von Ulrike Burgwinkel
An der gestrengen Dame in der Pförtnerloge führt kein Weg vorbei, ohne Magnetkarte komme ich nicht durch das Drehkreuz. Das hätte man hinter der altehrwürdigen Fassade nicht erwartet. Aber ich habe ja einen Termin! Zudem noch mit einem der prominentesten Wissenschaftler am Institut : mit Antonin Holy. In Ermangelung tschechischer Sprachkenntnisse zeige ich der Dame meine Einladung zum Gespräch. Siehe da : ich kann gehen.
In den Gängen Linoleumboden, gewellt, Kühlschränke säumen meinen Weg, Holz-Spinde mit vielerlei chemischen Substanzen, Waagen, Glasgefäße, und jener eigenartige Geruch, der für Nicht-Chemiker-Nasen so typisch erscheint. Auch der Blick hinter die Labortüren erspäht kein High-Tech-Equipment, wie man es bei uns sogar schon in manchen Schulen gewohnt ist. Und hier lehrt und forscht einer der bekanntesten tschechischen Wissenschaftler, Descartes Preisträger 2001, Inhaber von über 40 Patenten, von Vaclav Havel mit dem Verdienstorden ausgezeichnet : Antonin Holy. Geboren 1936 in Prag, promoviert 1959 an der Karls-Universität an der mathematisch-physikalischen Fakultät, 8 Jahre Direktor an "seinem" Forschungsinstitut. Sein kleines Zimmer steht voller Grünpflanzen, Medaillen, Fotos, Erinnerungsstücke an den wenigen freien Wandflächen, die nicht durch Bücher verstellt sind.
Ich arbeite in einem bestimmten Gebiet mit bestimmten strukturellen Substanzen, die sich an natürliche Substanzen sehr ähneln. Sie heißen Metaboliten, und die chemische geänderten Substanzen heißen Anti-Metaboliten, da sie gegen den Prozessen und gegen den Parasiten der Zellen wirksam sein sollen, theoretisch. Das ist natürlich nicht in allen Fällen wahr, deswegen habe ich nie Arzneimittel gegen Krebs oder gegen Viren gesucht, sondern alle möglichen biologischen Aktivitäten getestet.
Das sind sowohl zytostatische, also auch antiparasitische oder anti-virale Aktivitäten. Holy hat in Kooperation vor allem mit belgischen Kollegen an der Universität Leuven überaus erfolgreich an der Entwicklung von Wirkstoffen gegen Hepatitis B gearbeitet, der in jeden Jahr rund 300 Millionen Menschen allein in Südostasien und Afrika infiziert. "Adefovir"heißt das Ergebnis. "Tenefovir"heißt ein weiterer patentierter Wirkstoff aus Holys Labors. Er kann der Vermehrung der HI-Viren entgegenwirken, die wiederum gegen Tenefovir kaum Resistenzen entwickeln und wird von der amerikanischen Pharma-Firma Gilead Sciences als "Viread"produziert. Und auch eine der ersten Erfindungen Antonin Holys hat bei weiteren Untersuchungen weitere interessante Perspektiven aufgezeigt
Hier hat sich gezeigt, dass dieses Arzneimittel, das wir "Visiread" nennen, das auch in Mitarbeit mit einer amerikanischen pharmazeutischen Firma entwickelt wurde, das auch gegen Adenoviren und Pockenviren aktiv ist und das ist heutzutage B auf den Bioterrorismus besonders interessant
Es lohnt sich eben oft, noch ein zweites oder drittes Mal genauer hinzuschauen. Doch es gibt natürlich auch ganz frische und neue Arbeiten.
Das ist kein Geheimnis, aber das ist schwer zu sagen.Wir arbeiten weiter in die Richtung und wir haben wieder eine neue Klasse Verbindungen gefunden, die wir "open ring compound" nennen, also Substanzen mit geöffnetem Ring, ich meine, heterozyklischem Ring. Und die haben interessante biologische Aktivitäten, zeigen Aktivitäten gegen Aids-Virus, gegen die Mutanten, die sonst resistent sind und deswegen setzen wir das weiter fort. Es sind anti-metabolische Aktivitäten. Sie blockieren die Vermehrung der HIV, der Aids-Viren auf der Ebene der Ribonukleinsäuresynthese.
