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"Wieder nichts bewegt"

Martin Kaiser, Klimaexperte bei Greenpeace, hat auf der Bonner UN-Klimazwischenkonferenz entscheidende Fortschritte vermisst. Den Verhandlungen fehle der politische Druck. Kaiser forderte Deutschland auf, innerhalb der EU auf konsequenten Klimaschutz zu drängen. Insbesondere die USA versuchten systematisch, diesen Prozess in die Länge zu ziehen.

Martin Kaiser im Gespräch mit Britta Fecke | 17.06.2011
    Britta Fecke: Was kommt nach 2012? Welches Land verpflichtet sich, klimaschädliche Emissionen einzusparen, und in welcher Vertragsform wird es festgeschrieben? Das Kyoto-Protokoll gilt nur bis 2012. Dann endet die erste Verpflichtungsperiode. Ein Folgevertrag, der auch die Länder mit einbezieht, die Kyoto nicht ratifiziert haben, wie die USA, oder die schnell wachsenden Schwellenländer wie China, den gibt es noch nicht. Zwischen den Weltklimakonferenzen treffen sich deshalb die Klimabeamten, um über neue Vertragsformen zu verhandeln, in denen sich bestenfalls alle Staaten nach ihren Möglichkeiten an der Einsparung von CO2-Emissionen beteiligen sollen. Die Streitpunkte sind dabei seit Jahren immer dieselben: Wer verpflichtet sich, wie können die aufstrebenden Schwellenländer wie China und Indien mit ins Boot geholt werden, wie die USA, und wer zahlt die Zeche für die ärmsten Länder, die schon jetzt völlig unverschuldet unter den Folgen des Klimawandels leiden? - Ich bin jetzt verbunden mit Martin Kaiser, Klimaexperte bei Greenpeace. Herr Kaiser, Sie haben die Verhandlungen zwei Wochen lang in Bonn begleitet. Hat sich irgendetwas bewegt, ist irgendein Bauteil für die sogenannte neue Klimaarchitektur verschraubt worden?

    Martin Kaiser: Bei den großen politischen Fragen hat sich leider in Bonn auch wieder nichts bewegt, aber das war auch nicht zu erwarten, denn es ist wirklich auf halbem Wege bis zur nächsten Vertragsstaatenkonferenz in Südafrika und es sollte hier eigentlich in erster Linie darum gehen, viele technische Fragen abzuräumen, dass am Ende des Jahres dann die politischen Entscheidungen getroffen werden können.

    Fecke: Sie sprechen sie an, die technischen Fragen. Um welche ging es dort?

    Kaiser: Es ging vor allem um die Frage, wie kann man die Ausbringung von erneuerbaren Energien in Entwicklungsländern organisieren, denn dort ist ja auch ein riesiger Energiebedarf, wo jetzt die Investitionsentscheidungen getroffen werden müssen, und da geht es natürlich darum, nicht auf Öl oder auf Kohle zu setzen, sondern eben auf erneuerbare Energien.

    Fecke: Also Technologietransfer ist das Stichwort?

    Kaiser: Genau. - Oder beim Waldschutz, dass man sich darauf einigt, wirklich mit gleichen Methoden zu ermitteln, wie viel Waldfläche jedes Jahr vor allem in den Tropen verschwinden, und wie auch zum Beispiel durch Holznutzung der Wald degradiert werden kann. Um solche Fragen hätte es hier gehen sollen. Leider ist noch viel zu wenig davon im Konsens beschlossen worden.

    Fecke: Beim Waldschutz gab es aber schon Fortschritte, auch auf der letzten Weltklimakonferenz, oder?

    Kaiser: Australien und Norwegen haben angekündigt, dass sie Geld für Workshops in diesem Jahr noch zur Verfügung stellen wollen, um in Südafrika dann das Thema Waldschutz tatsächlich abschließen zu können. Allerdings auf der Verhandlungsebene haben wir festgestellt, dass zum Beispiel dieser einheitliche Standard für die Waldflächenermittlung jetzt aufgeweicht wurde und gesagt wurde, es kann auch mehrere Standards geben, was natürlich nicht zielführend ist.

    Fecke: Wenn wir auf die Emissionsminderung blicken, haben sich die USA oder China irgendwie bewegt?

    Kaiser: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil! Es ist immer wieder feststellbar, wie die USA systematisch versucht, diesen Prozess in die Länge zu ziehen. Es hat sich auch hier herauskristallisiert, dass es sehr fragwürdig ist, ob die USA auch langfristig Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel oder bei der Ausbringung von erneuerbaren Energien finanziell unterstützen wird, und die USA hat auch bei den Verhandlungen fallen lassen, dass erst 2020 dieser sehr träge Verhandlungsprozess überprüft werden soll.

    Fecke: Der frühere Leiter des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, hat gesagt, ich zitiere, es gebe "keinen politischen Willen, Kyoto mit Leben zu füllen". Schließen Sie sich diesem pessimistischen Satz an?

    Kaiser: Nein! Yvo de Boer arbeitet mittlerweile für die Wirtschaft und welche Interessen ihn zu dieser Aussage geleitet haben, sei mal dahingestellt. Was klar ist: Diesen Verhandlungen fehlt der politische Druck und gerade Deutschland, das noch sehr stark mit der innerdeutschen Energiedebatte beschäftigt ist, muss jetzt dringend innerhalb der Europäischen Union politischen Druck zu konsequentem Klimaschutz drängen. Denn wenn das nicht passiert bis Ende des Jahres, dann, glaube ich, stellt sich die Frage, ob Kyoto riskiert wird. Aber Kyoto ist das einzige Instrument, wo man Staaten auch sanktionieren kann, die sich nicht an vereinbarte Klimaschutzziele halten, und es ist das einzige Instrument, wo man auch ohne die USA jetzt weiter verhandeln kann.

    Fecke: Sie begleiten ja schon seit Jahren alle Konferenzen, auch diese Zwischenkonferenzen in Bonn. Was glauben Sie, wird man bis Südafrika, wenn die nächste Weltklimakonferenz ist, wird man bis dahin irgendeinen Schritt weiter sein?

    Kaiser: Momentan schaut es sehr kritisch aus, und wenn es jetzt wirklich nicht der Bundeskanzlerin gelingt, auch auf der internationalen Ebene eine Energierevolution zu starten und den Klimaschutz wirklich wieder zu einer Top-Priorität zu ernennen, dann wird es unmöglich sein, in Durban wirklich weiterzukommen.

    Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzungen. - Martin Kaiser war das, Klimaexperte bei Greenpeace, zum Ende der UN-Klimaverhandlungen in Bonn.