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Windkraft im Norden, Solarkraft im Süden

Über vierzig Jahre hinweg gesehen wird es für die deutschen Verbraucher günstiger, wenn ihr Strom ortsnah aus Wind und Sonne entsteht statt aus Kohle und Gas. Das ergibt eine Studie des Instituts Prognos. Allerdings müsse Deutschland dafür auf die besten Technologien setzen, merken Verbraucherschützer an.

Von Philip Banse | 10.10.2013
    Das Institut Prognos hat im Auftrag des größten Solaranlagenbauers Europas Belectric untersucht: Wie teuer ist Strom aus Wind, aber vor allem aus großen Solaranlagen auf freien Flächen im Vergleich zu Strom aus Kohle und Gas? Dabei kam heraus, dass über 40 Jahre gesehen im Norden Deutschlands Strom aus Wind am günstigsten zu erzeugen ist, sagt Frank Peter, Energieexperte des Prognos Instituts:

    "Wir sehen aber auch ganz klar, dass die solare Freifläche im Süden auch im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken mit Inbetriebnahme heute und über zwei Investitionszyklen sehr, sehr wahrscheinlich die günstigste Energieerzeugungstechnik sein wird."

    Wind- und Sonnenstrom sollen demnach für knapp acht Cent je Kilowattstunde zu erzeugen sein – dabei geht die Studie jedoch davon aus, dass es sehr teuer ist, CO2 in die Luft blasen, sprich die Kosten für Gas- und Kohlekraftwerke sehr hoch sind. Der Preis für eine Tonne CO2 soll demnach bis auf 35 Euro ansteigen – heute kostete das Verschmutzungsrecht für eine Tonne CO2 knapp vier Euro. Am billigsten ist Strom aus Wind und Sonne also nur, wenn massive politische Klimaschutzmaßnahmen dafür sorgen, dass CO2-Verschmutzungsrechte erheblich teurer werden. Ob das passiert, ist mindestens offen. Prognos kommt auch zu dem Schluss, dass Strom aus Sonne und Wind am besten in Deutschland erzeugt wird, dort, wo er verbraucht wird. Ein Import aus dem noch sonnigeren Spanien oder dem windigeren Norwegen sei zu teuer:

    "Der Kostenvorteil von Freiflächen-Solarkraftwerken in Südeuropa gegenüber Deutschland ist, wenn man den Transport heute bei Licht betrachtet, eigentlich nicht mehr gegeben. Das Petitum wäre eher, wenn wir auf solare Energien für den Energiemix in Deutschland zurückgreifen wollen, das lieber hier heimisch zu investieren und sich nicht darauf zu verlassen, dass man das in Italien und Spanien macht und man den Strom dann importieren kann."

    Der Verbraucherschützer Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen kommentiert die Erkenntnisse der Auftragsstudie positiv:

    "Das, was sich die Verbraucher sich wünschen, nämlich Kosteneffizienz und Dezentralität, das ist technisch und wirtschaftlich darstellbar."

    Auch wenn Strom aus Wind und Sonne bald billiger sein soll als Strom aus Kohle und Gas – Förderung müsse weiterhin sein, sagt die Prognos Studie. Denn erneuerbare Energien haben die Eigenschaft, de facto im Überfluss da zu sein, was die Preise natürlich immer weiter drückt. Die Kosten für Windräder und Solaranlagen blieben aber erhalten. Mit der aktuellen Förderung könnten große Solaranlagen jedoch nicht überleben, sagt Prognos:

    "Wir glauben, dass es nach 2013 sehr, sehr schwierig wird, Freiflächen-Solarkraftwerke noch wirtschaftliche zu betreiben."

    Die Begrenzung der Förderung von Solaranlagen müsse wegfallen. Um aber die Kosten für die Verbraucher im Griff zu behalten und mit der eingesetzten Förderung so viel Ökostrom wie möglich zu bekommen, schlägt Verbrauchschützer Krawinkel vor, die Förderung auf neun Cent pro Kilowattstunde runter zu fahren und die Ökostromproduktion dann auszuschreiben. Der Gedanke geht so: Der Staat will, dass 2020 40 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. Dazu müssten in Deutschland pro Jahr etwa 13 Terawattstunden zusätzlicher Strom erzeugt werden, sagt Krawinkel. Wenn das – wie jetzt von Prognos berechnet – acht Cent pro Kilowattstunde kostet, müsste Deutschland pro Jahr 500 Millionen. Euro ausgeben, um seinen Ökostrom zu erzeugen. Diese Aufgabe müsse ausgeschrieben werden, sagt Verbrauchschützer Krawinkel: Welcher Betreiber kann das mit welcher Technik am besten? Und der bekommt den Auftrag.

    "Das ist eine klare Aufteilung zwischen politischer Entscheidung, welche Menge will ich haben und wie viel Geld stelle ich dafür zur Verfügung, also, was will ich dafür bezahlen, und dann regelt der Markt im Prinzip den Rest, indem letztlich für die zur Verfügung gestellte Menge Geld, das Maximum an erneuerbaren Energien herausgeholt wird."

    Mit diesem Ausschreibungsprinzip habe Deutschland etwa seinen Nahverkehr auf der Schiene extrem verbessert, sagt Krawinkel: Für das gleiche Geld gebe es heute 50 Prozent mehr Nahverkehr als vor den Ausschreibungen.