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Wasserweiser

Technologie.- Im Auto leistet ein Navigationssystem meistens gute Dienste und führt den Fahrer zuverlässig zum Ziel. Anders sieht das jedoch unter Wasser aus. Gerade bei Strömung oder schlechter Sicht gerät ein Tauchgang zum Blindflug. Forscher der FH Aachen haben ein Gerät entwickelt, das auch Froschmännern den richtigen Weg zeigen soll.

Von Wolfram Koch |
    Die Malediven, 20 Bootsminuten von der Hauptinsel Male entfernt, 30 Meter tief im Wasser: bunte Korallen, unzählige Fische, mannigfaltig in Form und Farbe. Taucher sind fasziniert von dieser Unterwasserwelt. Manchem wird sie auch zum Verhängnis. Ohne ortskundige Führung finden manche Taucher in der für sie fremden Unterwasserwelt nicht den Weg zurück zum Boot. Gerade bei schlechter Sicht oder starker Strömung.

    Eine Situation, die jedes Jahr etliche Todesopfer fordert. Ein Unterwasser-Navi könnte Leben retten. Daran arbeiten Forscher des Fachbereichs Luft und Raumfahrt der Fachhochschule Aachen. Ihr Unterwasser-Navigationssystem nutzt nicht die Satelliten-Daten wie herkömmlicher Navis im Auto. Das funktionierte unter Wasser auch gar nicht. Das Aachener Gerät nimmt Anleihen aus der Luftfahrt, erklärt Projektleiter Günther Schmitz:

    "Dieses Gerät nutzt eine alte Art der Navigation, die Trägheitsnavigation. Man misst Beschleunigung und Drehwinkel, um daraus abzuleiten, an welchem Ort man sich befindet, um so jederzeit zum Ausgangspunkt zurücknavigieren zu können."

    Drehraten oder Beschleunigungssensoren registrieren also ständig die genaue Lage und Bewegungen des Tauchers. Diese Daten speichert der Computer. Er legt quasi ein Bewegungsmuster im dreidimensionalen Raum an, mit etwa 100 Messpunkten pro Sekunde. Etwa in der Form: Vom Ausgangspunkt bewegt sich der Taucher mit 10 Metern pro Minute abwärts, macht dann eine 30 Grad Rechtskurve, dann geradeaus und 3 Meter tiefer und so weiter. Sich das zu merken, sei für einen Menschen mit seinen Sinnen unmöglich:

    "Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit verbundenen Augen in einem Auto und müssten aufgrund der Fahrzeugbewegungen ermitteln, wo Sie hingefahren werden. Das wird Ihnen nicht gelingen. Das ist aber das, wie unser System arbeitet. Es ist nicht auf die menschliche Empfindung angewiesen."

    Anfangs experimentierten die Aachener Forscher mit Sensoren aus dem Flugzeugbau. Sie sind zwar sehr genau aber auch extrem teuer und groß.
    Zudem lieferten sie ein zu großes Datenvolumen für den Computer im Unterwassereinsatz. Die Aufgabe der Forscher war es, das ganze für Sporttaucher zu minimieren. Dabei sollte das Gerät erschwinglich für den Taucher sein und ihn auf den Meter genau an den Ausgangspunkt seines Tauchgangs zurückführen können. Eine große Herausforderung für die Forscher um den Elektrotechniker Günther Schmitz, denn auch hochpräzise Minisensoren machten Fehler. Und die müssen die Entwickler jetzt erst einmal korrigieren:

    "Die eigentlichen Daten, die gebraucht werden, sind die Drehraten. Damit man genau weiß, in welche Richtung der Tauchcomputer zeigt. Die Beschleunigung wird ermittelt. Wenn man die Richtung weiß, in die man beschleunigt wird, kann man auch den Weg zurückrechnen. Das sind die grundsätzlichen Sensoren, die man braucht. Zusätzlich zur Korrektur haben wir dann noch einen Tiefenmesser. Weiter nehmen wir noch Magnetfeldsensoren, die dann für langfristige Korrekturen einen Anhaltspunkt geben, um dann den Ausgangspunkt möglichst genau wiederzufinden."

    Bewegt der Taucher schon mal den Arm mit dem Navigationscomputer entgegen seiner regulären Schwimmrichtung, so wird das automatisch korrigiert. Auch eine Meeresströmung, in der der Taucher einfach mit treibt, bringt das System nicht aus dem Tritt. Navigationscomputer, die nur den Wasserfluss messen, führen selten einen Taucher zum Startpunkt seines Tauchgangs zurück, urteilt der FH-Professor:

    "Solche Systeme müssen dann natürlich versagen, wenn eine Meeresströmung existiert, die mich als Taucher mit treibt. Unser System dagegen basiert nur auf Beschleunigung und Drehraten und deshalb kann es den exakten Weg auch dann aufzeichnen, wenn eine Strömung im Meer vorhanden ist."

    In einigen Tauchgängen hat der Aachener Navigationsrechner seine prinzipielle Funktion nachweisen können. Nun arbeiten die Forscher am eigentlichen Navigationsprogramm. Per Knopfdruck soll das Gerät auf dem gleichen oder kürzesten Weg zurück zum Ausgangspunkt führen. Wie beim Instrumentenlandesystem eines Flugzeugs leitet zum Beispiel ein Fadenkreuz auf dem Display des Computers den Taucher dann Punkt für Punkt die gleiche Strecke bis zum Start zurück. Oder aber das Navi leitet direkt zum Ausgangspunkt. Dazwischen liegende Hindernisse kann das System aber noch nicht erfassen, weil derzeit keine Karte hinterlegt ist. Ein weiteres Ziel ist die Miniaturisierung der Schaltkreise, denn der Prototyp ist noch viel zu groß. Die Entwickler an der FH wollen ihren Unterwasser-Navi so klein schrumpfen, dass er in das Gehäuse eines herkömmlichen Tauchcomputers passt. Und der ist nicht viel größer als ein Navi aus dem Auto.