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"Wir wollen Kommunikationsform des direkten Fragens etablieren"

Wer Bundespräsident Wulff zu seiner Kredit- oder Medienaffäre Fragen stellen will, kann dieses direkt machen oder über ein neues Internetportal. Hier sammelt der Student Tobias Röcker alle Fragen von Interessierten und will die drei beliebtesten an das Bundespräsidialamt weiterleiten.

Tobias Röcker im Gespräch mit Manfred Götzke | 06.01.2012
    Manfred Götzke: Größtmögliche Transparenz wolle er herstellen, sagte Bundespräsident Wulff Mittwochabend in seinem Befreiungsschlaginterview, seinem vermeintlichen, um dann schon am Donnerstag Transparenz in einem entscheidenden Punkt zu verhindern. Wollte er die "Bild"-Zeitung von der Veröffentlichung der Kredit-Story abhalten oder hat er doch nur um ein wenig Aufschub gebeten? Die wohl spannendste Mailboxnachricht der Republik allein könnte Klarheit herstellen, aber Wulff will nicht, dass sie veröffentlicht wird. So viel also zur Transparenz. Diese Salamitaktik nervt nicht nur Journalisten, auch zwei Politikstudenten aus Berlin. Sie haben deswegen am Mittwochabend mit Unterstützung einer Softwarefirma ein Internetportal online gestellt mit dem vielversprechenden Namen "Direkt zu Christian Wulff". Einer der Macher heißt Tobias Röcker. Herr Röcker, wie komme ich denn über Ihr Portal direkt zum Bundespräsidenten?

    Tobias Röcker: Nun, unser Portal sammelt zunächst Fragen, sie können dort direkt ihre Frage stellen, ähnliche Fragen bewerten und abstimmen, und die drei best bewerteten Fragen werden wir an das Bundespräsidialamt weiterleiten.

    Götzke: Wo ist da der Unterschied zu einer Mail, die ich selber direkt an den Bundespräsidenten richte? Kann ich ja auch machen als Bürger?

    Röcker: Ja. Das Tolle an der Software ist, dass Sie eben nicht allein sind. Sie können Ihre Frage stellen, schauen, was andere schon gefragt haben, ob vielleicht schon mal jemand Ihre Frage gestellt hat. Sie können Fragen bewerten und sind dann vor allem auch mit der Antwort nicht alleine, sondern die Antwort wird da online gestellt und kann kommentiert werden.

    Götzke: Also es geht um die Bündelung von Fragen, von Interessen, von Anliegen?

    Röcker: Genau, es ist fast schon was Basisdemokratisches dabei. Es geht eben darum, dass Sie Ihre Frage direkt stellen können, er Ihre Frage direkt auch beantwortet, Sie aber damit nicht allein sind, sondern eine Öffentlichkeit trotzdem generiert wird. Also wenn viele momentan kritisieren, dass Herr Wulff sich nur zwei Journalisten gestellt hat und keine Pressekonferenz einberufen hat, so wollen hier eben die Möglichkeit geben, dass jeder seine Frage stellen kann und die gleiche Chance hat, dass seine Frage an den Herrn Bundespräsidenten weitergeleitet wird.

    Götzke: Hat er denn schon eine Frage beantwortet?

    Röcker: Nein, unsere Seite ist noch relativ jung, und wir benötigen auch eine gewisse Aufmerksamkeit. Das heißt, wir freuen uns natürlich, wenn Sie auf unsere Seite klicken und Fragen stellen. Wir haben vorhin mit dem Bundespräsidialamt telefoniert, unsere Anfrage wurde an das persönliche Büro von Herrn Wulff weitergeleitet, ganz allgemein ist es aber so, dass Bürgeranfragen, sofern sie gewissen Anforderungen entsprechen - also Höflichkeitsformeln - und ein direkter Frage dahintersteht, beantwortet werden. Also wir glauben nicht, dass Herr Wulff sich dem verweigern kann, unsere Fragen zu beantworten.

    Götzke: Wollen Sie dem Bundespräsidenten bei seiner Transparenzoffensive ein bisschen nachhelfen?

