Samstag, 18. Mai 2024

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Zehn Jahre "Geographie für Alle"

Der Geografiestudent André Hoffman führt die Gruppe nicht nur zu den Postkartenmotiven, sondern auch in die Hinterhöfe und durch abgelegene zugige Gassen der Mainzer Altstadt. Er weist auf die Straßenschilder Fischtor und Fischergasse und auf verblasste Aufschriften wie Fischhalle, die zeigen, welche zusätzliche Bedeutung der Rhein für den Handel in der Domstadt hatte,

Von Anke Petermann | 22.04.2004
    ... und manchmal kann man sogar den alten Fisch auch noch riechen, was daran liegt, dass es hier ein Fischgeschäft noch gibt, nämlich an der Vorderseite den Fisch Jacob. Das ist das, was wir in der Geografie Persistenz nennen, also dass ein bestimmtes Gewerbe an seinem Platz geblieben ist, obwohl die Standortfaktoren längst weggefallen sind...

    Mit Hilfe von alten Fotos und Dokumenten lässt Hoffmann die Teilnehmer der Führung hinter die hübsch restaurierten Fassaden der Mainzer guten Stube blicken, die früher das Armenviertel der Stadt war. An Beispielen erklärt er verschiedene Sanierungsmodelle. Die Zuhörer sind beeindruckt von der Präsentation.

    Für mich war einiges neu, obwohl ich ja so oft in Mainz bin. Ich habe ne ganze Menge hier gelernt. - Es hat ein bestimmtes Niveau, es werden nicht so dumme Anekdoten erzählt wie bei anderen Führungen. Es ist eine schöne Sache.

    Wer in den Metropolen oder den Naturräumen des Rhein-Main-Gebiets eine Führung von "Geographie für Alle" bucht, kann sich darauf verlassen, statt abgestandener Anekdötchen wissenschaftlich abgesicherte Informationen serviert zu bekommen, und das nicht im Stil eines heruntergeleierten Referats. Geografie-Professor Günter Meyer, Mentor des Projekts:

    Die Studierenden müssen ein dreitägiges Seminar belegen, wo sie detailliert im Bereich Exkursionsdidaktik unterwiesen werden, wo sie lernen, wie trete ich auf, wie spreche ich frei vor einer Gruppe, und genau das sind natürlich Qualifikationen, die später im Berufsleben gefordert werden.

    André Hoffmann steht im Examen und strebt eine Arbeit im Bereich Stadtplanung oder – sanierung an. Er hofft, dass seine Qualifikation als wissenschaftlicher Stadtführer ihm die Jobsuche erleichtert. Jan Urhahn ist im dritten Semester und arbeitet sich gerade neu bei Geografie für alle ein. Als einer von acht Studierenden bereitet er eine neue Mainz-Führung mit vor, die das Schlagwort Globalisierung erhellen soll. Dafür recherchieren die Studierenden bei Großunternehmen und Globalisierungskritikern und suchen Orte heraus, an denen sich der weltweite Austausch von Waren und Informationen konkretisieren lässt.

    Wir wollen nicht nur Erwachsene ansprechen, sondern auch Schulklassen, gerade auch Leistungskurse, die sich mit Politik oder Geografie oder Geschichte auseinandersetzen.

    Vorläufer dieses Führungstyps, der auf aktuelle politische und wirtschaftliche Entwicklungen antwortet, ist die Exkursion "Orient und Okzident in Mainz". Sie informiert unter anderem darüber, wie muslimische Migranten in der Stadt zurecht kommen und ist damit Teil der wissenschaftlichen Arbeit am Geographischen Institut. Professor Meyer:

    Wir haben dazu gezielte wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, Befragungen durchgeführt mit Schlüsselpersonen, aber auch in Schulen, Asylbewerberheimen, wir haben Kartierungen gemacht über alle Migranten aus dem Vorderen Orient, die Unternehmen in Mainz eröffnet haben, um so die verschiedenen Aspekte der Integration insbesondere muslimischer Zuwanderer zu erfassen. Da sind eine Reihe von wissenschaftlichen Ergebnissen neu mit herausgekommen.