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Wenn Zwiebelmuster auf Edelstahl trifft

In Zeiten von Edelstahloberflächen und grellen LED-Leuchten ist für Romantik kaum Platz. Dass Funktionalität und Perfektion jedoch keinen Widerspruch zu Romantik und heimeligen Wohlbefinden bilden müssen, zeigt die Design-Ausstellung "Isn't it romantic?" in Köln.

Christiane Vielhaber im Gespräch mit Michael Köhler | 14.01.2013
    Michael Köhler: Jetzt kommen wir zu einer sehr kurzen Ausstellung: Die läuft nämlich nur eine Woche, wie ich gerade von Christiane Vielhaber erfahren habe, parallel zur Möbelmesse in Köln, die heute begonnen hat. Zeitgenössisches Design wird da präsentiert, "zwischen Poesie und Provokation", so heißt die Ausstellung im Kölner Museum für Angewandte Kunst. Worum geht es da, um die Suche oder Sehnsucht nach Romantik heute im Design?

    Christiane Vielhaber: Entscheidend ist ja, dass die Ausstellung mit einer Frage beginnt. Sie sagt, "Isn't it romantic?", und dann erwartet sie von dem Betrachter eine Antwort. Man geht ja davon aus: Sie stellen das hin, die Kuratoren finden das romantisch und fragen uns, seht ihr das ganz genauso. Nur ist die Frage, was ist Romantik, und ich muss dazu sagen, dass im Katalog von Max Weber über andere Philosophen, über Maler wie Caspar David Friedrich, über die Sturm-und-Drang-Zeit, alles zitiert wird. Aber Ausgangspunkt dieser Ausstellung ist eigentlich die Behauptung, wir haben eine Sehnsucht nach Romantik, und da könnte man sagen, "Trautes Heim Glück allein", was man früher schon mal Cocooning nannte, den Rückzug. Es geht jetzt auch nicht mehr so darum, was "Architektur und Wohnen" oder "Schöner Wohnen", was solche Zeitschriften propagieren, sondern mein Haus und Garten und so was alles.

    Köhler: Millionenauflage!

    Vielhaber: Rückzug in eine Idylle, Sehnsucht nach Harmonie in diesen unseren krisengeschüttelten Zeiten, und dann fragt man sich natürlich, wie kann die Sehnsucht nach Idylle, nach Harmonie …

    Köhler: Ins Möbel finden!

    Vielhaber: Ja! – Die Ausstellung ist zweigeteilt. Im ersten Teil ist es so, dass man Objekte gesucht hat, die schon auf dem Markt sind, die Sie also kaufen können. Möglicherweise könnten Sie die auch teilweise auf der Möbelmesse bestellen. Und man hat dort etwas von Idylle gezaubert. Man hat kleine Räumlichkeiten geschaffen, zum Beispiel ein Boudoir mit einer Badewanne, die eigentlich ein Trog ist, was man früher hatte.

    Köhler: Das ist ja ziemlich angesagt, so ein Bäderdesign.

    Vielhaber: Oder eine Lampe von Philippe Starck, richtig scharf ist die. Die heißt "Mary Poppins" und das ist ganz teueres Baccarat-Kristall, also so Lüster und unten dann ein Regenschirm und oben dann so ein weiß gespannter Schirm, der das Licht auch reflektiert. Das könnte man sich vorstellen, dass das in einem gewissen Ambiente etwas romantisch wirkt.

    Aber romantisch wird dann auch begriffen, dass man zum Beispiel etwas sticken lässt oder so. Und im zweiten Teil wird Romantik definiert: praktisch zurück zur Natur. Da werden, man kann nicht sagen Möbel, aber zum Beispiel eine Lampe aus Hanf, die sieht aus wie so eine Schlange von so einem Schlangenbeschwörer, ein Teppich aus Hanf, und Sie haben dann einen Film. Dann sehen Sie, wie Hanf hergestellt wird, wie das gesät wird, wie das geerntet wird – also in diesem Sinne zurück zur Natur. Oder Stühle, und die sehen so bäuerlich aus, so wie Melkschemel, und dann kommt aber der Trick: Der Künstler lässt diese rohen Holzmöbel nach Japan schicken und da sind die Lackierer, die das in, ich weiß nicht, Jahrelangen, nein monatelangen Zeiten richtig toll lackieren.

    Köhler: Wenn ich mir die Küchen oder den Automobilbau angucke, die glatten Flächen, der viele Edelstahl, der verbaut wird – bei LEDs und Zeitschaltuhren will mir nicht Romantik einfallen. Aber gibt es so was wie eine Materialromantik? Sie haben gerade von Hanf und Holz gesprochen. Gibt es eine Spielromantik? Taucht die wieder auf, oder ist das Nippes?

    Vielhaber: Ja Sie haben zum Beispiel Gartenstühle, die haben mich an 50er-Jahre erinnert, so zierliche Stühlchen. Was mich romantisch gestimmt hat, ist, dass eine Künstlerin oder eine Designerin zum Beispiel Birnen blasen lässt. Die sehen jetzt so aus wie zerlaufene Zeit bei Dalí. Das sind alles Rückgriffe und Retros. Aber dann denkt man, es gibt ja gar keine Birnen mehr, und insofern ist da eine Romantik, eine Retroromantik doch angesagt.

    Köhler: Mir fällt auf - Sie haben das Stichwort fallen lassen – von Philippe Starck so eine Internationalisierung eines wie auch immer gearteten romantischen Stils. Wirklich von Bonn bis New York hat Philippe Starck teuere Hotels eingerichtet mit diesen Kristall-Leuchtern, die Sie genannt haben, mit plüschigen Sofas in Rot und Gold und so weiter. Ist das nicht eher so: Verwechseln wir da nicht eher Romantik mit Chillen, mit so einer Loungeatmosphäre, mit so einem Bargefühl?

    Vielhaber: Ja absolut! Und Sie können nicht das romantische Gefühl des späten 18. Jahrhunderts und frühen 19. Jahrhunderts, was diese Ausstellungsmacher tun, verbinden. Sie können nicht sagen, dass da ein vergleichbares Lebensgefühl ist. Das geht nicht! Aber Sie haben Spaß an einigen wirklich witzigen Sachen, wie zum Beispiel an zwei Gummistiefeln aus Porzellan, Meissner Porzellan und dann das Zwiebelmuster, und dann heißt das auch "Wassergerechte Zwiebel".

    Köhler: "Isn't it romantic?", auf der Suche nach dem romantischen Gefühl - heute parallel zur Möbelmesse eine eine Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst. Christiane Vielhaber war das.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.