Es sind wohl nicht neueste Technologien, teure Apparaturen oder riesige Datenmengen, die Holys Erfolg ausmachen. Es ist der unermüdliche Forscherdrang, der Ideen im Kopf entstehen lässt. Seit 40 Jahren forscht Antonin Holy hartnäckig, voller Neugier und erfolgreich. Er hat an der Transformation der tschechischen Chemie nach 1989 mitgearbeitet, Chemie nie als L’art pour L’art betrachtet
Das ist eine komische Situation, dass ich nicht ihnen sagen kann, dass es unbedingt früher alles schlimmer war als heute. Wissenschaftlich konnten wir alles tun, was wir wollten, aber es war natürlich für uns einfacher mit der DDR, oder mit Ungarn oder Polen. Aber das andere war auch nicht ausgeschlossen. Ich konnte fahren, ich war zwar kein Genosse, aber ich habe gearbeitet und ich habe Ergebnisse gekriegt. Was natürlich schlimmer war, war die Zugänglichkeit der Substanzen. Wir mussten viel mehr alleine machen, was eigentlich gut war, da wir viel mehr Praxis bekommen haben als die heutigen Studenten, die alles gekauft gekriegt haben und das schadet natürlich ihrer praktischen Übung. Allerdings brauchen wir jetzt mehr Geld als früher. Alles ist viel teurer geworden.
Und solange die Akademie der Wissenschaften nicht frei über ihr Budget entscheiden kann, gehen die Lizenzeinnahmen aus den Patenten zum größeren Teil an den Staat. 2005 soll allerdings die Autonomie der Akademie vertraglich festgeschrieben werden. Solange muss dann eben auch noch die tschechische Grantova Agentura einspringen, eine Institution, die mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft vergleichbar ist.
Deren Präsident Josef Syka, von Hause aus Neurowissenschaftler und aktiver Grundlagenforscher, sieht, ebenso wie der Kollege Antonin Holy, im Eu- Beitritt der Tschechischen Republik keine großen Veränderungen der Wissenschaftsszene, vergleichbar mir der samtenen Revolution von 1989.
Ich freue mich über den Beitritt, aber ich glaube nicht an revolutionäre Änderungen. Wir sind immerhin schon seit 4-5 Jahren assoziiertes Mitglied, und konnten deswegen an verschiedenen Programmen teilnehmen. Wir sind also schon gewöhnt an die Forschungsbedingungen der EU.
Links:
Institute of Organic Chemistry and Biochemistry in Prag
10 plus - Ein Europa
DeutschlandRadio Online ist nicht verantwortlich für die Inhalte fremder Internetseiten.
An der gestrengen Dame in der Pförtnerloge führt kein Weg vorbei, ohne Magnetkarte komme ich nicht durch das Drehkreuz. Das hätte man hinter der altehrwürdigen Fassade nicht erwartet. Aber ich habe ja einen Termin! Zudem noch mit einem der prominentesten Wissenschaftler am Institut : mit Antonin Holy. In Ermangelung tschechischer Sprachkenntnisse zeige ich der Dame meine Einladung zum Gespräch. Siehe da : ich kann gehen.
In den Gängen Linoleumboden, gewellt, Kühlschränke säumen meinen Weg, Holz-Spinde mit vielerlei chemischen Substanzen, Waagen, Glasgefäße, und jener eigenartige Geruch, der für Nicht-Chemiker-Nasen so typisch erscheint. Auch der Blick hinter die Labortüren erspäht kein High-Tech-Equipment, wie man es bei uns sogar schon in manchen Schulen gewohnt ist. Und hier lehrt und forscht einer der bekanntesten tschechischen Wissenschaftler, Descartes Preisträger 2001, Inhaber von über 40 Patenten, von Vaclav Havel mit dem Verdienstorden ausgezeichnet : Antonin Holy. Geboren 1936 in Prag, promoviert 1959 an der Karls-Universität an der mathematisch-physikalischen Fakultät, 8 Jahre Direktor an "seinem" Forschungsinstitut. Sein kleines Zimmer steht voller Grünpflanzen, Medaillen, Fotos, Erinnerungsstücke an den wenigen freien Wandflächen, die nicht durch Bücher verstellt sind.
Ich arbeite in einem bestimmten Gebiet mit bestimmten strukturellen Substanzen, die sich an natürliche Substanzen sehr ähneln. Sie heißen Metaboliten, und die chemische geänderten Substanzen heißen Anti-Metaboliten, da sie gegen den Prozessen und gegen den Parasiten der Zellen wirksam sein sollen, theoretisch. Das ist natürlich nicht in allen Fällen wahr, deswegen habe ich nie Arzneimittel gegen Krebs oder gegen Viren gesucht, sondern alle möglichen biologischen Aktivitäten getestet.
