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10. Leibniz-Kongress
Leibniz liefert immer noch neuen Stoff für Diskussionen

Alle fünf Jahre treffen sich Leibniz-Forscher in Hannover. Denn hier befindet sich der Nachlass des umfassend Gelehrten. Der diesjährige 10. Leibniz-Kongress findet unter dem Motto "Für unser Glück oder das Glück anderer" statt. Dabei geht es um die Ideen des Gelehrten, die nicht nur die Philosophie betreffen.

Von Hilde Weeg | 21.07.2016
    Eine Statue von Gottfried Wilhelm Leibniz auf dem Innenhof des Campus der Universität Leipzig
    Eine Statue von Gottfried Wilhelm Leibniz auf dem Innenhof des Campus der Universität Leipzig (picture alliance / dpa / Peter Endig)
    Leibniz' Auffassung von Gott und der Welt - sein Lebensgefühl - fasst Wenchao Li, Leibnizprofessor der Universität Hannover und Organisator der Tagung, so zusammen:
    "Diese Welt ist eine Welt der Möglichkeiten. Und Gott hat Möglichkeiten zur Verfügung gestellt. Und das aus diesen Möglichkeiten Realität wird, das ist die Aufgabe des Menschen."
    Leibniz selbst, als Sohn eines Professors für Moral 1646 in Leipzig geboren, hatte sich die Aufgabe gestellt, möglichst viel über die Welt und ihre göttlichen Gesetze zu lernen und dieses Wissen zum Wohle aller zu erschließen. Ob Philosophie, Jura, Geschichte oder Mathematik – auf allen Gebieten entwickelte er Ideen und diskutierte sie mit den Spezialisten ihres Fachs – weltweit, von Bernoulli bis Newton. Er erfand das binäre Zahlensystem oder die Rechenmaschine ebenso wie horizontale Windanlagen, eine bessere Federung für Kutschen oder die Idee von der besten aller möglichen Welten. Er selbst studierte in Leipzig, Jena und Altdorf. Aber an der Uni bleiben wollte er nicht. Lieber stellte er sich in den Dienst der Politik. Denken hieß für ihn: im Dialog sein, weltweit. Mehr noch als in seinen Büchern und Artikeln lebt sein Geist in tausenden Briefen und Notizen, die erhalten sind. Dass dieser Dialog sehr lebendig und interdisziplinär auch 300 Jahre nach seinem Tod geführt wird, das zeigt diese Tagung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus aller Welt, ob Kanada, China oder Italien:
    "Als Student der Physik wollte ich genauer das Phänomen Zeit verstehen – und ich fand heraus, das Leibniz das offenbar sehr viel besser verstanden hat als alle anderen."
    "Mich interessieren seine Gedanken zur Technologie, über künstliche Intelligenz."
    "Ich denke, Leibniz ist ein überragender Kopf, ein großer Denker, einer der größten in der Geschichte der Philosophie."
    Über den Tellerrand hinausschauen
    Der Kölner Leibnizforscher Karsten Erich Kähler erklärt mit Blick auf die steigenden Zahlen der Leibniz-Gesellschaften im Ausland:
    "Erstaunt bin ich über den enormen Anklang und das Interesse in aller Welt, das hat sich gesteigert sogar."
    Volker Epping, als Präsident der Leibniz-Universität Hannover Gastgeber der Tagung, sieht Leibniz auch als Vorbild für aktuelle Wissenschaftspolitik:
    "Über den Tellerrand hinaus zu gehen, zu sehen, dass große Probleme nur zu bewältigen sind, wenn man andere Wissenschaften dazu nimmt, das ist bemerkenswert, das Leibniz das so früh erkannt hat."
    Sein Nachlass ist noch immer nicht voll erschlossen. Allein 20.000 Briefe an und von Leibniz sind in seinem Nachlass – seit 2007 ein Weltdokumentenerbe der Menschheit. Wenchao Li:
    "Mit der Briefedition sind wir jetzt 1704/1705. Wir müssen unsere Prognose immer wieder korrigieren."
    Die zehnte Tagung wird deshalb sicher nicht die letzte sein, auf der Leibniz neuen Stoff für Diskussionen liefert.