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Ausstellung in Paris
Francis Bacon, der Literaturmaler

Ein belesener Mann war der britische Künstler Francis Bacon. Seine Bibliothek umfasste mehr als 1000 Bücher - Bücher, die für seine Malerei eine wichtige Rolle spielten. Wie groß ihr Einfluss auf seine Kunst war, zeigt jetzt eine Ausstellung im Pariser Centre Pompidou.

Von Kathrin Hondl | 13.09.2019
Francis Bacon in seinem Reece Mews Studio in London, 1974
Francis Bacon besaß nicht nur ein gut gefülltes Studio, sondern auch eine umfangreiche Bibliothek (imago / Michael Holtz )
Es ist eine Ausstellung über Literatur, in der es nichts zu lesen gibt. Keine Bücher oder Manuskripte in Vitrinen und auch keine Erklärtexte an den Museumswänden. Zu sehen sind Bilder aus dem Spätwerk Francis Bacons, entstanden zwischen den frühen 70ern und seinem Tod 1992. Und zu hören sind - in englisch und französisch - Texte aus der Bibliothek des Malers in separaten, dunklen, bilderlosen Räumen.
Die Trennung von Text und Bild ist so überraschend wie überzeugend. Denn Francis Bacon war alles andere als ein Illustrator, betont Kurator Didier Ottinger:
"Die Autoren inspirierten ihn nicht zu narrativen Gemälden. Es handelt sich vielmehr um visuelle Flashs. Aus diesem Gewimmel von Bildern komponierte er seine Triptychen. Das ist sehr subtil, zumal er sich oft auf mehrere Autoren gleichzeitig bezieht."
Von Aischylos bis Nietzsche
Die Ausstellung im Centre Pompidou konzentriert sich auf sechs Autoren aus der mehr als 1000 Bände umfassenden Bibliothek Bacons: Joseph Conrad, T.S. Eliot, Georges Bataille, Michel Leiris, Aischylos und Friedrich Nietzsche.
Alle sechs seien Nietzscheaner, sagt Didier Ottinger, selbst Aischylos, dessen "Orestie" Bacon explizit mehrere Bilder widmete. Nietzsches "Geburt der Tragödie" ist so etwas wie der rote Faden der Ausstellung - der, so die These des Kurators, Schlüssel zum Verständnis der Bilder Francis Bacons.
"In der Geburt der Tragödie zeigt Nietzsche das bipolare Zusammenspiel apollinischer und dionysischer Einflüsse. Und genau das sieht man in Francis Bacons Malerei: Perfekte geometrische Formen bilden die berühmten Käfig-Räume der Bilder. Und darin gibt Bacon etwas Form, was man das 'Dionysische der Malerei' nennen könnte", sagt Didier Ottinger und meint die deformierten Körper, Blutlachen, Sanddünen oder das aus einem Wasserhahn fließende Wasser in Bacons fragmentarischen Bildern.
Mehrere Literaturbezüge in einem Triptychon
Gegenüber dem Raum, in dem ein Ausschnitt aus Joseph Conrads Kolonialismus-Roman "Herz der Finsternis" zu hören ist, hängt ein Triptychon aus dem Jahr 1976, das Bezüge zu mehreren Autoren erkennen lässt.
"Der Graal, den wir hier sehen, kommt zweifellos eher von T.S. Eliot als von Conrad", sagt Didier Ottinger und deutet auf das mittlere Bild des Triptychons. Die zentrale Figur entspreche aber jener auf einem Werk, das von der "Orestie" inspiriert wurde.
Und doch sieht Ottinger dieses Triptychon vor allem in Zusammenhang mit Joseph Conrads "Herz der Finsternis". Indizien: Bacon porträtierte auf den äußeren Bildtafeln den Afrika-Fotografen Peter Beard, den er in London getroffen hatte. Und auf der mittleren Bildtafel ist ein schwarzer Vogel zu sehen, der eine menschliche Figur verschlingt: Bacons Version des alten Prometheus-Motivs.
"Bacon wollte damit sagen", so Ottinger, "dass der Kolonialismus der Europäer eine prometheische Kultur war - eine Kultur, die das Feuer bringt und gleichzeitig die Macht der Zerstörung."
Die Kraft der Literatur
"Man sieht nur, was man weiß" - das Goethe-Zitat beweist in dieser literarischen Ausstellung mal wieder seine Richtigkeit. Manche mögen deshalb bedauern, dass die Schau auf erklärende Texte verzichtet - schließlich gäbe es zu den Bildern des belesenen Bacon viel zu erklären. Aber gerade der Verzicht auf didaktisches Beiwerk, das Vertrauen in die Kraft der Literatur macht diese Ausstellung zu einer sehr intimen Begegnung mit dem Wesentlichen. Mit den Texten der Dichter und Denker im Ohr lässt sich Francis Bacons Malerei nämlich tatsächlich wunderbar lesen.