allem an der Reichweite bundesdeutscher Sendemasten. Dank der Insellage West-Berlins wurden fast 95 Prozent des DDR-Territoriums von ARD- und ZDF-Programmen erfasst. Und die wurden von vielen Bürgern im Osten gerne heimlich konsumiert. Eine erste erfolgreiche Antwort auf diese Vereinnahmung des Westfernsehens war die Geburt des Ost-Sandmännchens 1959, das noch heute die Jüngsten in den gesamtdeutschen Schlaf singt.
    "Sandmann, lieber Sandmann, es ist noch nicht soweit!"
    Zuschauerforschungen in den 70er-Jahren gingen davon aus, dass das gesamte DDR-Fernsehangebot nur von gerade mal 20 Prozent der Bevölkerung genutzt wurde. Den DDR-Programmmachern war bald klar, dass sie gegen die Westkonkurrenz hauptsächlich mit leichter Unterhaltung punkten konnten. Die Samstagabendshow "Ein Kessel Buntes" zählte zu den beliebtesten Sendungen der DDR. 21 Jahre lang wurde sie noch über die Wende hinaus bis 1992 produziert.
    Mord durfte im real existierenden Sozialismus nicht vorkommen
    Andere Quotenbringer waren Sportsendungen oder Krimis wie Polizeiruf 110, der dem westdeutschen Tatort Paroli bieten sollte. Doch den Autoren waren enge Grenzen gesetzt, weil zum Beispiel Mord im real existierenden Sozialismus nicht vorkommen durfte. Polizeiruf-Regisseur Bernd Böhlich hatte damit seine Probleme:
    "Horst Krause rennt den Bootssteg entlang und während des Rennens muss er rufen: 'Genosse Oberleutnant, Genosse Oberleutnant, ein Tötungsdelikt!' Weil das Wort 'Mord' durfte nicht gesagt werden. Und wir standen dort um die Kamera herum und haben dann immer überlegt, weil er sagte: 'Ich kriege das Wort nicht über die Lippen: Tötungsdelikt'. Also, wir haben das zigmal gedreht."
    Das DDR-Publikum hatte auch seine Fernsehstars. Komödiantinnen wie Helga Hahnemann oder Entertainer Otto Franz Weidling waren so populär, dass sie sich gelegentliche Spitzen gegen die Mächtigen leisten konnten. Als 1984 zur Eröffnung des Berliner Friedrichstadtpalastes Moderator Weidling in der Live-Sendung vor versammelter Politprominenz auf einen westdeutschen Milliardenkredit anspielte, war das aber ein Tabubruch.
    "Wir haben die Kathedrale rechtzeitig fertiggestellt, dass sie Franz-Josef Strauß schon sehen konnte. Gegen ein geringes Entgelt ... Und der Genosse Mittag hat nicht gelacht …"
    Über Kredite beim Klassenfeind sprach man nicht. Weidling wurde fortan nicht mehr beschäftigt. Die Wende erlebte er nicht mehr. Anders die rund 14.000 Mitarbeiter aus dem weit aufgeblähten Rundfunkapparat. Doch ein Großteil von ihnen wurde nach dem Einigungsvertrag nicht mehr in die neuen ostdeutschen ARD-Sender übernommen.
    "Feierabend, und alle haben jetzt frei. (Applaus, Jubel)"