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Zwischen Vorsicht und Fortschritt

Nicht nur die Gentechnik, sondern auch der garantierte Verzicht auf sie kann Geld bringen - durch höhere Preise zum Beispiel für gentechnikfreie Bio-Produkte oder Babynahrung. Die Vermischung von genveränderten und herkömmlichen Pflanzen zu vermeiden, ist deshalb ein Ziel des neuen Gentechnikgesetzes. Doch der Kompromiss stellt weder Befürworter noch Gegner der Gentechnik zufrieden.

Von Georg Ehring |
    Die kleinen Kälbchen mit den niedlichen Kulleraugen würden in jeden Streichelzoo passen, doch sie verbringen ihre ersten zwei Lebenswochen in Einzelboxen hinten im Stall der Raminer Agrar GmbH. Ein landwirtschaftlicher Großbetrieb rund um das Rind - 3.200 Tiere hält die Firma im dünn besiedelten Uecker-Randow-Kreis im Osten Vorpommerns. Die ersten Tage bekommen sie Muttermilch, sagt Harald Nitschke, Landwirt und Geschäftsführer des Betriebes, der Anfang der 90er Jahre aus einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft hervorgegangen ist. Wenn die Kälber größer geworden sind, fressen sie ...

    " ... zum großen Teil Maissilage, Grassilage und Heu, und natürlich Kraftfutter dazu, sprich Sojaschrot, Maisschrot und Getreideschrot. "

    Der Maisschrot stammt zum Teil aus gentechnisch verändertem Mais aus eigenem Anbau. Auf 150 Hektar hat Nitschke ihn in diesem Jahr wachsen lassen - als Futter für seine Kälber, Mastbullen und Milchkühe, deren Fleisch und Milch später in die Supermärkte geht. Der Mais enthält eine Substanz, die für den Menschen ungefährlich ist, die aber den Maiszünsler tötet, einen Schmetterling, dessen Raupe als Schädling gefürchtet wird.

    " Man kann natürlich spritzen, aber beim Spritzen muss man den genauen Punkt erwischen, und das ist sehr, sehr schwierig. Also, eine hundertprozentige Bekämpfung gibt's da nicht, und mittlerweile bauen ja auch mehrere meiner Berufskollegen in der Nachbarschaft schon gentechnisch veränderten Mais an, weil es die billigste und beste Möglichkeit ist, den Zünsler zu bekämpfen. "

    Für Nitschke ist der Gentechnik-Mais mit eingebautem Pflanzenschutz die Methode der Wahl im Kampf gegen den Schädling. Mit dieser Ansicht hat er sich bei seinen Berufskollegen nicht unbedingt beliebt gemacht. Nur wenige Landwirte in Deutschland bauen Genmais an. Viele lehnen die Gentechnik ab - und manche fühlen sich sogar bedroht durch Nachbarn, die sie einsetzen.

    Die Schweine und Rinder auf dem Hof Medewege in Mecklenburg-Vorpommerns Hauptstadt Schwerin zum Beispiel bekommen kein gentechnisch verändertes Futter. Der Bauer Georg Wilhelm Jahn bewirtschaftet einen Hof, der zur Demeter-Gemeinschaft gehört, die sich eine biologisch-dynamische Produktionsweise auf die Fahnen geschrieben hat. Georg Wilhelm Jahn hat auch die anderen Landwirte in Schwerin auf seine Seite gebracht: Seit dem Frühling dieses Jahres ist Schwerin gentechnikfreie Zone.

    " Das heißt, dass die Betriebe sich verpflichten, kein gentechnisch verändertes Saatgut auf ihren Betrieben einzusetzen. "

    Nicht nur die Gentechnik, sondern auch der garantierte Verzicht auf sie kann Geld bringen - durch höhere Preise zum Beispiel für Bio-Produkte, für Fleisch in manchen Markenfleisch-Programmen oder Rohstoffe für Babynahrung. Denn die große Mehrheit der Verbraucher möchte nach wie vor keine Gentechnik in Lebensmitteln haben.

