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Wieviel ist kreative Arbeit wert?

Der Bundesverband der Fernseh- und Filmregisseure streitet mit dem ZDF um eine angemessene Vergütungsregel. Dabei geht es um die Festlegung eines verbindlichen Mindestlohns für Regisseure. Weil man sich darüber nicht einig wird, soll das Oberlandesgericht München nun schlichten.

Von Vera Linß | 20.02.2010
    "Mittwochsfilm im Zweiten. – Ja, ich hab's verbockt. Genauso wie mein Abitur, meine Ausbildung und meine Beziehungen zu all diesen komischen Männern. – Damit ist jetzt Schluss. – Altenpflege erfordert Mut. – Doch der Ernst des Lebens kann ganz schön schräg sein. Lotta und die alten Eisen. Mittwoch, 20.15 Uhr im ZDF."

    Sie sind ein Aushängeschild des ZDF – die fiktionalen Formate, von leichter Kost bis zum großen Geschichtsdrama. Was der Zuschauer nicht weiß: All diese Filme sind Auftragswerke. Das heißt, sie werden von externen Produktionsfirmen für das ZDF hergestellt. Für die Kreativen bedeutet das: Ihre Bezahlung richtet sich nicht nach dem ZDF-internen Tarifvertrag. Sie müssen ihre Honorare frei aushandeln.

    Einen verbindlichen Mindestsatz gibt es dafür aber nicht, erklärt Jürgen Kasten, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Fernseh- und Filmregisseure:

    "Es geht darum, den gesetzlichen Anspruch auf angemessene Vergütung auszufüllen. Angemessene Vergütung klingt gut, ist aber ein abstrakter Rechtsbegriff. Wir müssen die Zahlen dafür finden, was eine angemessene Vergütung für einen Regisseur im Fernsehen und insbesondere in Fiktion und insbesondere in Auftragsproduktionen der Sender ist."

    Seit 2002 erlaubt das Urhebervertragsrecht, eine allgemein verbindliche Vergütungsregel festzulegen, die wie ein gesetzlicher Mindestlohn funktioniert und Rechtsschutz gibt. Wenn ein Honorar unter diesem Mindestsatz läge, hätte der Regisseur Anspruch auf eine entsprechende Erhöhung. Rund 30.000 Euro sollte mindestens für die Regie eines 90-minütigen Filmes gezahlt werden, meint Jürgen Kasten. Dabei geht es aber nicht nur um die reine Arbeitsleistung.

    Kasten: "Es geht auch darum, Folgevergütungen, Wiederholungshonorare zu definieren. Es geht vor allem darum, diesen ganz neuen Bereich der digitalen Verwertung – die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben große Telemedien-Konzepte vorgelegt, die ihnen ermöglichen würden, wenn sie genehmigt sind, die Werke digital unendlich zu verwerten. Das ist völliges Neuland. Auch dafür müssen wir Vergütungsparameter finden."

    Doch die Verhandlungen darüber drehen sich – so der Regieverband – seit Jahren im Kreis. Nach langen Gesprächen erklärten sich die Produzenten für nicht zuständig, weil die Verwertungsrechte aus Filmen bei den Sendern lägen, zum Beispiel beim ZDF. Dort wiederum verwies man zurück auf die Produzenten.

    Deshalb fordert der Regieverband jetzt die Einrichtung einer Schlichtungsstelle beim Oberlandesgericht München. Darüber soll festgestellt werden, wer die Gespräche über Vergütungsregeln führen muss. Peter Weber, der stellvertretende Justiziar des ZDF, zeigt sich überrascht:

    "Wir sind insoweit verwundert, als wir uns nicht verweigert haben. Wir haben die Gespräche gemeinsam mit den Produzenten angeboten und halten Branchenlösungen auch für sinnvoll. Gerade angesichts eines veränderten Nutzungsverhaltens in der digitalen Welt gibt es durchaus einen Anpassungsbedarf bei den Vergütungssystemen."

    Den Regisseuren reicht dieses Verhandlungsangebot ohne genaue Feststellung der Zuständigkeit nicht. Sie möchten Rechtssicherheit.

    Es geht ihnen jedoch um mehr als sichere Honorare. Jürgen Kasten, der seit über 20 Jahren im Geschäft ist, kritisiert den Trend zum Dumping in der Branche. Immer mehr werde an Budgets gespart, Drehtage gekürzt, Arbeitszeiten verlängert. Die Zahl an Auftragsproduktionen nehme zu, so der Chef des Regieverbands.

    "Auftragsproduktionen dienen dazu, Tarifverträge zu umgehen. Und das hat einfach in den letzten Jahren extensiv zugenommen. Die Öffentlich-Rechtlichen haben nicht nur in der Programmqualität, sondern vor allen Dingen in den Vertrags- und Arbeitsbedingungen zunehmend Strukturen der Privatsender übernommen und das geht nicht. Die Öffentlich-Rechtlichen haben einen anderen Auftrag und sie haben eine größere Verpflichtung auf soziale Gerechtigkeit, als das ein Bertelsmann-Konzern hat."

    Das ZDF gilt für die Regisseure als Präzedenzfall, um allgemein gültige Vergütungssysteme durchsetzen. Weil der Sender im Fiktion-Bereich zu 100 Prozent auf Auftragsproduktionen setze, sei hier die Regelungslücke besonders groß. Nach gewonnener Schlacht will man später weiter nach Köln ziehen – zu den Privaten. Hier, so Kasten, sei die Problemlage noch gravierender als beim ZDF.