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Weibliche Zukunft

Deutschland liegt, wenn es um Frauen in Führungspositionen geht, im europäischen Vergleich ziemlich weit hinten. Ganz vorne dagegen rangieren die skandinavischen Länder: Dort bekleiden Frauen weit mehr als ein Drittel der Führungsposten. Und dennoch sahen die Norweger Nachholbedarf, vor allem bei der Besetzung von Aufsichtsratsposten. Seit Beginn des Jahres gilt nun eine Frauenquote von 40 Prozent für Aufsichtsräte. Daphne Springhorn berichtet.

05.02.2008
    Sobald die Sonne hinter den Wolken hervorkommt, wird es lebhaft auf den Straßen der norwegischen Hauptstadt. Besonders auf der Promenade am Hafen gleich gegenüber vom Parlament sind viele Menschen unterwegs. Hier befindet sich Akkerbrüggen, das Finanzzentrum Oslos. Im Restaurant "Druwen", einem kleinen Lokal mit braun-grauen Wänden, Kristalllüstern und offenem Kamin, pflegt die Osloer Businesselite zu speisen, vor allem die Weibliche. Kari Maeland vom Arbeitgeberverband lehnt sich entspannt zurück: Ihre Verband habe die Frauenquote erfüllt, sagt sie - sogar mit Leichtigkeit:

    "Wir haben bereits 2003, also gleich als das Gesetz zur Quote vorgestellt wurde, ein Programm entwickelt, um Frauen auf Führungspositionen vorzubereiten. Das war unsere Antwort auf das Gesetz."

    "Female Future" - "Weibliche Zukunft" heißt das Programm. Rund 500 Frauen aus dem mittleren Management haben seit 2003 an den Kursen für Führungsqualitäten, Netzwerkbildung, und Kompetenz im Aufsichtsrat teilgenommen. Fast zwei Drittel der Frauen hat anschließend Positionen in Führungsgremien übernommen, nicht nur in den börsennotierten Aktiengesellschaften, sondern auch dort, wo eigentlich gar keine Quotenerfüllung gefordert wurde. Darauf ist der Arbeitgeberverband besonders stolz. Man sei zwar aus Prinzip gegen die Quote, doch für mehr Frauen in Führungsgremien wolle man sich sehr wohl engagieren - und das aus gutem Grund, meint Sigrun Vaegang, Vorstandsmitglied des Arbeitgeberverbandes:

    "Die Diskussion um die Quote begann ja zu einer Zeit, als man feststellte, dass die Mehrheit der Universitätsabgänger Frauen waren. Gleichzeitig brauchten wir Menschen mit Managementpotential und hatten aber eine Arbeitslosenquote, die gegen Null tendierte. All diese drei Faktoren führten zu einer Veränderung der öffentlichen Meinung. Es hieß: Wer jetzt nicht für Vielfalt sorge, wird mit wirtschaftlichen Verlusten rechnen müssen."

    Knapp 90 Prozent der 460 börsennotierten Unternehmen hat die Quote erfüllt - auch in der männerdominierten Ölbranche. 30 Unternehmen gewährte die Regierung kürzlich eine weitere Schonfrist. Bei manchen mangelt es angeblich an weiblichem Nachwuchs, bei anderen wollen die männlichen Eigentümer noch nicht auf ihren Platz im Aufsichtsrat verzichten, und eine dritte kleine Gruppe von Unternehmern will sich vorerst nicht der Quote beugen. Allerdings - den Rechtsweg, mit dem viele Firmen anfangs gedroht hatten, wagte niemand zu beschreiten - aus Angst vor einem Imageschaden für die Firma. Da in Norwegen die Gleichstellung von Männern und Frauen in Beruf und Familie seit schon seit den siebziger Jahren politisch gefördert wird, will sich niemand von den Medien als frauenfeindlich outen lassen.

    Vom Finanzzentrum am Hafen fährt eine Straßenbahn direkt zum Zentrum der Diplomatie. Im Botschaftsviertel hinter dem Vigelandpark, befindet sich auch die deutsch-norwegische Handelskammer. In der vornehmen weißen Villa residierte früher einmal die Botschaft der DDR. Rolf Engelhardsen, der Präsident der deutsch-norwegischen Handelskammer, sieht die Quote ganz gelassen:

    "Das war eine politische Demonstration und viele tüchtige Frauen haben auch zu mir gesagt, das ist eigentlich eine Schikane gegen uns, denn tüchtige Frauen machen so oder so ihren Weg. Aber es ist dadurch mehr Bewusstsein in diese Problemstellung hereingekommen. Ich glaube, die meisten sagen, gut, das sind die Rahmenbedingungen und fertig damit."

    Engelhardsen sitzt unter anderem im Aufsichtsrat eines deutsch-norwegischen Bauunternehmens. Kritik an der Quote habe es auf der deutschen Seite übrigens nie gegeben, berichtet er. Von den so genannten "Kuschelfaktoren", wie zum Beispiel Teamfähigkeit, Intuition und Einfühlsamkeit, mit denen Frauen angeblich das Klima in den Führungsetagen verbessern, ist in Norwegen übrigens noch nie die Rede gewesen. Dort spricht man von Vielfalt und Kompetenz. Norwegische Unternehmen müssen und wollen wettbewerbsfähig bleiben. Da sind kompetente Frauen in Führungspositionen schon allein aus ökonomischen Gründen langfristig unverzichtbar: schlicht und einfach, weil es nicht mehr ausreichend männliche Führungstalente gibt und die Alten bald in Rente gehen - wie in Deutschland übrigens auch.