Das sind sowohl zytostatische, also auch antiparasitische oder anti-virale Aktivitäten. Holy hat in Kooperation vor allem mit belgischen Kollegen an der Universität Leuven überaus erfolgreich an der Entwicklung von Wirkstoffen gegen Hepatitis B gearbeitet, der in jeden Jahr rund 300 Millionen Menschen allein in Südostasien und Afrika infiziert. "Adefovir"heißt das Ergebnis. "Tenefovir"heißt ein weiterer patentierter Wirkstoff aus Holys Labors. Er kann der Vermehrung der HI-Viren entgegenwirken, die wiederum gegen Tenefovir kaum Resistenzen entwickeln und wird von der amerikanischen Pharma-Firma Gilead Sciences als "Viread"produziert. Und auch eine der ersten Erfindungen Antonin Holys hat bei weiteren Untersuchungen weitere interessante Perspektiven aufgezeigt
Hier hat sich gezeigt, dass dieses Arzneimittel, das wir "Visiread" nennen, das auch in Mitarbeit mit einer amerikanischen pharmazeutischen Firma entwickelt wurde, das auch gegen Adenoviren und Pockenviren aktiv ist und das ist heutzutage B auf den Bioterrorismus besonders interessant
Es lohnt sich eben oft, noch ein zweites oder drittes Mal genauer hinzuschauen. Doch es gibt natürlich auch ganz frische und neue Arbeiten.
Das ist kein Geheimnis, aber das ist schwer zu sagen.Wir arbeiten weiter in die Richtung und wir haben wieder eine neue Klasse Verbindungen gefunden, die wir "open ring compound" nennen, also Substanzen mit geöffnetem Ring, ich meine, heterozyklischem Ring. Und die haben interessante biologische Aktivitäten, zeigen Aktivitäten gegen Aids-Virus, gegen die Mutanten, die sonst resistent sind und deswegen setzen wir das weiter fort. Es sind anti-metabolische Aktivitäten. Sie blockieren die Vermehrung der HIV, der Aids-Viren auf der Ebene der Ribonukleinsäuresynthese.
Es sind wohl nicht neueste Technologien, teure Apparaturen oder riesige Datenmengen, die Holys Erfolg ausmachen. Es ist der unermüdliche Forscherdrang, der Ideen im Kopf entstehen lässt. Seit 40 Jahren forscht Antonin Holy hartnäckig, voller Neugier und erfolgreich. Er hat an der Transformation der tschechischen Chemie nach 1989 mitgearbeitet, Chemie nie als L’art pour L’art betrachtet
Das ist eine komische Situation, dass ich nicht ihnen sagen kann, dass es unbedingt früher alles schlimmer war als heute. Wissenschaftlich konnten wir alles tun, was wir wollten, aber es war natürlich für uns einfacher mit der DDR, oder mit Ungarn oder Polen. Aber das andere war auch nicht ausgeschlossen. Ich konnte fahren, ich war zwar kein Genosse, aber ich habe gearbeitet und ich habe Ergebnisse gekriegt. Was natürlich schlimmer war, war die Zugänglichkeit der Substanzen. Wir mussten viel mehr alleine machen, was eigentlich gut war, da wir viel mehr Praxis bekommen haben als die heutigen Studenten, die alles gekauft gekriegt haben und das schadet natürlich ihrer praktischen Übung. Allerdings brauchen wir jetzt mehr Geld als früher. Alles ist viel teurer geworden.
Und solange die Akademie der Wissenschaften nicht frei über ihr Budget entscheiden kann, gehen die Lizenzeinnahmen aus den Patenten zum größeren Teil an den Staat. 2005 soll allerdings die Autonomie der Akademie vertraglich festgeschrieben werden. Solange muss dann eben auch noch die tschechische Grantova Agentura einspringen, eine Institution, die mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft vergleichbar ist.
Deren Präsident Josef Syka, von Hause aus Neurowissenschaftler und aktiver Grundlagenforscher, sieht, ebenso wie der Kollege Antonin Holy, im Eu- Beitritt der Tschechischen Republik keine großen Veränderungen der Wissenschaftsszene, vergleichbar mir der samtenen Revolution von 1989.
Ich freue mich über den Beitritt, aber ich glaube nicht an revolutionäre Änderungen. Wir sind immerhin schon seit 4-5 Jahren assoziiertes Mitglied, und konnten deswegen an verschiedenen Programmen teilnehmen. Wir sind also schon gewöhnt an die Forschungsbedingungen der EU.
Links:
Institute of Organic Chemistry and Biochemistry in Prag
10 plus - Ein Europa
DeutschlandRadio Online ist nicht verantwortlich für die Inhalte fremder Internetseiten.