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1.2.1979 - Vor 25 Jahren

Wenn, wie es Bachtiar immer beteuerte, es nichts vor der Rückkehr des Ayatollahs zu befürchten gibt und er der erste sein werde, der die Hände des Ayatollahs küsst, was bedeutet es dann, dass sie alle so viel Angst vor seiner Rückkehr haben? Die Rückkehr des Ayatollahs wird endgütig jede Möglichkeit des politischen Systems zunichte machen, zur alten Ordnung zurück kehren zu können. Zusätzlich bedeutet es das Ende der illegalen Regierung Bachtiar.

Von Christoph Burgmer | 01.02.2004
    Dreimal hatte Ayatollah Chomeini sein Versprechen, am nächsten Tag endgültig und ohne Rücksicht auf die Folgen nach Iran heimzukehren nicht eingehalten. Jetzt am 1. Februar 1979 war es endlich soweit. Selbst Militäreinheiten, angeblich unter strenger Kontrolle der Regierung, empfingen den aus jahrelangem Exil zurückkehrenden religiösen Führer am Flughafen in Teheran. Endlich erhielten Hunderttausende von Demonstranten im ganzen Land ihren herbeigesehnten Führer. Und die iranische Revolution selbst trat in ihre entscheidende Phase ein. Denn mit dem schiitischen Politfunktionär war ihr wichtigster Protagonist eingetroffen. Der hatte in Paris wenige Tage zuvor unmissverständlich erklärt, wie er sich die Zukunft des Iran vorstelle:

    Die zukünftige Regierung, die wir akzeptieren, wird einer islamischen Republik vorstehen. Sie wird sich auf das Votum des Volkes stützen können. Ihre Basis wird das islamische Gesetz sein. Dies ist die einzige Regierungsform, die wir akzeptieren werden.

    Den Weg für die Rückkehr Ayatollah Chomeinis hatten die Iraner selbst bereitet. Monatelang hatten sie gegen das verhasste Schahregime demonstriert. Schließlich war die politische Lage außer Kontrolle geraten und der Herrscher des persischen Pfauenthrons ins ägyptische Exil geflohen. Zurücklassend eine demoralisierte Armeeführung, eine in Panik geratene Oberschicht, die ihr Heil in der Flucht nach Europa und die USA suchte, und einen Premierminister Schahpur Bachtiar, in dem die Bevölkerung nur noch einen Lakaien des ehemaligen Diktators sah und dessen Tod sie täglich in öffentlichen Kundgebungen forderte. Und der Ayatollah. Er erschien nach langjährig betriebener Oppositionsarbeit nicht wenigen Iranern der Zeit wie die Verkörperung des messianischen Retters, des geheiligte Revolutionärs, der alle Despoten und seine Schergen in die Flucht schlägt.

    Jeder, der mit unseren Ansichten übereinstimmt, den werden wir akzeptieren. Er ist unser Bruder und arbeitet mit uns. Wer nicht unserer Ansicht ist, ist nicht von uns, steht außerhalb, ist uns ein Fremder.

    Schon vor seiner Rückkehr hatte sich Chomeini Imam nennen lassen. Eine politische Anspielung. Denn der Titel, der im staatsreligiösen iranischen Schiismus bis dahin nur den zwölf Imamen zukam, verweist auf die Führerlosigkeit der religiösen Gemeinde, die durch die Entrückung des letzten Imam im 9. Jahrhundert eingetreten war und an dessen Rückkehr man glaubte. Durch die Umdeutung der Religion zur politischen Ideologie gelang die politische Mobilisierung des mittelasiatischen Ölstaates. Ayatollah Chomeinis Reden, illegal durch die Moscheen und in den Bazaren auf Kassetten verbreitet, kannte jeder Iraner. Der Mullah mit seinem feinen Gespür für Populismus hatte als erster erkannt, dass ein politisierter Islam eine größere revolutionäre Kraft in Iran entfalten könnte als Demokratie oder Kommunismus. Im Westen dagegen glaubte Ende Januar 1979 der amerikanische Präsident Jimmy Carter noch daran, dass man den Iran, wichtigster Sattelitenstaat im Mittleren Osten, weiter kontrollieren zu können:

    Wir haben die Bachtiar Regierung bis zur Grenze des möglichen öffentlich unterstützt und ermutigt, damit sie die Stabilität wieder herstellen kann, damit das Blutvergießen aufhört und Normalität in Iran zurückkehrt. Ich habe Vertrauen in die iranische Bevölkerung, das sie eine stabile Regierung bekommt und die ökonomischen Bedingungen in Zukunft wieder herstellt. Wir haben keinen direkten Kontakt mit Herrn Khomeini gehabt. Wir haben aber öffentlich betont, das auch er Stabilität und das Ende des Blutvergießens will. Wir wissen, dass das iranische Militär und viele der religiösen und politischen Gegner des Schahs die Bachtiar-Regierung unterstützen. Und das ist unsere Hoffnung.

    Eine trügerische Hoffnung. Einen Monat nach der Rückkehr Ayatollah Chomeinis in den Iran wurde die letzte vom Schah eingesetzte Regierung gestürzt. Und die Weltöffentlichkeit konnte mit staunenden Augen im Fernsehen nachverfolgen, wie sich in Iran erstmalig, mit einem Mullah an der Spitze, eine Revolution mit islamischen Vorzeichen vollzog.