Fischer: Günter Nenning, der Herausgeber selbst, kokettiert ja sogar mit diesem Etikett, das viele österreichische Autoren auch im Ausland haben. Er sagt, ein anständiger österreichischer Autor liebt Österreich, indem er Österreich heruntermacht, und Nenning will selbstverständlich diese Kritik mit in den Koffer packen.
Menasse: Ja, aber genau diese Terminologie von Günter Nenning zeigt ja, wie problematisch genau dieser Ansatz ist. Was heißt anständiger Autor? Was ist Anstand in diesem Zusammenhang? Und zweitens, was heißt heruntermachen? Die österreichischen Autoren sind zurecht darauf stolz, dass, wenn sie sich mit den Bedingungen ihres Lebens und Schreibens, mit der gesellschaftlichen Realität, in der sie wirksam sind, auseinandersetzen, sie dies analytisch tun. Es besteht für keinen Autor einen Grund, Interesse oder Anlass, etwas herunterzumachen, damit er beweist, dass er anständig ist. Es geht um die analytische Auseinandersetzung, und die wird in Wahrheit in diesem Land als Skandal empfunden, einem Land, in dem noch ein großer Untertanengeist herrscht und in dem von Seiten der Regierung eigentlich immer nur weihrauchschenkende Sätze erwartet werden oder Sätze von zeitloser ästhetischer Schönheit, wenn es um Kunst geht.
Fischer: Besteht denn die Gefahr, dass es eine Spaltung gibt innerhalb der Autorinnen und Autoren Österreichs, dass also diejenigen, die ihre Werke im "Austrokoffer" belassen, auf der anderen, auf der falschen Seite stehen?
Menasse: Im Gegenteil. Gerade der jetzige Kunststaatssekretär hat ja mehrmals versucht, revanchistisch die Kritik der österreichischen Autoren an ihm und der Regierung zu bestrafen. Er hat immer wieder versucht, österreichische Autoren zu spalten, sie gegeneinander auszuspielen, dort etwas zu kürzen, dort etwas zu versprechen und so weiter. Das hat nicht funktioniert, sondern im Gegenteil, immer dazu geführt, dass die Solidarisierung und das politische Bewusstsein der österreichischen Künstler eigentlich immer schärfer geworden sind. In politischen Fragen gibt es in Österreich in der Kunstszene eine Einigkeit gegen diese Regierung wie nie zuvor.
Fischer: Vielen Dank für das Gespräch.