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Wenn Unternehmen Sender werden

Podcasts - also Radio zum Herunterladen und Mitnehmen - sind eigentlich ein Amateurmedium. Doch die Landschaft verändert sich, professionelle Angebote werden mehr und finden Akzeptanz: Wie der Deutschlandfunk bieten zum Beispiel viele Radiosender Podcasts an. Auch die PR-Branche hat das Medium entdeckt - und nutzt es für die Unternehmenskommunikation.

Von Thomas Reintjes | 10.12.2005
    " Hey everyone, what’s up, it’s Paris Hilton and welcome to my first podcast. Today it’s Thursday, April 28 2005, just eight days before the opening of my new movie "House of wax"… "

    Paris Hilton - oder ihr Management - war damit absolut auf der Höhe der Zeit. Noch bevor irgendjemand in Deutschland Notiz von Podcasts nahm, nutzte sie das Medium bereits im April, um ihren neuen Film zu vermarkten. Einer der ersten PR-Podcasts - der allerdings nach wenigen Folgen wieder eingestellt wurde. Jetzt, rund ein halbes Jahr, nachdem Podcasts auch in Deutschland populär wurden, wird das Prinzip Audio-Abo auch von Unternehmen hierzulande entdeckt. Eine kluge Idee, meint der Podcaster und Szenekenner Alexander Wunschel:

    " Wenn man im Hinterkopf behält, dass zum Beispiel Apple als Ziel ausgesprochen hat, 320 Millionen iPods zu verkaufen, dass heißt jeder auch mit einem MP3-fähigen Gerät unterwegs ist auf dem Weg zur Arbeit oder im Auto, dann sieht man, dass man da einen neuen Kanal öffnet, das heißt ich erreiche einfach meine Zielgruppen spitzer über kleiner Kanäle. Und so einen Kanal kann ich als Unternehmen natürlich auch selbst mitgestalten und mitmoderieren, inhaltlich. "

    Geringer Streuverlust, überschaubare Kosten und eine große potenzielle Nutzerzahl - Argumente, die offenbar auch bei Mercedes-Benz nicht ungehört blieben.

    " Hallo, hier ist die erste von vier Ausgaben des Mercedes-Benz Podcast. Ich bin Chris Peters und ich begrüße Sie zu unserem Musikmagazin. "

    Erst wenige Tage alt, hält sich dieser Podcast an der Spitze der Download-Charts auf der Online-Musikplattform iTunes. Auch wer keinen eigenen Podcast hat, kann die Zielgruppe dennoch erreichen. Einzelne Podcasts lassen sich bereits sponsorn.

    Während Podcasts also richtig durchgestartet sind, sind Unternehmen bei Weblogs noch zurückhaltend. Schließlich leben Weblogs davon, dass sie von Autoren bestückt werden, die nah an etwas dran sind, die etwas authentisch beschreiben. So macht es beispielsweise der Tiefkühlkosthersteller Frosta, bei dem es Blogger quer durch alle Abteilungen gibt. So ist dann nicht nur zu lesen, welche neuen Produkte es gibt, oder wie toll die Firma ihre Zulieferer kontrolliert, sondern auch ganz Persönliches - wie der Eintrag von Frank Gaida aus der Entwicklungsabteilung:

    " Manchmal kann Entwicklung auch ziemlich dröge sein. So wie heute! Muss Deklarationen erstellen. Das heißt die Rezepturen auseinander "friemeln", Zutaten aufschlüsseln, Spezifikationen auswerten, Nährwerte hin - und her rechnen. Zubereitungsempfehlungen schreiben. Die Sublines und Bezeichnungen müssen festgelegt werden. Danach die Zutatenliste erstellen. Alles wieder neu machen, weil sich jemand eine andere Subline ausgedacht hat. "

    Doch auch ein solcher Eintrag hat Positives: Daraus entwickelte sich in dem Blog eine Diskussion darüber, ob und wie viel Knoblauch in ein Fertiggericht gehört. Dialog mit dem Kunden also, die Marke bekommt ein Gesicht. Trotzdem bereitet es vielen Unternehmern Unbehagen, wenn nicht nur der Pressesprecher mit der Außenwelt kommuniziert. Arne Trautmann, Rechtsanwalt aus München, spricht von Kontrollverlust:

    " Wir haben den Kontrollverlust interessanterweise auf zwei Ebenen. A müssen Sie natürlich im Unternehmen Prozesse aufsetzen, dass keine Betriebsgeheimnisse verraten werden. Andererseits ist es so, dass in Ihrem Blog natürlich Dritte auch schreiben können. Die können Kommentare und Trackbacks hinterlassen und in der Tat, das ist ein Kontrollverlust. "

    Doch ob das Unternehmen nun selber bloggt oder nicht - gesprochen wird über die Produkte in der so genannten Blogosphäre ohnehin. Der Kontrollverlust ist also schon da, wie ganz aktuell das Beispiel Kinderschokolade zeigt. Zuerst wurde in Blogs über das neue Kindergesicht auf der Verpackung diskutiert, dann kochte das Thema hoch. Kevin, das neue Gesicht der Kinderschokolade wollen viele nicht akzeptieren. Aus den Blogs bildete sich eine Protestbewegung, die jetzt den Hersteller Ferrero unter Druck setzt.

    Zu finden ist die Protestseite unter www.weg-mit-kevin.de - rund 50.000 Internetsurfer haben die Petition schon unterzeichnet.