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Windparks als Klimakiller?

Energie.- Windparks sind die Hoffnungsträger im Kampf gegen den Klimawandel. Und nun das: Amerikanische Forscher haben in einer Gegend mit über 2000 Windkraftanlagen innerhalb eines Jahrzehnts eine Erwärmung von 0,72 Grad gemessen. Die Zahl klingt dramatisch, ist aber mit Vorsicht zu interpretieren.

Von Tomma Schröder | 30.04.2012
    "Diese Zahl bezieht sich nur auf die untersuchte Region und Zeitspanne. Andernfalls könnte sie missverstanden werden. Die Leute könnten denken: Oh, was ist denn dann in 100 Jahren? Dann wäre der Temperaturanstieg ja stärker als die globale Erwärmung."

    Sieben Grad Erwärmung in 100 Jahren? Es sind Schlagzeilen wie diese, die Liming Zhou befürchtet. Denn die Zahl, die er mit Kollegen aus seinen Messungen errechnet hat, bezieht sich auf ein spezielles, 10.000 Quadratkilometer großes Gebiet in Texas: Zum Startpunkt der Untersuchung 2003 standen dort gerade einmal 111 Windkraftanlagen, am Ende, 2011, waren es 2358. Die gemessene Erwärmung spiegelt also vor allem das Wachstum des Windparks wider und wird in den kommenden Jahrzehnten vermutlich stagnieren, meint der Atmosphären-Forscher. Dass vor allem große Windparks, wie sie etwa in Texas gebaut werden, die Temperaturen vor Ort beeinflussen, ist mittlerweile aber weitestgehend unumstritten.

    "Ich habe zunächst einige Modell-Studien gesehen, die zeigten, dass große Windparks Auswirkungen auf das Wetter und das Klima haben könnten. Und da dachte ich, wenn das tatsächlich so ist, müsste ich das ja auch anhand von Satellitendaten sehen können."

    Gemessen wurde dabei die Temperatur der Erdoberfläche, also die Wärmestrahlung, die von der Erde zurück ins All gesendet wird. Und tatsächlich war diese vor allem nachts in den Gebieten mit Windkraftanlagen höher als auf Flächen, auf denen keine Rotoren standen. Das liege vermutlich an der Luftdurchmischung, meint Zhou. Denn in der Nacht hat die Atmosphäre eine recht stabile Schichtung, mit kälterer Luft am Boden und wärmerer Luft in höheren Lagen. Wenn diese warme Luft nun durch die Rotoren nach unten verwirbelt wird, kommt es am Boden zu einer Erwärmung. Warum tagsüber ebenfalls eine geringe Erwärmung gemessen werden konnte, wissen die Forscher dagegen noch nicht. Auch die Frage, wie stark sich die Lufttemperatur erhöht, ist noch offen, so Liming Zhou.

    "Wir benutzen in unserem Paper die Oberflächentemperatur an Land. Das ist nicht mit den Lufttemperaturen zu vergleichen, die wir in Wetterberichten verwenden. Die Oberflächentemperaturen unterliegen sehr viel stärkeren Tag- und Nachtschwankungen. Die Erwärmung der Lufttemperaturen ist also vermutlich geringer."

    Die präzise Zahl von 0,72 Grad Erwärmung darf demnach nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bisher kaum Daten über die tatsächlichen atmosphärischen Änderungen in Windparks gibt. David Keith, Professor für angewandte Physik an der Harvard University, war einer der ersten, die den Einfluss von Windparks auf die Atmosphäre untersucht haben. Er geht davon aus, dass die globalen Auswirkungen zu vernachlässigen sind, selbst wenn die weltweite Energieproduktion durch Windparks gedeckt würde. Doch wie Liming Zhou betont auch Keith, dass diese Frage noch nicht abschließend geklärt sei und auch lokale Einflüsse der Windenergie auf das Klima nicht vernächlässigt werden dürften.

    "Die Zahl der Windparks hat enorm zugenommen – allein in den USA um ungefähr 35 Prozent pro Jahr. Wenn man nun überlegt, wie groß diese Windparks sind und was wir in Zukunft noch sehen werden, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sie auch eine Auswirkung auf das örtliche Wetter und Klima haben. Sie werden vermutlich den atmosphärischen Energieaustausch verändern. Ich glaube fest daran, dass die Windenergie ein wesentlicher Teil für die Lösung des Klimaproblems ist. Aber wir können die nächtlichen Erwärmung nicht ignorieren. Es könnte einen örtlichen oder vielleicht auch weiter reichenden Einfluss geben. Das wissen wir einfach noch nicht."