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Wortfindungshilfe der Neuen deutschen Medienmacher
Geflüchtete statt Asylanten

Eigentlich sollen Journalisten korrekt und präzise einen Sachverhalt wiedergegeben. Aber das klappt gerade aktuell rund um die Debatte über Flüchtlinge häufig nicht. Wenn Journalisten zum Beispiel Burka schreiben, obwohl sie Nikab meinen. Oder aber Flucht verbal mit einer Naturkatastrophe gleichsetzen.

Von Swantje Unterberg |
    An einem stehenden Zug-Waggon zeichnen sich Schatten von Flüchtlingen ab.
    An einem stehenden Zug-Waggon zeichnen sich Schatten von Flüchtlingen ab. (picture alliance/dpa/Patrick Pleul)
    "Liebe Journalistin, lieber Journalist. Willst auch du mal alles richtig machen? Wir helfen gerne. Mit Jilet Ayse durch den Integrationsdschungel unserer schönen deutschen Sprache."
    Jilet Ayse, das ist das Kabarett-Alias der Berliner Schauspielerin Idil Baydar: Cindy aus Marzahn auf Türkisch, eine klischeehaft angelegte Kunstfigur mit Wimperntusche in Fliegenbeinoptik, hochtoupierten Haaren und goldenen Ohrringen, die bis auf die Schultern baumeln. Woche für Woche will sie sich – exklusiv für die Neuen deutschen Medienmacher – mit Begriffen rund ums Einwanderungsland Deutschland auseinandersetzen:
    "Damit mal jeder chillt, um sein Leben chillt, okay, und mal jeder weiß, wer was ist."
    In ihrem ersten Video, das diese Woche raus gekommen ist, analysiert Jilet Ayse mithilfe des Glossars den Terminus "Deutsche ohne Migrationshintergrund":
    "Es ist ein sperrig Wort, ich weiß nicht sperrig, egal, aber zur Unterscheidung durchaus geeignet, weil er hat selben Zusatz verwendet, der von Definition von Menschen mit Migrationshintergrund ist, verstehst du?"
    Kritik an der journalistischen Ausdrucksweise
    Zugegeben, eine sehr unorthodoxe Art, sich der Bedeutung von Sprache zu widmen. Die Rundfunkjournalistin und Geschäftsführerin der Neuen deutschen Medienmacher, Konstantina Vassiliou-Enz, aber ist begeistert von Ayses Clips, eben weil sie ironisch sind. Klar sei aber auch:
    "So etwas wie Deutsche ohne Migrationshintergrund schreiben die wenigsten Journalisten, aber es ist tatsächlich durchaus auch dazu gedacht, mal zu reflektieren, was schreibe ich eigentlich den ganzen Tag. Und ist mir klar, was ich damit transportiere und kommuniziere."
    Sie selbst hat einen Lieblingsbegriff, der die Differenz zwischen einem "Wir" und "den Anderen" verdeutlicht:
    "Standarddeutsche, also für Deutsche ohne Migrationshintergrund, weil der ganz schön ausdrückt, wie sehr es in unseren Köpfen noch steckt, dass es so eine Art Norm gibt für Deutschsein."
    Sprache benennt soziale Verhältnisse – und schafft damit auch gesellschaftliche Bedingungen. Ein aktuelles Beispiel sind die in den Medien verwendeten Begriffe vom "Flüchtlingsstrom" oder der "Welle von Flüchtlingen".
    "Es gibt einen Eintrag, der Asylantenschwemme oder Asylantenflut heißt, so Schlagworte, die in den 80ern und 90ern benutzt wurden. Und da habe ich angefügt, dass dasselbe, was wir über diese Begriffe sagen, nämlich dass sie so assoziieren, als wären Menschen, die da kommen, einer Naturkatastrophe gleichzusetzen, gegen die man sich nicht wehren kann und die einen überrollt, dass so Worte wie Flüchtlingsstrom oder Flüchtlingswelle eigentlich die gleichen Assoziationen wecken. Und dass sie deshalb genauso wenig gut geeignet sind."
    Also bietet der Verein Alternativen. Für den Begriff Armutszuwanderer etwa, der teils abfällig für Migranten aus Südosteuropa verwendet werde. Die Neuen deutschen Medienmacher stellen klar: Die große Mehrheit dieser Menschen arbeite oder studiere, weshalb Arbeitseinwanderung damit der treffendere Begriff sei. Und sie erklären auch ganz einfach, was was bedeutet: Dass Zuwanderung alle Menschen meint, die sich eine Zeit lang in Deutschland niederlassen. Und Einwanderer diejenigen benennt, die dauerhaft bleiben. Oder dass bei einer Burka die Augen von einem Stoffgitter verdeckt sind, die Niqab hingegen die Augen freilässt.
    Am Ende ist dieses Thema dann doch kein ironisches mehr, denn laut Vassiliou-Enz geht es schlussendlich um Qualitätsjournalismus, um Professionalität und darum, präzise zu formulieren statt irgendeinen Begriff zu nehmen, der einem gerade in den Kopf komme. Beim Thema Migration und Integration verstünden sich zu viele Journalisten halbwegs als Experten, da es wie ein Alltagsthema scheine:
    "Ist es aber nicht. Es ist echt ein ziemlich kompliziertes Fachgebiet."