    Röcker: Ja, so könnte man sagen. Uns geht es nicht darum, Herrn Wulff im Amt zu halten oder Herrn Wulff zum Rücktritt zu bringen, uns geht es darum, die Kommunikationsform dieses direkten Fragens zu etablieren. Wir finden das eine sehr gute Idee und wollen deswegen auch die mediale Aufmerksamkeit momentan nutzen, um das bekannt zu machen. Und Herr Wulff könnte darin auch eine Chance sehen, wie Vertrauen herzustellen, wenn er sich bereiterklärt, regelmäßig auf die Fragen zu antworten.

    Götzke: Sie haben das Portal kurz nach dem Fernsehinterview am Mittwoch online gestellt - weil Sie das Interview so geärgert hat oder was war der Grund?

    Röcker: Nein, das Portal war eben erst da fertig. Also die Idee ist schon ein bisschen älter. Drauf gekommen sind wir über die Weihnachtsferien, [durch] diese Debatte kam bei uns eben immer wieder Fragen auf, und wir haben gesagt, es kann doch nicht sein, dass wir unsere Fragen nicht direkt persönlich an den Bundespräsidenten stellen können, und haben uns dann mit einer Firma in Verbindung gesetzt, ob sie denn bereit wäre, uns die Software zur Verfügung zu stellen, dass wir so ein Portal erstellen, und haben von denen große Unterstützung erhalten.

    Götzke: Aber die Kredit- und Medienaffäre um Christian Wulff war schon der Auslöser dafür, dass Sie das gemacht haben?

    Röcker: Genau. Also uns hat die erste Entschuldigungserklärung von Herrn Wulff ziemlich enttäuscht, und wir haben eben noch auch viele Fragen noch nicht beantwortet gesehen und hatten dann eben die Idee, dieses Projekt zu starten.

    Götzke: Es gibt ja schon einige erste Postings, einige erste Posts und Fragen auf Ihrer Seite - was beschäftigt die User da?

    Röcker: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt natürlich viel zur aktuellen Frage und aktuellen Kritik - über die Pressefreiheit, über die Zukunft, wie er sich denn das vorstellt. Meine persönliche Frage an Herrn Wulff wäre, wie er sich denn das vorstellt, die Krise zu lösen, ohne dass das jetzt zu einem großen parteipolitischen Spektakel wird, weil das wollen wir ja sicher alle nicht, dass der Herr Bundespräsident und sein Amt im Parteienkampf entschieden wird.

    Götzke: Also Sie gehen schon davon aus, dass er zurücktritt.

    Röcker: Nein, sicher nicht. Also ich halte Pressefreiheit für ein hohes Gut, und sobald auch Vorwürfe von Korruption aufkommen, muss Herr Wulff diese klären. Und ich sehe ihn da auch noch weiterhin in der Bringschuld, sehe aber momentan eine Entwicklung dahin, dass sich unsere Gesellschaft in zwei Hälften spaltet. Die einen, die sagen, wir geben ihm noch eine Chance und die anderen, die sagen, Nein, er soll zurücktreten. Und dieses In-zwei-Hälften-Spalten hängt sicherlich an der Grenze "Ich war schon immer für Gauck" oder an der Grenze "Ich bin sowieso nicht für die Regierungskoalition" auch mit zusammen, und wenn das auseinanderbricht, kommen wir, glaube ich, in eine schwierige Zeit.

    Götzke: Wann rechnen Sie mit der ersten Antwort von Bundespräsident Wulff?

    Röcker: Wir werden die ersten Fragen Montag übermitteln und hoffen, dass er dann im Laufe der Woche antworten wird.

    Götzke: Tobias Röcker, Politikstudent im dritten Semester in Berlin, hat ein Internetportal online gestellt, auf dem Bürger Fragen direkt an den Bundespräsidenten richten können. Danke schön!
    Wenn auch Sie eine Frage oder vielleicht sogar 450 weitere Fragen an den Präsidenten haben, auf direktzu.de/wulff können Sie sie stellen - ja, und vielleicht antwortet er auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.