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Zu viele Stereotypen

In einem Männermagazin sind deutsche Jugendnationalspielerinnen nackt zu sehen, in Werbespots schminken sich Fatmire Bajramaj und Co. und im "Tatort" posiert eine Fußballerin in Reizwäsche. Wenige Tage vor der Weltmeisterschaft läuft die Vermarktungsmaschine auf Hochtouren.

Von Aglaia Dane | 19.06.2011
    Eine Werbeagentur in Hamburg. Fünf Menschen sitzen um einen großen Tisch. In der Ecke ein Flipchart. Brainstorming für einen Werbespot. Der Kunde: ein Elektronik-Handelsmarkt, Produkte: Computer und Kaffeemaschinen, Zielgruppe: vor allem Männer - und der Kunde hat einen Wunsch - er möchte einen Spot mit Spielerinnen der deutschen Frauen-Fußball-Nationalmannschaft. Wenige Wochen später läuft das Ergebnis im Fernsehen:

    Eine Spielerin, die Nummer 13, dribbelt, spielt zwei Gegnerinnen aus, macht einen Fallrückzieher. Ihre Teamkollegin nimmt den Ball mit der Brust an.
    Doch plötzlich: Zeitlupe. Eine zierliche Frau mit wallenden blonden Haaren blickt lasziv in die Kamera, dann taucht eine dunkelhaarige Frau auf und schminkt sich die Lippen in einem feurigen rot. - Die Schönheiten in dem Spot sind Annika Doppler, Fatmire Bajramaj und andere Spielerinnen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Aber was haben Fußball, Schminke und Waschmaschinen miteinander zu tun?

    "Ja, grundsätzlich erst einmal nichts"

    Martin Polster ist Chef der Werbeagentur Feeling. Sie hat den Spot produziert. Polster gibt zu: Der Film spielt mit Geschlechterklischees - aber:

    "Werbung muss auch verkaufen. Wir müssen den Geschmack der Zielgruppe treffen. Und - was ganz wichtig ist - wir müssen auffallen."

    Und um aufzufallen, muss man Ungewöhnliches zeigen.

    "Wenn eine deutsche Nationalspielerin, bevor sie den Ball ins Tor drischt wie ein, ich sage jetzt mal, wildes Tier, sich vorher noch einmal ganz kurz schminkt, sorgt das für Aufmerksamkeit und hält mich doch beim Fernsehen an."

    Was für den Werber ganz einfache Berufslogik ist - ist für andere übermäßige Sexualisierung.

    "Das find ich übertrieben, das find ich auch zu platt"

    Jörg-Uwe Nieland, Sozialwissenschaftler an der Deutschen Sporthochschule Köln, forscht zu Sport und Kommunikation. Er findet, dass viele Kampagnen mit der Frauen-Mannschaft des Deutschen Fußball Bundes Stereotype bedienen.

    "Die Hübschen, Weiblichen und auch für den männlichen Blick geeigneten Sportlerinnen"."

    Nieland bezieht sich nicht nur auf den einen Werbefilm. Für ein anderes Beispiel hält er das Motto der Frauen-WM: "20Elf - Fußball von seiner schönsten Seite". Passend dazu hat der DFB eine Fußball-Barbie auf den Markt gebracht. Fanartikel-Hersteller verkaufen rosa Schals und Trainingsjacken mit dem Schriftzug "schwarz-rot-goldig". Und dann auch noch die Playboy-Aktion: Nachwuchs-Fußballerinnen, die sich Reizwäsche auf einem Steg rekeln oder mit roten Mündern einen Kuss andeuten. Kommunikationswissenschaftler findet diese Ästhetik problematisch:

    ""Weil dann doch wieder so das Bild entsteht: Wir baden zusammen. Wir zeigen dann doch homoerotische Bildsprache."

    Im Playboy erklärten die Spielerinnen, sie wollten das Klischee widerlegen, Fußballerinnen seien Mannsweiber. Sie wünschten sich als Sportlerinnen mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit.
    Eine Fußballerin, die davon zurzeit besonders viel erhält, ist Fatmire Bajramaj. Die charismatische Mittelfeld-Spielerin wird auch Lira genannt - Zeitungen betitelten sie als Glamour-Girl, Traumfrau oder Prinzessin von der Straße.

    "Den größten Titel der Welt im Blick und die Welt blickt auf uns"

    Ein Werbefilm für einen Sportartikelhersteller. Er zeigt die 23-Jährige Fußballerin auf dem Spielfeld, im Club, im Großstadt-Ghetto - mit lackierten Fingernägeln, muskulösem Bauch und in High-Heels. Doch dieser Film - genannt Liras Manifest - zeigt, dass man die jungen deutsche Fußballerinnen anders inszenieren kann - jenseits simpler Klischees.
    Lira ist darin weder Mannsweib noch Lolita - sie ist schön, cool und selbstbewusst. Und sie will vor allem eines - mit ihrer Mannschaft Weltmeisterin werden.

    "Also Welt, nimm dich in acht, denn wir kommen an die Macht."