    " - Ja also, ich befürworte das nicht. Weil: Es kann schon auf Dauer, denke ich mal, Auswirkungen haben auf die Entwicklung der Menschen.
    - Ich weiß nicht, ob das nicht zu gefährlich ist für den Verbraucher. Vor allen Dingen: Es sollte gekennzeichnet werden.
    - Ich finde es nicht gut. "

    Bis 2005 konnten gentechnikfrei wirtschaftende Bauern sich auf die Unterstützung durch die Bundesregierung verlassen. Das Gentechnikgesetz der Grünen Verbraucherschutzministerin Renate Künast hatte vor allem das Ziel, die Verwendung der neuen Technik so weit zu beschränken, wie das nach europäischem Recht möglich ist. Sehr zum Ärger der Unternehmen, die in Deutschland auf die Gentechnik in der Landwirtschaft setzen. Ferdinand Schmitz vom Bundesverband deutscher Pflanzenzuchtunternehmen.

    " Wir brauchen Erleichterungen vor allem in der Forschung und in der Anwendung. Das sind die zwei wesentlichen Sektoren. In der Forschung geht es vor allem darum, dass wir in Deutschland wieder Möglichkeiten bekommen, so genannte Freilandversuche zu machen, da geht es darum, dass wir die Sicherheit der Pflanzen und ihre Tauglichkeit unter natürlichen Umständen, also in der Natur durch Anbau untersuchen können. "

    Beim Anbau fordert die Pflanzenzüchter-Lobby klare Regeln für Bauern, etwa bei der Haftung für die Verunreinigung von Nachbarfeldern. Forderungen, die bei der schwarz-roten Bundesregierung zunächst durchaus auf Zustimmung stießen. Der Koalitionsvertrag sah ausdrücklich vor, Forschung und Anwendung der Gentechnik auch in der Landwirtschaft zu fördern - unter Wahrung der Wahlfreiheit von Landwirten und Verbrauchern. Im jetzt vorgelegten Gesetzentwurf ist davon allerdings nicht viel übrig geblieben. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer ist nach zwei Jahren im Amt zurückhaltend geworden:

    " Als ich mein Ministeramt antrat, hat man die Dinge in Bayern noch wesentlich offensiver gesehen als heute. Aber das ist das Ergebnis eines Diskussionsprozesses, und an dem war ich in Bayern auch selbst beteiligt. "

    Vor allem in Seehofers CSU haben sich in den vergangenen Monaten viele Gentechnik-Kritiker zu Wort gemeldet. Und die SPD hielt von Anfang an nicht viel von dem Reformvorhaben. Für Ulrich Kelber, den stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion sind bei der Gentechnik noch zu viele Fragen offen.

    " Wir wissen einfach nicht, was hat das für Auswirkungen auf Artenvielfalt. Gibt es Veränderungen in der Zusammensetzung, die nicht mit der Genveränderung eigentlich beabsichtigt waren. Alles das ist ungeklärt und so lange ist Skepsis gut angebracht, und ich persönlich lasse auch auf meinen Tisch kein GVO-Produkt. "

    In der Ablehnung der Gentechnik findet sich eine ungewöhnlich vielfältige Allianz zusammen. Konservative in der Union gehören dazu, ebenso wie Sozialdemokraten und Umweltschützer. Sie befürchten Einbußen für gentechnikfrei wirtschaftende Landwirte, aber auch eine Verbreitung der neuartigen Pflanzen in der Natur. Burkhard Roloff beschäftigt sich in Mecklenburg-Vorpommern beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland BUND mit dem Thema.

    " Und dann übernehmen diese Wildpflanzen, das ist in Nordamerika schon passiert die letzten Jahre, übernehmen die Eigenschaften, sind widerstandsfähig gegen Unkrautvernichtungsmittel, also Totalherbizide und können nicht mehr bekämpft werden, so genannte Monsterunkräuter. Und dann haben wir die Folgen, dass dann in Wildfaunabeständen solche Pflanzen wachsen, die es noch nie gab und die natürlich einen unwahrscheinlichen Vorteil haben gegenüber anderen Pflanzen und das Artenspektrum verändert sich. "

    Wo die Kritiker vor allem Gefahren sehen, verweisen die Befürworter auf Chancen durch die neue Technik. Politisch werden sie unterstützt von Teilen der CDU und von der FDP. Für die Gentechnik setzen sich unter anderem Saatzüchter und manche Landwirte sowie Wissenschaftler ein. Zum Beispiel Professor Klaus-Dieter Jany, der Vorsitzende des Wissenschaftlerkreises Grüne Gentechnik.

