Montag, 06. Mai 2024

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Widerstand gegen Zusammengehen mit der PDS

Bei den ostdeutschen Landesverbänden der "Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit" wächst der Widerstand gegen ein Zusammengehen mit der PDS. Das Mitglied des kommissarischen Landesvorstands in Sachsen, Tilo Wirtz sagte, er lehne wie seine Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen eine Fusion ab. Man befürchte, dass sich die dort vorhandene Aversion gegen die PDS auf die Wahlalternative übertragen könne.

Moderation: Friedbert Meurer | 08.06.2005
    Friedbert Meurer: In Wiesbaden haben heute Vertreter der neuen Partei Wahlinitiative Arbeit und soziale Gerechtigkeit, WASG, und die PDS einen Termin beim Bundeswahlleiter. Es geht darum, wie beide Parteien bei der anstehenden Bundestagswahl im September zusammengehen können. Noch diese Woche soll dann der Beschluss fallen. Die PDS würde danach ihren Namen ergänzen, ändern, zum Beispiel um "demokratische Linke", und auf der PDS-Liste würden auch WASG-Vertreter aufgenommen werden. Gegen dieses Verfahren rührt sich aber Widerstand bei den ostdeutschen Landesverbänden der WASG, auch bei Tilo Wirtz, Mitglied im Vorstand der WASG Sachsen und nun am Telefon. Herr Wirtz, was haben Sie denn gegen die PDS?

    Tilo Wirtz: Das ist eigentlich eine zweistufige Frage. Es geht erst mal nicht um eine Gegnerschaft zur PDS oder eine Skepsis gegenüber der PDS, sondern auch um eine Ablehnung des Zustandekommens dieses ganzen Verfahrens. Die Wahlinitiative hat sich ja vor einem Jahr gegründet aus dem Aufruf einiger ehemaliger SPD-Mitglieder und Gewerkschaftler, die gesagt haben, dass sie eben gerade am Punkt Hartz IV die Politik der SPD nicht mehr mittragen können. Sie sind dann aus der Partei ausgeschlossen worden, haben einen Verein gegründet, der in die Parteigründung übergegangen ist. Jetzt haben unsere Freunde in NRW einen Wahlkampf geführt, haben dort eigentlich ohne Mittel und ohne weitere Unterstützung, auch von den Medien nicht sehr beachtet, ein ganz beachtliches Ergebnis hingelegt. Seit den Tagen darauf, wo Oskar Lafontaine die SPD verlassen hat und Gerhard Schröder die Wahlen und die Vertrauensfrage angekündigt hat, haben wir eine ganz neue Partei.

    Meurer: Das heißt, Sie haben nichts an sich gegen eine Zusammenarbeit mit der PDS, sondern gegen die Art und Weise, wie sie eingefädelt wird?

    Wirtz: Es geht um den Sachzusammenhang, aber auch um die Art und Weise, weil es nicht nur um eine soziale Politik, um Gerechtigkeit geht, sondern es geht auch um das Verfahren der Politik. Es geht um die Verfahren in Parteien. Es geht darum - das steht im Aufruf der Initiative -, dass nicht mehr alles einfach von oben nach unten durchgeboxt wird. Das heißt, ich als Landesvorstand erfahre von den Verhandlungen im Wesentlichen aus den Medien. Wir werden am Schluss sicherlich dann vor vollendete Tatsachen gestellt, und das ist eigentlich mit dem neuen Ansatz von Demokratie, den wir eigentlich im Sinn hatten, meines Erachtens nicht vereinbar. Die Gründung einer neuen Partei ist wirklich eine große Arbeit, und wenn jetzt wieder diese Spiele wie in den anderen Parteien anfangen, dass die Vorstände machen, was sie wollen, dann funktioniert das so nicht.

    Meurer: Sind Sie dafür oder dagegen, dass es eine gemeinsame Partei gibt, die bei der Bundestagswahl antreten soll?

    Wirtz: Ich bin dagegen. Ich denke nicht, dass die Wählerinnen und Wähler das gutheißen werden. Ich denke, dass das als Etikettenschwindel und Stimmbeschaffungsaktion für die PDS entlarvt wird. Wir, die wir dagegen sind, fühlen uns da auch ein Stück missbraucht. Man hat das Zusammengehen mit der PDS immer ausgespart, auch aus dem Bewusstsein heraus, dass das die WASG vor die Zerreißprobe stellt. Wir haben also da ganz entschiedene Gegner, auch hier im Landesverband, in anderen Landesverbänden auch in den Altbundesländern. Es ist ja nicht so, dass sich dort kein Widerstand regt. Es gibt da ganze Kreisverbände, die Beschlüsse gefasst haben, die dagegen sind, weil dort eigentlich auch gesehen wird, dass mit der PDS zusammen sozusagen die Aversion, die gegen die PDS besteht, aus welchen Gründen aus immer, sich auf die WASG überträgt.

