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Windows und iOS
Microsoft umgarnt die Programmierer für die Apple-Plattform

Windows 10 wurde einmal als Betriebssystem für alle Geräte und auch alle Apps, ob von Apples iOS oder Googles Android, angekündigt. Um die Android-Apps ist es still geworden, Apple-Programmierer werden von Microsoft aber weiter umworben. Die Hintergründe erläutert Achim Killer.

Von Achim Killer | 23.01.2016
    Manfred Kloiber: Herr Killer, wie sicher ist es denn, dass Microsoft den Plan, Android-Apps unter Windows laufen zu lassen, tatsächlich aufgegeben hat.
    Achim Killer: Ziemlich sicher. Man merkt das, wenn man mit Microsoft-Leuten spricht, mit denen, die dazu sprechen dürfen, natürlich. Denen geht bei iOS-Apps unter Windows 10 das Herz und der Mund über. Sie überraschen einen mit neuen Details und malen die Möglichkeiten aus, die iOS-Apps unter Windows 10 haben und die sie auf iPhones nicht haben. Kommt man aber auf Android-Apps zu sprechen, dann werden dieselben Leute ganz schmallippig. Ganz offenkundig will Microsoft dieses vollmundig angekündigte und nun wirklich auch sensationelle Projekt möglichst still einschlafen lassen. Einen objektiven Hinweis gibt es auch: In einigen Vorabversionen von Windows 10 waren schon solche Android-Subsysteme. Die sind dann aber – ebenfalls still und heimlich – wieder rausgenommen worden.
    Kloiber: Warum hat Microsoft das getan? Weiß man darüber was?
    Killer: Na ja, Performance-Gründe werden diskutiert. Das Android-Subsystem hätte zuviel Rechenleistung ge- und verbraucht. Das glaube ich aber nicht.
    Kloiber: Warum glauben Sie das nicht?
    Killer: Technische Gründe sind in der IT-Industrie, in der Informationstechnik-Branche nie ausschlaggebend oder fast nie. Der Android-Code liegt offen. Warum soll den Microsoft nicht genauso gut auf Smartphones und Tablets bringen können wie Google. Nein, in der IT-Industrie spielen meist rein wirtschaftliche Gründe die entscheidende Rolle. Ich denke, Microsoft will sich nicht in die ganze Copyright-Problematik reinziehen lassen, die Android mit sich herumschleppt.
    Kloiber: Worum geht da?
    Killer: Um Zweierlei. Da ist zum einen die Ablauf-Umgebung von Android. Die heißt zwar ganz anders als die Java-Virtual-Machine. Dalvik heißt die. Aber sie unterscheidet sich nicht sehr davon. Auch ganz praktisch: Android-Apps werden ja in Java geschrieben und erst anschließend für Android - oder eben für Dalvik - konvertiert. Entwickelt hat die ganze Java-Technik Sun. Das gehört jetzt Oracle. Und Oracle hat Google wegen Java verklagt. Dabei geht es um Milliarden. Also ein guter Grund für Microsoft, um bei Android sehr vorsichtig zu sein. Und dann sind Android-Apps nur sehr schlecht kopiergeschützt. Sie liegen nicht als Binaries vor, also Nullen und Einsen, sondern als Byte-Code. Der ist gar nicht so weit vom Quell-Code entfernt. Deshalb lässt der sich relativ einfach wiederherstellen, lesen. Dann kann der Kopierschutz entfernt werden und die App illegal weiterverkauft werden. Programmierer haben deshalb mit Android so ihre Probleme und ziehen iOS vor. Und Microsoft geht es jetzt zunächst einmal um die Programmierer.
    Kloiber: Und wie will Microsoft die an sich binden? Es kann dem Konzern ja wohl kaum darum gehen, das Programmieren für iPhone und iPad noch attraktiver zu machen, indem die Apps künftig auch auf Windows-Handys laufen.
    Killer: Ich würde sagen, Microsoft versucht, Apple-Entwickler zu umgarnen – im doppelten Wortsinn. Zunächst umwirbt Microsoft sie, sagt ihnen: Schau mal, bloß ein paar Klicks in unserer Entwicklungsumgebung, in Visual Studio, und schon läuft deine iPhone-App auch unter Windows. Und dann versuchen sie – im eigentlichen Wortsinn von umgarnen - die Entwickler an sich zu binden, man sagt ihnen: Jetzt hast du Visual Studio schon mal gekauft, nutz doch auch die Funktionen, die speziell auf Windows abzielen.
    Kloiber: Und für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass tatsächlich einmal im großen Stil Apps mit Web-Technologien entwickelt werden, die dann unter allen Betriebssystemen funktionieren würden?
    Killer: Für sehr unwahrscheinlich. Apple und Google haben ein Interesse daran, ihre Systemwelten abzuschotten. Damit niemand raus kann, keine Käufer, die das Geld bringen, und keine Entwickler, die für die Popularität der Plattform sorgen. Microsoft öffnet seine Systemwelt jetzt etwas. Es baut eine Brücke. Bridge heißt ja das Apple-Windows-10-Projekt auch. Aber über diese Brücke soll eine Einbahnstraße führen. Apple-Entwickler sollen reinkommen und die eigenen Entwickler drinbleiben. An einer wirklich offenen Systemwelt hat keiner dieser Konzerne Interesse.