    " Aus wissenschaftlicher Sicht kann man aber heute sagen, dass diese Produkte, die auf dem Markt sind, genauso sicher sind, wie das entsprechende vergleichbare Produkt. Es gibt keine nachgewiesenen Gefährdungen. Man kennt keinen einzigen Fall in der jetzt seit fast zehn Jahren dauernden Anwendung der Gentechnik insbesondere bei Pflanzen. "

    Die Europäische Union setzt trotzdem auf Vorsicht bei der Gentechnik in der Landwirtschaft. Ihre Vorschriften hierzu sind im internationalen Vergleich sehr streng. In Brüssel und nicht in Berlin wird entschieden, welche Pflanzen in Europa angebaut oder eingeführt werden dürfen und welche nicht. Über das Wie entscheidet allerdings jeder Mitgliedsstaat selbst. Beispielsweise darüber, wie viel Abstand mindestens zwischen Gentechnik-Feldern und anderen Kulturen der gleichen Pflanzenart liegen muss. Die Vermischung von genveränderten und herkömmlichen Pflanzen zu vermeiden, ist ein Ziel der Novelle. Auch die Verbraucher sollen besser darüber informiert werden, was sie kaufen: Die Kennzeichnung von ohne Gentechnik erzeugten Produkten wird erleichtert. Insgesamt ist das neue Gesetz ein Kompromiss, der allerdings weder Befürworter noch Gegner zufrieden stellt.

    " Der Gesetzentwurf ist meines Erachtens für alle Betriebe in Deutschland, die sich eine Erleichterung der Anwendung der Züchtungsmethode erhofft hatten, eine totale Katastrophe. Ich kann auch nicht sehen, dass es einen neuen Umgang gibt, sondern es ist eigentlich schlimmer als vorher, "

    meint beispielsweise Christel Happach-Kasan, in der FDP-Bundestagsfraktion zuständig für die Gentechnik. Umweltorganisationen und Ökobauern wiederum sehen den gentechnikfreien Anbau bedroht. Burkhard Roloff vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland.

    " Das Gentechnikgesetz sollte dazu führen, dass die gentechnikfreie Landwirtschaft geschützt wird. Und das ist nicht der Fall. "

    Denn auch Produkte aus herkömmlichen Pflanzen oder aus ökologischer Landwirtschaft können und dürfen nach europäischem Recht Spuren von Gentechnik enthalten. Eine konsequente Trennung von genverändert und gentechnikfrei verhindert schon die Natur.

    Nicht nur der Wind, auch Bienen transportieren Pollen - manchmal über Kilometer auf weiter entfernte Felder und in den Bienenstock. Burkhard Roloff vom BUND.

    " Mais ist eine Kultur, die, wenn man die Abstände einhält, gut handelbar ist. Aber: Mais kann trotzdem in die Nahrungskette gelangen, was jahrelang über von der Gentechnikindustrie immer wieder widersprochen wurde, über die Insekten, insbesondere Wildbienen und Bienen. Weil die Bienen in der Zeit um August den Maispollen in ihre Stöcke tragen und im Honig nachweislich dann Genmaispollen ist. "

    Aber auch die Technik spielt eine Rolle: Landmaschinen müssen nach dem Einsatz in Gentechnik-Feldern gründlich gereinigt werden, damit sie den nächsten Acker nicht mit Gen-Saaten verunreinigen. Hundertprozentige Reinheit gibt es aber nicht. Die Europäische Union hat daraus eine Konsequenz gezogen: Lebens- und Futtermittel müssen erst dann als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden, wenn ein Schwellenwert von 0,9 Prozent überschritten wird. Für Landwirte, die gentechnikfrei produzieren möchten, ist das ein Problem. Der Schweriner Demeter-Bauer Georg Wilhelm Jahn sieht in Grenzwerten keine Lösung:

    " Der Kunde muss natürlich das Gefühl haben, dass er überhaupt keine Verunreinigung hat. Ich glaube nicht, dass der Kunde sich auf irgendwelche Grenz- oder Schwellenwerte einlassen möchte. Weil: Die Kunden, die bei uns einkaufen, möchten gentechnikfreie Lebensmittel haben und es wäre auch fatal, wenn man die Diskussion immer wieder bei Grenzwerten beginnt. "

    Für Befürworter der Gentechnik sind Schwellenwerte dagegen unverzichtbar. Ferdinand Schmitz vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter.

