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10 Jahre Umwelt - Forschungszentrum Leipzig -Halle

Vor genau 10 Jahren wurde in Leipzig das Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle gegründet. Eine wissenschaftliche Einrichtung, die es schon mit seiner Gründung hinaus aus den heiligen Hallen und Labors der Forscher zog. Kein Wunder, denn die Umwelt in der Region Halle-Leipzig gehörte zu Zeiten der Wende bekanntlich zu den am schwersten ökologisch geschädigten, europaweit. Daran hat sich inzwischen, auch Dank der Arbeit des UFZ, sehr viel geändert. Erst kürzlich war davon zu lesen, dass etwa die Wasserqualität bei der Tagebauflutung vor den Toren Bitterfelds viel besser ist, als man erwartet hatte. Hier entsteht derzeit einer der größten Seen Deutschlands, von dem sich die Stadt Bitterfeld einiges an touristischem Attraktivitätszuwachs erhofft. Wer hätte das gedacht.

von Wolfgang Schilling |
    Prof. Peter Fritz ist der Gründungsdirektor des Umweltforschungszentrums Halle-Leipzig. Vor zehn Jahren kam er aus dem Elfenbeinturm der Münchner Universität hierher und sah sich zu aller erst vor die Aufgabe gestellt, in nur drei Monaten ein funktionierendes Institut aufzubauen. 300 geplante Mitarbeiter - zweitausend Bewerbungen.

    Das war eine Challenge, die kriegt man nur einmal im Leben. Das heißt, die erste Zeit, die war menschlich extrem spannend. Spannend für jemanden, der einen Job hat und 2000 Leuten gegenübersteht, die keinen Job mehr haben. Weil sie abgewickelt werden.

    Dreihundert von ihnen konnten neu anfangen, nicht nur Naturwissenschaftler, auch die Geisteswissenschaften, sprich Soziologen und Umweltrechtler sind mit im Boot. Man forscht interdisziplinär und setzte von Anfang an auf Vernetzung mit den Universitäten in Halle und Leipzig. Die Forschungsfelder machten es nötig, lagen vor der Haustür und hatten erschreckende Dimensionen.

    Als erstes mussten wir lernen, dass wir es hier nicht mit Schadstoffdimensionen zu tun hatten, wie sie im Westen bekannt waren. Das fängt an in Bitterfeld: 200 Mio. Kubikmeter kontaminiertes Grundwasser unter einer Stadt. Das gibt es sonst nicht.

    Oder ein vierzig Jahre lang als Phenolkloake genutzter See, biologisch tot, lag er vor den Toren der Stadt Zeitz. Und in den ausgekohlten Braunkohlentagebaulandschaften entstehen momentan 120 Seen. Schön könnte man denken, doch die Hälfte davon hat eine Wasserqualität, die sich wegen absoluter Übersäuerung des Bodens mit Zitronensäure oder Essig vergleichen lässt. Das simple "Wasser marsch!" reicht also nicht als Parole.

    Und doch hören sie hier 3000 Liter Muldewasser pro Sekunde in die so genannte Goitsche rauschen, ein 13 Quadratkilometer großes Tagebaurestloch bei Bitterfeld. Pro Tag addiert sich der Wasserstrom auf 152 Millionen Liter. Genau die richtige Menge, um die in den Böschungen abgelagerten Phosphate und Nitrate dort zurückzuhalten, hat man am UFZ errechnet und die Beobachterin am Uferrand eines der zukünftig größten Seen Deutschlands ist voller Hoffnung.

    Dass das natürlich für uns Bitterfelder in Zukunft mal was ganz Tolles wird. Das dauert zwar vielleicht noch vier, fünf Jahre, bevor wir drin baden können, aber diese Woche stand in der Zeitung, dass die Qualität des Wassers sehr gut ist.

    Stimmt, meint Prof. Fritz, für den diese Flutungskonzeption unter die Kategorie der leichteren Aufgaben fällt. Beim Phenolsee von Zeitz sah man eigentlich nur schwarz, im wahrsten Wortsinn, denn die Sichttiefe betrug hier ganze zwei Zentimeter.

    Dieser See, um das als Beispiel zu nehmen, der hat vierzig Jahre lang interagiert mit den ganzen Gesteinen drum rum. Da sind die Schadstoffe nicht nur im See. Das ist nicht wie bei einer Badewanne, die sie leer pumpen und dann war es das. Das ist ins Gelände eingedrungen. Das heißt, jedes Sanierungskonzept muss auf das System als ganzes gucken. Es genügt nicht eine Pumpe reinzuhalten und zu sagen, das holen wir raus. Das wollte die Industrie machen. Die Schätzung für Zeitz war 700 Mio. DM, um das zu reinigen.

    Unbezahlbar, die Wissenschaftler des UFZ setzten auf die so genannte weiche Sanierung, und im und vom Phenol lebende Mikroorganismen. Die hat man mit Nährstoffzugaben rasant vermehrt. Ergebnis:

    Heute gibt es kein Phenol mehr im See, obendrauf. Wir haben eine Sichttiefe von ungefähr 10 Metern in dem See. Wir haben nicht 700, sondern ca. 7 Mio. DM ausgegeben.

    Forschung kann sich also auch rechnen. Obwohl die Arbeit, wie angedeutet, noch nicht abgeschlossen ist. Im Bodensediment des Sees tickt weiter eine ökologische Zeitbombe, doch die Bakterienkulturen, die ihr zu Leibe rücken sollen, werden gerade erforscht. Man ist dran und voller Hoffnung, meint Prof. Fritz und reklamiert Geduld, die solch sanfte und bezahlbare Sanierung nun einmal erfordert.

    Da wird manchmal erwartet, dass man das schneller kann, als es die Realität zulässt. Und da gibt es oft industrielle Scharlatane, die sagen: Ich mach das. Weil jetzt natürlich die Öffentlichkeit sagt; Wir wollen was sehen. Und den Anhaltinern Vorwürfe macht, dass sie zu langsam sind. Es geht nicht schneller!

    Informationen über das UFZ im Internet: www.ufz.de