    Meurer: Diese Aversion, woher kommt sie? Aus der Vergangenheit der PDS?

    Wirtz: Die kommt aus der Vergangenheit ganz sicherlich, die ungeklärt ist. Das heißt, wir haben teilweise wirklich das Verhältnis, dass wir uns mit den Staatsbürgerlehrern von vor 20 Jahren fraternisieren müssen, was wir nicht wollen. Die besteht aber auch darin, dass die PDS von ihrer Gegnerschaft zu Hartz IV überhaupt nicht profitieren konnte. Sie hat in Sachsen und in anderen Bundesländern an Stimmen nicht zugelegt. Die PDS ist ganz schlecht zu erfassen in ihrem Profil. Wer ist denn die PDS? Ist es Sara Wagenknecht und die kommunistische Plattform? Ist es der Wirtschaftssenator Wolf in Berlin? Der wird sehr kritisiert, auch aus der linken Ecke. Oder ist es wirklich dann das Treffen der ehemaligen Parteisekretäre der SED? Ich weiß es nicht. Es ist uns gelungen, sehr viele Menschen zu gewinnen, die sich noch nie mit Politik beschäftigt haben, die einfach nicht mehr ausgehalten haben, was sich in den so genannten etablierten Parteien zuträgt, und die fühlen sich natürlich hintergangen. Bei der Mitgliederwerbung haben wir es auch zu tun mit einer ganz großen Skepsis gegen die Institution Partei. Wir haben sehr viele Menschen, die dem Verein beitreten, aber sie sagen, mit der Struktur der Partei, mit diesen Machtkämpfen wollen wir nichts zu tun haben. Die stehen jetzt am Rand und sagen, seht ihr, so ist es, jetzt werdet ihr verkauft. Das ist eigentlich das, wo wir sagen, so kann es nicht gehen.

    Meurer: Werden Sie innerhalb der WASG den Zusammenschluss mit der PDS noch verhindern können?

    Wirtz: Eigentlich schon. Wir haben uns mit den Landesvorständen von Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen letzte Woche in Leipzig getroffen und einen Aufruf verfasst, wo wir eigentlich fordern, dass die Parteigremien und die Basis einbezogen werden in die Entscheidungen. Aber das müsste eigentlich vor den Verhandlungen gemacht werden. Wenn die Verhandlungen von einer Mehrheit der Basis als schädlich betrachtet werden, würde ja, wenn die Verhandlungen geführt sind, etwas hängen bleiben.

    Meurer: Der Bundesvorstand sagt ja, es gibt hinterher eine Urabstimmung. Erstens, ist das ein Ausweis innerparteilicher Demokratie? Zweitens, werden sich da die Westlandesverbände durchsetzen?

    Wirtz: Das weiß ich nicht. Keiner weiß, wie die Mehrheitsverhältnisse sind. Selbst wenn die Mehrheitsverhältnisse, zu welcher Seite auch immer, 55 Prozent zu 45 Prozent ausgehen, ist es ein gutes Signal für ein Zusammengehen mit einer anderen Partei. Es ist eine Grundsatzentscheidung, die für eine der beiden Seiten das KO bedeutet, die für eine der beiden Seiten nicht tragbar ist. Es ist auch so, wer die Perspektive dieser Partei auf die 5-Prozent-Hürde der PDS im September reduziert, der beendet die Perspektive der Partei, und die ist viel breiter angelegt. Es ist nie von einem linken Projekt die Rede gewesen. Wir wollten eigentlich ideologisch nicht verortet sein. Wir haben Leute mit ganz verschiedenem Hintergrund. Sie kommen aus den Kirchen, aus der globalisierungskritischen Ecke, selbst welche, die aus der PDS ausgetreten sind, und das sind auch noch diejenigen, die sagen, wunderbar, jetzt kommen wir durch die Hintertür wieder rein, dann machen wir uns vollständig lächerlich. Das ist die Situation, vor der wir stehen.

    Meurer: Besten Dank für das Gespräch.