    " Sie werden irgendwo überall jedes Gen irgendwann finden, wenn Sie nur hinreichend genaue Testmethoden haben. Das ist aber im Prinzip auch kein Problem. Auch in der Öko-Erzeugung sagen wir heute: Es gibt einen bestimmten Anteil von Nicht-Öko-Produkten in Öko-Erzeugnissen, die toleriert werden, ohne dass ich sage: Die Öko-Erzeugung ist keine solche mehr. "

    Der Streit um die Verunreinigung von Nachbarfeldern dürfte künftig auch die Gerichte beschäftigen. Die bisherige Regelung lässt viel Spielraum für Interpretationen und sie bleibt bestehen. Ulrich Kelber von der SPD:

    " Der Änderungsbedarf hat vor allem beim Koalitionspartner am Anfang bestanden. Sein größter Änderungswunsch war der ganze Bereich der Haftung, dass nicht mehr der Bauer, der Gentechnik anbaut, individuell haftet, sondern es sollte einen Haftungsfond geben der Industrie, eine Versicherungslösung, das hat sich alles zerschlagen, und der gesamte Haftungsbereich wird nicht verändert. "

    In der Praxis bedeutet das: Wenn ein Nachbar seine Ware wegen Verunreinigung durch Gentechnik-Bestandteile nicht angemessen verkaufen kann, kann er von seinen Nachbarn Schadensersatz verlangen - insbesondere bei Überschreitung der Kennzeichnungsschwelle von 0,9 Prozent. Die Kennzeichnungsschwelle ist danach ein Richtwert für den Schadensersatz, nicht etwa eine klare Festlegung. Doch ohne eindeutige Regeln gebe es auch künftig keine Rechtssicherheit für Anbauer und ihre Nachbarn, bemängelt deshalb Helmut Born, der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes.

    " Man muss eine Basis haben, ab der man feststellt: Es ist eine Verunreinigung in dem Maße, dass eine Vermarktung nicht mehr möglich ist. Ich sehe sehr wohl, dass unterhalb dieses gesetzlich festgelegten Schwellenwertes ein Ökobauer in Schwierigkeiten kommen kann, wenn er 0,3, 0,4 oder 0,5 Prozent hat. Deshalb ist ja in der Novelle in der Frage des eingetretenen Schadens, der dann auszugleichen wäre, die Formulierung doch immer noch sehr weich. "

    Konfusion sieht die Bauernlobby auch bei den Mindestabständen, die das Gentechnikgesetz festlegt. 150 Meter Abstand müssen zwischen einem mit Genmais bepflanzten Feld und dem nächsten Acker mit konventionellem Mais liegen, doch auch hier gibt es eine Ausnahme. Zu ökologisch bewirtschafteten Maisfeldern soll ein Mindestabstand von 300 Metern vorgeschrieben werden. Helmut Born:

    " Man kann nicht sagen: Da ist ein Ökobetrieb, da machen wir eine doppelt so große Entfernung wie zu einem konventionellen Betrieb, der sich gleichermaßen verpflichtet hat, ohne GVO zu erzeugen. Also auch da sehen Sie: Hier wird so getan, als würde man einer bestimmten Gruppe entgegen kommen, letztendlich schafft es nur Zwist und Ärger innerhalb der Landwirtschaft. "

    Für Zwist und Ärger sorgt auch das Standortregister, in das jeder Bauer und jeder Forscher seine Anbaupläne für Gentechnik-Pflanzen eintragen muss. Das Standortregister ist im Internet für jeden öffentlich einsehbar - und Burkhard Roloff vom BUND freut sich, dass das auch künftig so bleiben soll.

    " Wenn dann schon einer Gentechnik anwendet, dann muss das offiziell einsehbar sein, dass man sagt: Aha, mein Nachbar baut auf diesem Feldstück parzellengenau Genmais an. Dann muss ich den Abstand eben wählen, dann kann ich eben in 300 Metern keinen Biomais dann anbauen. "

    Für Bauern, die Genmais anbauen wollen, birgt das öffentliche Standortregister ein Risiko. Auch in diesem Sommer ist es zu Feldzerstörungen gekommen, teilweise nach öffentlicher Ankündigung durch militante Gentechnik-Gegner. Christel Happach-Kasan, Gentechnik-Expertin der FDP-Bundestagsfraktion.

