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Wearable Technology
Elektronik zum Anziehen

Mit dem Schal Musik hören oder je nach Stimmung die Farbe der Jacke wechseln. Mit sogenannter wearable technology ist das möglich. Auf einer Konferenz in Berlin zeigten Künstler, Ingenieure und Designer, wie sie Kleidung mit technischen Funktionen ausstatten - mit einigen sehenswerten Ergebnissen.

Von Katja Hanke | 14.10.2014
    Ein Schüler trägt einen Pullover mit LED-Kette, die die Farbe verändern kann.
    Ein Schüler trägt einen Pullover mit LED-Kette, die die Farbe verändern kann. (picture alliance / dpa / Daniel Karmann)
    "So, this isnt't the thread that you want to touch the wire, you want the conductive thread."
    Im Betahaus in Berlin sitzen sechs Frauen und ein Mann an zwei Tischen und schneiden, nähen und löten. In sechs Stunden wollen sie einen Audio-Schal anfertigen. Der Workshop ist einer von dreien des Festivals "wear it", zu dem sich Akteure der sogenannten wearable technology-Bewegung in Berlin treffen. Es sind Künstler, Ingenieure und Designer, die Kleidung mit technischen Funktionen ausstatten.
    "So, you have the conductive thread around the exposed wire."
    Durch ein leitbares Nähgarn kann der Schal Musik transportieren. Er ist eine Art modisches Kabel, das MP3-Spieler und Kopfhörer verbindet. In den Schal ist ein Regler eingearbeitet, mit dem man die Musik auf nur ein Ohr leiten oder ganz unterbrechen kann.
    Insgesamt 30 junge Frauen und Männer sind zu den drei Workshops gekommen. Die helle Fabriketage ist durch offene Regale und Holztafeln in kleinere Einheiten unterteilt. Eine zweite Gruppe baut blinkende Armbänder, die auf Musik und Bewegung reagieren, die dritte versieht T-Shirts mit winzigen LED-Lämpchen.
    "So, let's see."
    Eine junge Französin hat ihren Schal fe
    rtiggenäht und probiert ihn aus.
    "Uihhh" - "Is it just one ear?" - "Yeah, on the left" - "Excellent." -"And - ohhhh, not this one."
    Jacken mit LED-Lichtern
    Sie hört die Musik nur auf einem Ohr. Um den Schal gehe es aber gar nicht so sehr, sagt Workshop-Leiterin Becky Stewart, sondern viel mehr darum, die Techniken zu lernen.
    "I think a lot of this is more about learning the process and the technics than an object you would like."
    Ein Model führt am 03.08.2004 die "Wearable Electronic"-Jacke "mp3blue" des Bekleidungsherstellers Rosner vor. In die Jacke sind die Funktionen MP3-Player und mobil Telefonieren per Bluetooth integriert. Mit Tasten am Ärmel kann man diese Funktionen bedienen.
    Musik hören und telefonieren: mit dieser Jacke kein Problem. (dpa / picture alliance / Federico Gambarini)
    Die Britin ist promovierte Audio-Ingenieurin und bietet auch zu Hause Workshops an, in denen sie anderen beibringt, wie man Technik kreativ nutzen kann. An der wearable-Szene mag sie den Do-it-yourself-Charakter, sagt sie, denn der bringt Technik auf eine sehr konkrete Art und Weise nahe.
    "The DIY-aspect is a really nice way of bringing people from a design or arts background into it because it is in a very tangible way of learning what the technology is and how the circuits work."
    Organisiert hat das Festival der Grafiker Thomas Gnahm. Seit einem Jahr baut er mit dem Kollektiv Trafo-Pop Jacken mit LED-Lichtern, die bunte Animationen und Buchstaben anzeigen. Das Festival soll die noch lose Szene näher zusammenbringen, sagt er.
    "Wir wollen uns austauschen und connecten, wir möchten anderen Leuten auch zeigen, dass Technologie kein schwarzes, kleines Kästchen ist, das man sich ans Ohr halten kann, und man kann nicht reingucken, sondern wir möchten zeigen, dass die Technologie zugänglich ist."
    Armband als Metronom
    Professionell entwickelte Stücke können die Besucher abends in der Platoon-Kunsthalle sehen. Rund 50 Besucher sind gekommen, viele waren schon in den Workshops dabei. Im Obergeschoss sind 15 Stücke ausgestellt, ihre Entwickler stehen daneben und erklären sie Interessierten. Da gibt es ein Kapuzen-Sweatshirt mit eingebautem MP3-Player, der über die Bänder der Kapuze gesteuert wird, einen filigranen Datenhandschuh oder ein Armband für Musiker, das das Klick-Geräusch eines Metronoms durch ein Vibrieren am Körper ersetzen soll. Veranstalter Thomas Gnahm trägt eine Jacke, über deren Rücken "Waiting for tweets" in Leuchtschrift läuft. Wer ihm twittert, kann die Nachricht auf der Jacke lesen. Er läuft durch die Menge, scheint fast jeden zu kennen. Was fasziniert ihn an der Szene?
    "Das sind ganz kreative, tolle Menschen, die interdisziplinär denken. Denn, wenn man in dem Bereich nicht über seinen Tellerrand hinaus schaut, kann man nichts entwickeln. Also, es müssen Fashion Designer zusammen mit Ingenieuren arbeiten, vielleicht ein Tänzer zusammen mit einem Grafik-Designer und mit einem Ingenieur."
    Diese Teamarbeit und vor allem der spielerische Gedanke in der Szene gefallen ihm sehr.
    "Der verpflichtet einen nicht zur Perfektion und da es ein neues Feld ist, brauchen wir diesen Freiraum, um zu spielen. Wir müssen das erforschen und wir haben da jetzt eben den Freiraum, auch Fehler zu machen oder etwas zu machen, was nicht funktioniert. Und das finde ich toll."
    Ein Anzug statt ein Schlagzeug
    Dinge, die schon gut funktionieren, können auf der Bühne bestaunt werden. Ein Highlight ist die Schlagzeugerin Lizzy Scharnofske, die mit einem Bassisten auf der Bühne steht. Sie trägt einen schwarzen Anzug, auf dem sich sieben kleine Drumpads befinden.
    Wenn sie mit den Händen auf die Pads an den Oberarmen, Knien oder auf dem Bauch schlägt, erklingen Hihat, Claps oder Bongos, wenn sie mit dem rechten Fuß aufstampft, eine schwere Bassdrum. Ihr ganzer Körper ist in Bewegung, der Sound ist mitreißend und das Publikum begeistert - auch diejenigen, die nichts von Technik verstehen.