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"Wegweisende Antworten nicht zu erwarten"

Politik. - Das Verhältnis von Wissenschaft zu Politik ist schwierig, das wurde auch in Lindau deutlich. Die Neigung, sich aus den politischen Diskussionen herauszuhalten, ist auch unter Nobelpreisträgern vorhanden. Ralf Krauter kommentiert im Gespräch mit Monika Seynsche.

01.07.2010
    Seynsche: Ralf Krauter, ihrem Studio, Sie haben viele dieser Veranstaltung besucht. Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht?

    Krauter: Mir ging es auch ein bisschen so. Mir fällt ein Beispiel ein: Ich war in einer Diskussionsrunde, wo Robert Laughlin, der US-Physiknobelpreisträger [1998] mit Studenten diskutiert hat. Da ging es um die Frage: was wird eigentlich aus der Menschheit, wenn alle fossilen Energieträger verbraucht sind, so in 200 Jahren? Werden wir dann immer noch Auto fahren können? Werden Flugzeuge fliegen, also gibt es Kerosin? Aus was wird das hergestellt? Die Debatte war sehr kontrovers, extrem unterhaltsam, wies aber mitnichten die Tiefe auf, die man eigentlich von so einem Thema erwarten würde. Da schwingen ja ganz brisante gesellschaftliche Fragen mit. Also Stichwort Ressourcenverschwendung, globales Wohlstandsgefälle und mögliche Konflikte, die daraus erwachsen. Und das wurde alles komplett ausgeklammert in der Debatte, vom Nobelpreisträger, mit den doch recht lapidaren Worten an die Jungforscher: Um diese Fragen, in den nächsten 100 Jahren, muss sich Eure Generation kümmern, wie wir das gerade schon gehört haben. Laughlin sagte: Als Wissenschaftler kann ich den Menschen nicht sagen, was sie tun sollen, ich kann Ihnen nur sagen, was richtig und falsch ist. Aber aus meiner Sicht springt das natürlich ein bisschen zu kurz, denn wenn man erkannt hat, was richtig ist, dann sollte man doch auch versuchen, andere davon zu überzeugen. Zumal, wenn man das Gewicht eines Nobelpreises in die Waagschale werfen kann.

    Seynsche: Woran liegt das denn? Sind Nobelpreisträger gebrannte Kinder, was diese gesellschaftliche Einflussnahme angeht?

    Krauter: Das ist natürlich tatsächlich so, dass wer öffentlich Position bezieht, sich angreifbar macht. Beispiel Klimawandel und der Wirbel um die Qualität des IPCC-Reports. Da hat es ja kürzlich heftige Schlagzeilen gegeben. So etwas schreckt sicher manchen ab, der für sich denkt: Naja, den Trubel, die schlechte Presse, das spare ich mir lieber, ich forsche stattdessen ein bisschen mehr. Allerdings kann das im Zweifel natürlich auch heißen, man macht es dem Gegner, der vielleicht die schlechteren Argumente hat, zu leicht. Und im Falle des Klimawandels, das sagte mir Sherwood Rowland, sei das sowieso schon so, dass die Gegner relativ mächtig wären. Sherwood Rowland, zur Erklärung noch kurz, Chemienobelpreisträger [2005], hatte seinerzeit entdeckt, dass Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe die Ozonschicht zerstören. Hören wir mal rein, was er gesagt hat:

    Wissenschaftler interessieren sich sehr für den Klimawandel, sagt Rowland, Politiker dagegen interessieren sich nur dafür, den Anschein zu erwecken sie würden handeln, obwohl sie in Wirklichkeit nichts tun. Und Rowland beklagte dann eben auch noch, dass es in den USA eine sehr einflussreiche von der Ölindustrie finanzierte Lobby gibt, die systematisch Zweifel am Klimawandel sät, obwohl die Belege dafür wirklich erdrückend sind.

    Seynsche: Das klingt so, als gäbe es spannende Fragen in diesem Bereich Wissenschaft und Politik, die hier aber komplett nicht diskutiert werden?

    Krauter: Es gibt diese Fragen, aus meiner Sicht, zuhauf. Und man würde sich wünschen, ja, wüsste gerne, was denken denn nun diese 59 Nobelpreisträger zu diesen brisanten Themen. Haben Sie etwas zu sagen, können sie sich einigen, der Punkt ist, sie können sich nicht einigen, sie kommen aus zu vielen verschiedenen Disziplinen. Man hat keine gemeinsame Agenda, und obwohl das Thema Nachhaltigkeit die ganz oben auf der Liste steht, sind wegweisende Antworten aus Lindau hier nicht zu erwarten, so hat man den Eindruck, die Breitenwirkung dieser Veranstaltung ist doch eher begrenzt, das ist ein Netwerk-Event für Nachwuchsforscher, so eine Art Klassentreffen für Nobelpreisträger, die können hier eine prima Zeit verbringen, nicht weniger. Aber auch nicht mehr.

    Der Deutschlandfunk berichtet vom 60. Nobelpreisträgertreffen in Lindau