    " Solange wir eine Szene in Deutschland haben, die das Standortregister missbraucht, um Wochenendhappenings zu veranstalten, darf das Standortregister nicht öffentlich sein, sondern muss einen nicht öffentlichen Teil haben. "

    Das neue Gentechnikgesetz soll nicht nur Landwirten Wahlfreiheit geben, sondern auch den Verbrauchern. Hier allerdings klaffen Anspruch und Wirklichkeit noch weiter auseinander. Als gentechnisch verändert gekennzeichnete Produkte sind fast nirgends in den Regalen der Supermärkte zu finden. Trotzdem sind Produkte aus dem Genlabor weit verbreitet. Experten schätzen, dass rund drei Viertel aller verarbeiteten Lebensmittel irgendwie mit der Gentechnik in Berührung gekommen sind. Erstens durch geringfügige Verunreinigungen unterhalb der Schwelle von 0,9 Prozent. Zweitens durch nicht kennzeichnungspflichtige Hilfsstoffe und Enzyme, die durch genveränderte Mikroorganismen erzeugt worden sind. Und drittens über Gentechnik-Mais und Soja im Futter, das Tiere gefressen haben, deren Fleisch und Milch die Verbraucher dann ohne Kennzeichnung verzehren. Die Genveränderung ist zwar im Endprodukt nicht zu finden, bei der Herstellung hat sie allerdings sehr wohl eine Rolle gespielt. Das alles ist in der EU durch einheitliche Regelung erlaubt. Speziell für Deutschland will die Bundesregierung künftig die Kennzeichnung "ohne Gentechnik" erleichtern: Wer auf genverändertes Tierfutter verzichtet, soll Fleisch und Milch künftig als Erzeugnis "ohne Gentechnik" verkaufen dürfen, so der Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer. Das treibt die Irreführung der Verbraucher auf die Spitze, meint Christel Happach-Kasan von der FDP:

    " Ohne Gentechnik muss dann auch heißen ohne Gentechnik. Er aber sagt jetzt, dass Zusatzstoffe, dass Arzneimittel, die von Mikroorganismen stammen, die mit gentechnischen Methoden verändert wurden, keine Kennzeichnung brauchen. Das halte ich für Verbrauchertäuschung. "

    In der Landwirtschaft wird der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auch mit dem neuen Gesetz die Ausnahme bleiben, erwartet Helmut Born vom Deutschen Bauernverband.

    " Wenn das Reglement so bleibt, wie das in der Novelle festgehalten ist, dann müssen wir sagen, bitte schön: das Risiko für beide Seiten ist so groß, dass man tunlichst vom Anbau absehen sollte. Ich habe auch offen gestanden den Eindruck, dass auch wesentliche Inhalte dieser Gesetzesnovelle bewusst so angelegt sind, dass in weiten Teilen Deutschlands kein Anbau stattfinden wird. "

    Weltweit entwickelt sich die Gentechnik dagegen weiter. Die Anbaufläche wächst kontinuierlich, allerdings konzentriert auf wenige Staaten wie die USA, Kanada, Brasilien, Argentinien und Südafrika. Deutsche Unternehmen sind dabei, allerdings immer mehr an Standorten im Ausland, wo Versuche im Freiland leichter durchsetzbar sind. Das neue Gesetz soll nun auch für die Forschung im Inland einige Erleichterungen bringen. Denn der wissenschaftliche Fortschritt auf diesem Gebiet sollte weiter auch in Deutschland stattfinden, fordert Landwirtschaftsminister Horst Seehofer.

    " Ich möchte mir nicht von den Chinesen beantworten lassen, wie einige offene Fragen auf diesem Feld zu beantworten sind. Ich finde, das sollten wir in Deutschland tun. Das sollten wir nach Regeln tun, wo wir die Bevölkerung auch überzeugen können. "

    Und da könnten dann durchaus auch Pflanzen herauskommen, die sich im kommerziellen Anbau lohnen. Harald Nitschke, der Landwirt aus Vorpommern, will den Anbau von genverändertem Mais in den nächsten Jahren ausdehnen. Und er hofft auf weitere neuartige Kulturen.

    " Das ist ja das positive an dem Gentechnikgesetz, dass wir weiter forschen wollen, dass weiter in die Forschung investiert werden soll, und ich kann mir schon vorstellen, dass wir Pflanzen haben mit neuen Eigenschaften, mit neuen Inhaltsstoffen, die uns gerade im Bereich Gesundheit, gerade im Bereich Toleranzen gegen Krankheiten, aber auch gegen Trockenheit, es gibt ja die ersten Maissorten, die trockentolerant sind, die mit weniger Wasser wachsen, uns dort Vorteile bringen bzw. vielleicht Rapspflanzen, die eine andere Ölzusammensetzung haben, wo ich mit den Ölen vielleicht auch Treibstoffe entwickeln können, die uns weiterhelfen. "